# taz.de -- Computermodell gegen Kindesmissbrauch: „Sweetie“ überführt Tausende
       
       > Es ist zehn Jahre alt, süß, unschuldig und ein Weltstar. Das
       > Phantom-Mädchen Sweetie lockte viele Pädophile an. Aber ob sie je vor
       > einen Richter kommen, ist fraglich.
       
 (IMG) Bild: So gut wie echt: Auf das Phantom „Sweetie“ fielen tausende Männer im Netz rein.
       
       AMSTERDAM dpa | Sweetie ist eine Heldin. Das kleine Mädchen mit den großen
       traurigen Augen lockte 1000 mutmaßliche Pädophile in die Falle. Sie hatten
       Geld für Sex vor der Webcam geboten. Was sie nicht wussten: Sweetie war ein
       Computer-Modell. Die Aktion der Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes
       erregte in dieser Woche weltweit Schlagzeilen, doch sie zeigte auch die
       Grenzen des Kampfes gegen die weltweite Kinderpornografie auf.
       
       „Wir wollten zeigen, was im Internet geschieht“, sagt Hans Guijt von der
       Organisation in Den Haag. Und das ist erschreckend. Die Kinderschützer
       boten Sweetie auf berüchtigten Chat-Sites von Pädophilen an. In nur zwei
       Monaten wollten 20 000 Männer aus 71 Ländern Kontakt mit dem
       Phantom-Mädchen.
       
       Sobald deutlich wurde, dass es zehn Jahre alt war und von den Philippinen
       kam, seien die Männer in Scharen gekommen und hätten Geld geboten, sagt
       Guijt. „Wir wollten wissen: was sind das für Männer, was wollen sie?“ Terre
       des Hommes identifizierte 1000 von ihnen, darunter 44 aus Deutschland und
       20 aus den Niederlanden. Die Bilder und Gespräche wurden aufgezeichnet und
       Interpol übergeben. Doch Juristen zweifeln, dass das ausreicht. Das wird je
       nach Rechtslage in den verschiedenen Ländern anders sein.
       
       In den Niederlanden etwa ist virtueller Kinderporno seit 2010 strafbar.
       Doch die Beweise von Terre des Hommes wurden nicht rechtmäßig gesammelt.
       Das erschwert einen Prozess. Allerdings darf die Polizei die Angaben für
       weitere Ermittlungen nutzen, erklärte die Staatsanwaltschaft.
       
       ## Beweise nicht rechtmäßig
       
       Die entscheidende Frage aber ist, ob überhaupt solche Lockmittel eingesetzt
       werden dürfen. Schließlich bringt die Polizei jemanden dazu, eine Straftat
       zu begehen, die er sonst vielleicht nicht begangen hätte.
       
       Im Juni noch wurde ein Niederländer vom Vorwurf der virtuellen sexuellen
       Nötigung freigesprochen. Er hatte in einem Chatroom Kontakt mit einem
       jungen Mädchen aufgenommen. Das dachte er. In Wirklichkeit war es ein
       Polizist.
       
       Virtuelle sexuelle Kontakte sind nur dann strafbar, wenn das Opfer auch
       wirklich minderjährig ist, erklärte ein Sprecher der niederländischen
       Staatsanwaltschaft. „Wahrscheinlich gilt das auch für ein virtuelles Kind.“
       
       ## Hunderte junge Mädchen sexuell genötigt
       
       Bisher ist der Einsatz von minderjährigen Lock-Personen auch nicht erlaubt.
       Doch das soll sich schnell ändern. Das Justizministerium will in den
       nächsten Wochen eine Gesetzesänderung durchs Parlament bringen, nach der
       die Polizei auch sogenannte Lock-Teenager einsetzen könnte. Das ist eine
       Reaktion auf einen erst kürzlich bekannt gewordenen spektakulären Fall. Ein
       48 Jahre alter Mann hatte möglicherweise hunderte junge Mädchen online
       sexuell genötigt oder zumindest belästigt.
       
       Lockmittel sind in den Niederlanden nicht unbekannt. Erfolgreich setzt die
       Polizei etwa das sogenannte „Lok-Fiets“ ein, ein spezial präpariertes
       Fahrrad, um Raddiebe zu erwischen. Eine als Oma verkleidete Polizistin
       lockte bereits einen Mann in die Falle, der alte Frauen überfallen hatte.
       
       Auch ein Phantom-Kid kann ein erfolgreiches Mittel sein, wenn die
       Rechtslage es erlaubt. „Ich wurde geschaffen, um die aufzuspüren, die so
       etwas tun“, sagt Sweetie in ihrem leicht singenden Englisch in dem
       Informationsfilm von Terre des Hommes.
       
       ## Verbrechen ohne Risiko
       
       Doch an die meisten Täter kommt man nicht heran, meint die europäische
       Polizeibehörde Europol in Den Haag. Die völlige Anonymität des Internets
       macht es fast unmöglich. „Es ist ein Verbrechen ohne Risiko“, sagte Troels
       Oerting, Chef der Abteilung Cyberverbrechen bei Europol. Pädophile können
       über das sogenannte Darknet von Internetdiensten und Netzwerken ihre
       Identität verbergen.
       
       Sweetie kann auch die Täter auf der anderen Seite des Bildschirms nicht
       stoppen. Immer mehr Mädchen würden von Kriminellen gezwungen, sich vor der
       webcam zu prostituieren. Europol kennt die Machenschaften. Kriminelle
       Banden lieferten auf Bestellung der Kunden, geht aus einer Studie der
       Behörde hervor. Sie verlangten bestimmte Kinder und bestellten auch die
       jeweiligen sexuellen Handlungen. Den Missbrauch schauten die Pädophilen
       dann live auf ihrem Computer an - in völliger Anonymität.
       
       7 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annette Birschel
       
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