# taz.de -- Schiller goes Stummfilm: Ohne Worte
       
       > Am Jungen Schauspiel Hannover feiern Schillers Räuber in einer besonderen
       > Form Premiere: Die Aufführung verzichtet auf die Worte.
       
 (IMG) Bild: Lust auf ein Experiment, Lust auf Reduktion und Lust auf nonverbale Spielweisen: Schauspieler Oscar Olivo als Franz in Schillers Räuber.
       
       HANNOVER taz | Ja, wie tollkühn ist das denn? Schiller ohne Worte!
       Schillers genialer Jugendstreich „Die Räuber“ ist ein emotional
       elektrisiertes Sprachkunstwerk, eine Sprechoper. Und in Hannover wird es
       nun dargeboten als stummer Abend. Die immer noch unfassbar tollen
       Formulierungen, aufbrausenden Diskurse, das rauschhafte Philosophieren,
       stürmende und drängende Politisieren, diese ekstatisch aus Worten
       komponierte Adoleszenz-Energie zwischen Machtwillen und Idealismus,
       Aufbegehren und Anpassung werden hier einfach mal weggelassen. Die
       Aufführung verzichtet auf diese ganze wertvoll Schöne, Wahre und Gute des
       Klassikers.
       
       „Das ist natürlich schon ein Verlust“, bestätigt Gesa Lolling, Dramaturgin
       für das Junge Schauspiel Hannover. Auf der Suche nach dem Gewinn ist Ruth
       Messing in ihrer ersten abendfüllenden Regiearbeit. Warum „Die Räuber“? Die
       Theaterleitung hatte es angeboten. Warum eine von Sprechakten befreite
       Aufführung? „Die Regisseurin wollte auf der Bühne nicht diesen endlosen
       Monologen und Beschreibungen Schillers folgen“, sagt Lolling. „Beim
       Schwarzlicht und Puppentheater hat sie ihre Lust entdeckt, nach neuen
       Darstellungsformen zu suchen.“
       
       Lust auf ein Experiment, Lust auf Reduktion und Lust auf nonverbale
       Spielweisen. Auch die Bühne hat Andrea Wagner erstmal leer geräumt, bis auf
       einen sachlichen Kubus. Spielorte werden per Videozuspielungen angedeutet,
       für Atmosphäre sorgt ein Geräuschemacher, Nebenhandlungen kommen als
       Schattenspiel und die zentralen Geschehnisse in Stummfilm-Ästhetik daher.
       Die Inszenierung lebt von überlebensgroßen Gesten, malerisch in die Haut
       gefalteter Mimik, emotionensprühenden Blicke, expressiver Schminkkunst.
       
       Die erhofften Zuschauer – „ab 14 Jahre“ – erleben die Geschichte der
       ungleichen Brüder Franz und Karl, die um die Liebe ihres Vaters buhlen.
       „Wir wollen diese Fabel des Dramas freilegen und sind so in eine andere
       Erzählweise gekommen: Sehnsucht nach Situation, nennt das die Regisseurin“,
       sagt Dramaturgin Lolling. Das Geschehen wird konzentriert auf eine Abfolge
       klarer (und wenn es gelingt auch) gleichnishafter Szenen, die unter
       Überschriften wie „Franz begehrt die Freundin des Bruders Karl“ und „Vater
       bevorzugt Karl“ stehen könnten. So soll ein prägnantes Bildertheater
       entstehen.
       
       ## 20 Schiller-Sätze als Zwischentitel
       
       Und was ist nun der Vorteil des Schweigens? Also ganz so wortlos werde es
       nicht, beruhigt die Dramaturgin. Absichtserklärungen der Figuren, Wechsel
       der Zeitebenen, all das also, was man partout nicht spielen könne, werde in
       der Art von Zwischentiteln auf die Bühne projiziert. 20 Schiller-Sätze
       werden auf diese Weise den radikalen Zugriff überleben.
       
       Da Schauspieler nun also nicht den Text, sondern nur die Figuren
       beglaubigen und Zuschauer alles von deren Körpern ablesen müssen,
       bezeichnet Lolling den gewünscht positiven Effekt der Inszenierung als
       „Aufmerksamkeitsschärfung“. Man spiele zwar lockerer und schneller als im
       Stummfilm üblich, aber der klare Blick auf den rohen Plot helfe, sich auf
       die Gefühlslage und Motivation der Figuren und die Theatermittel zu
       fokussieren.
       
       ## Zauberstarkes Gegenmittel
       
       Ein vielleicht zauberstarkes Gegenmittel zum aufmerksamkeitsheischenden
       Tohuwabohu des Theaterpremierenalltags. Erwünscht sein könnte ein Effekt,
       wie er in „The Artist“ im Kino gelang: Hier triumphiert ein Stummfilm im
       Stil der 1920er Jahre in der Multiplex-Welt der sinneverwirrenden
       3D-Effekte.
       
       „Die Tatsache, dass du nicht über einen gesprochenen Text gehst, wirft dich
       auf eine grundlegende Art des Geschichtenerzählens zurück, die nur durch
       die Gefühle funktioniert, die du erschaffst.“ Mit diesen Worten wurde „The
       Artist“-Regisseur Michel Hazanavicius einst zum Erfolgsgeheimnis zitiert.
       
       ## Premiere: 18. Oktober, 19.30 Uhr; weitere Vorstellungen: 19. + 30.
       Oktober, 7. und 10.November, Hannover, Ballhofplatz 5
       
       14 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Fischer
       
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