# taz.de -- Berlins schlechter Ruf: Wir können nix. Außer U-Bahn!
       
       > Alles dauert in Berlin länger. Alles? Nein: Der U6-Tunnel wird pünktlich
       > fertig. Macht das Schule, muss sich Berlin um seinen Ruf sorgen.
       
 (IMG) Bild: Bringt Berlins Ruf in Bredouille: der fast fertige U6-Tunnel.
       
       BERLIN taz | Den Verantwortlichen selbst schien die Situation ungewohnt.
       Als die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Berliner
       Verkehrsbetriebe am gestrigen Dienstag zur Besichtigung des U6-Tunnels
       luden, hatten auch sie keine konkrete Antwort auf die eine große Frage:
       Wieso klappt ausgerechnet hier, was sonst schier nie in Berlin klappen will
       – wieso bloß wurden die Bauarbeiten fast wie geplant beendet?
       
       Pünktlich oder zu den vereinbarten Kosten fertig werden? In der deutschen
       Hauptstadt? Das ist in den vergangenen Jahren zu einem Widerspruch in sich
       selbst geworden. „Oxymoron“ heißt das in der Kunst der Rhetorik. Die
       Eröffnung des Großflughafens BER wurde schon verschoben, als er noch gar
       nicht unter diesem Kürzel lief, sondern unter BBI, Berlin Brandenburg
       International.
       
       Die Staatsoper Unter den Linden, seit 2010 dicht, sollte schon fertig sein,
       stattdessen ist nun von 2015 die Rede – für deutlich mehr Geld. Der
       Erweiterungsbau des Berggruen-Museums schimmelt schon ein halbes Jahr nach
       der Eröffnung – und zwar nicht im Keller, sondern unterm Dach. Und das
       zentrale Eingangsgebäude der Museumsinsel, die James-Simon-Galerie, wird
       mindestens 30 Millionen teurer.
       
       Nur einmal in der letzten Zeit wurde der geltende Antislogan „Wir können
       alles außer pünktlich“ außer Kraft gesetzt: Die Sanierung der Avus war
       früher als geplant erledigt, sogar ein ganzes Jahr. Aber wen interessieren
       schon politisch unkorrekte Autobahnen?
       
       ## Schon vorbei, die Latscherei?
       
       Da war es beim besten Willen nicht zu erwarten, dass das beim U6-Tunnel
       anders wird. Und nun soll doch schon vor der ersten Adventskerze Schluss
       sein mit der Latscherei zwischen den Bahnhöfen Französische Straße und
       Friedrichstraße? Da wird doch wohl nicht einer ordentlich geplant, die
       Kosten vernünftig kalkuliert, überflüssige Änderungswünsche abgelehnt und
       sogar daran gedacht haben, dass Berlin in einem Urstromtal liegt und viel
       Wasser im Boden hat?
       
       Ein richtiger Korinthenkacker und Erbsenzähler muss das gewesen sein. Das
       sollte den Senat und die Stadtgesellschaft aufhorchen lassen. Denn macht so
       etwas Schule, hätte das zwangsläufig eine rufschädigende Wirkung für
       Berlin. Denn was törnt schon mehr ab, als pünktlich, ordentlich und
       verlässlich zu sein? Das wäre ja am Ende preußisch, igitt. Nichts wäre mehr
       mit dem Wowereit’schen Diktum, Berlin sei „arm, aber sexy“.
       
       Aber keine Panik: Es gibt ja noch diverse andere Baustellen, die unsere
       Stadt wieder ins richtige Licht rücken könnten. Allein beim Humboldt-Forum,
       das im Jahr 2019 fertig sein soll, kann sich noch jede Menge verzögern. Puh
       – sonst hätte man BER-Chef Mehdorn noch Order geben müssen, beim Flughafen
       mal nicht so auf die Tube zu drücken. Berlin hat schließlich einen Ruf zu
       verlieren.
       
       29 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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