# taz.de -- Kinostart von „Finsterworld“: Deutsche Schrecken
       
       > Ein schönes Land, in dem viel Hässliches gedeiht: Der Film von Frauke
       > Finsterwalde und Christian Kracht kratzt an den wunden Stellen der
       > Republik.
       
 (IMG) Bild: Leonard Scheicher als Dominik und Carla Juri als Natalie.
       
       Deutschland als Abmantelung, als Kokon, als Wundschorf. Eine abgeschottete
       Finsterwelt mit blasierten, ihren Ekel mit aasig-selbstgerechtem Grinsen
       vor sich hertragenden Menschen, aber auch solchen, die es immerhin, wenn
       auch etwas betulich, gut meinen.
       
       Der engagierte Lehrer etwa, der den unbekümmerten Wohlstandskindern
       wenigstens den Hauch einer Ahnung von Geschichte mitgeben will, da hier vor
       nur 70 Jahren noch massenhaft Menschen ins Gas geschickt wurden.
       
       Dieser Schrecken ist aus dem Alltag gründlich getilgt: Die Städte sind
       frisch herausgeputzt, die Autobahnen frisch asphaltiert, die Trümmer und
       Leichenberge unters Wirtschaftswunder gefegt. Was, Deutsche? Doch nicht
       wir. Womit man sich der deutschen Geschichte entledigt, zum lässigen
       Savoir-Vivre aber gerade nicht findet, sondern bloß zur deutschen Tugend
       der Verkniffenheit.
       
       Dafür scheint, im Film „Finsterworld“ wenigstens, unentwegt die Sonne. Es
       ist das Spielfilmdebüt der Dokumentarfilmemacherin Frauke Finsterwalder,
       dessen Drehbuch sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Schriftsteller
       Christian Kracht, verfasst hat. Und es zeigt Deutschland als schönes Land,
       in dem allerdings viel Hässliches gedeiht und schon bei leichtem Knibbeln
       am Schorf der Geist der Zurichtung wieder zutage tritt. Am Ende grölen
       blonde Jungmänner triumphal vom Sieg.
       
       ## Keine selbstbesoffene Betroffenheit
       
       Schön an diesem Film ist, wie er etwas zu fassen kriegt, ohne in dröhnendes
       Anklagepathos oder selbstbesoffene Betroffenheit zu verfallen. Und das ganz
       ohne Anspruch auf eine umfassende oder gar ästhetisch realistische
       Darstellung, etwas von der Post-Shoah-BRD, die sich einerseits darin
       gefällt, die Vergangenheit „bewältigt“ zu haben, die lebendige Erinnerung
       an den Zivilisationsbruch andererseits aber an terminlich festgelegte
       Betrübtheitsgesten und ferne Baudenkmäler delegiert und damit unterbunden
       hat.
       
       Mit ihrem rund um eine bürgerliche Familie gruppierten, tragikomischen
       Ensemblefilm – die Verbindungen unter den Leuten ergeben sich im Lauf –
       wählen Finsterwalder und Kracht eine Perspektive auf die Leute, die von
       intimer Kenntnis zeugt und zugleich Distanz wahrt: Finsterwalde und Kracht
       lebten beide gemeinsam in Afrika, in dessen Steppe der Film dann auch endet
       – in einer umwerfenden Szene, in der der romantisch verbrämte, aufs Globale
       schielende Todesfetisch, der so tief im Deutschen steckt, mit einer Geste
       lässiger Lakonie wenigstens im Kleinen verpufft.
       
       ## Pessimismus und Hoffnung
       
       ## 
       
       Vielleicht eine Spur zu sehr sucht der Film das Gediegene, manche
       genüssliche Bösartigkeit wirkt dadurch wattiert. Aber er reibt sich schon
       schön an manchen wunden Stellen: an der Neigung, den Ekel genussvoll zu
       zelebrieren, etwa. An verkniffener Ich-Bezogenheit, die sich über den Blick
       auf die Anderen konstruiert: Ja, die Österreicher, heißt es einmal
       schwärmerisch resignativ, die machen wenigstens gute Filme.
       
       An der zu toter Materie geronnenen Geschichte, die aus einem offen
       stehenden KZ-Brennofen so faszinierend entgegenstarrt, dass man am liebsten
       hineinklettern will – was denn auch mit verhängnisvollen Folgen prompt
       geschieht.
       
       „Finsterworld“ ist pessimistisch und hoffnungsvoll zugleich. Es geschehen –
       wie in Krachts Romanen – fürchterliche Dinge, ästhetisch fein ziseliert.
       Sein Herz verschenkt der Film aber ausgerechnet an die Devianten. In ihrer
       Welt, lautet die gar nicht ironisch gebrochene Botschaft, könnte sich das
       solidarische Band einer neuen, fragilen Zärtlichkeit bilden, angesichts
       derer die ganz auf Verhärtung eingeschossenen Normalo-Nachwuchs-Faschisten
       am Ende vielleicht doch ein für alle Mal in der Geschichte verblassen.
       
       17 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Groh
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
       
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       Buch „Imperium“ geäußert. Trotz einiger Parallelen habe er sich weniger an
       Hitler als an Kästners Stil orientieren wollen.
       
 (DIR) Christian Kracht auf der Buchmesse: Der Autor und sein Verleger
       
       Erst hieß es, Christian Kracht lasse die Lesung ausfallen, dann las er
       doch. Differenziert konnte auf der Messe über sein umstrittenes Buch nicht
       gesprochen werden.