# taz.de -- Krise in Libyen: Schwerste Kämpfe seit Gaddafis Sturz
       
       > Ein Milizenchef aus Misurata wird in Tripolis im Streit erschossen. Seine
       > Miliz rückt mit 1.500 Mann in der Hauptstadt ein.
       
 (IMG) Bild: Einschusslöcher im Radisson Hotel, Tripolis, wo die internationale Geschäftswelt absteigt.
       
       TRIPOLIS taz | Im Zentrum der libyschen Hauptstadt ist es am Freitag zu den
       wohl schwersten Auseinandersetzungen seit dem Ende der Revolution 2011
       gekommen. Ein unbedachter Moment genügte, um Schießereien zwischen zwei
       unter Regierungskommando stehenden Milizen auszulösen. Anlass war der Tod
       eines Kommandeurs aus Misurata.
       
       Nuri Friwan war am Donnerstag an einem Checkpoint nahe des Radisson-Hotels
       in Tripolis von einer lokalen Miliz gebeten worden, die abdunkelnde Folie
       von den Scheiben seines Militärjeeps zu entfernen. Nach heftigem
       Wortwechsel verhaftete ihn die Miliz aus dem Stadtteil Suq al-Juma.
       
       Als Kommandeur der Nosoor-Miliz aus Misurata ließ Friwan sich den
       Kommandoton seiner ehemaligen Kampfgenossen nicht gefallen: Im Handgemenge
       traf ihn eine Kugel am Bein, der vierstündige Schusswechsel zwischen ihm zu
       Hilfe eilenden Nosoor-Kämpfern und „Derra Libya“-Armee-Einheiten forderte
       drei Schwerverletzte. Trotz Notoperation starb Friwan in einem maltesischen
       Krankenhaus.
       
       Die Antwort der Nosoor-Kämpfer kam umgehend: Sie schickten einen
       Militärkonvoi, der einen Platz in Suq al-Juma und in der Innenstadt von
       Tripolis besetzte.
       
       ## Aufrufe zur Versöhnung
       
       Das blieb nicht ohne Reaktion. Im Bezirk Zawiyat Dachmani und in Busetta
       schossen Verteidiger mit Panzerfäusten auf den Konvoi der jungen
       Nosoor-Kämpfer, deren Zahl auf mindestens 1.500 geschätzt wurde. Der wilde
       Kampf breitete sich auf drei Stadtteile aus und forderte mindestens drei
       Tote.
       
       Während Luftabwehrgeschütze ganze Straßenzüge verwüsteten, flüchteten
       Familien, die auf dem Weg ins Wochenende waren, aus ihren Autos in
       Vorgärten. Restaurantbesucher warfen sich zum Schutz unter die Tische.
       
       Als Luftabwehrgeschosse das Radisson-Hotel trafen, evakuierte das
       Management die zahlreichen internationalen Geschäftsleute und Diplomaten in
       den Keller. Einschusslöcher und Glassplitter in der Hotellobby zeugen von
       der Intensität der Kämpfe.
       
       In den Freitagsgebeten wurde am Freitag zu Ruhe und Versöhnung aufgerufen,
       aber die Nosoor-Leute hielten sich im Stadtteil Gharghur verschanzt.
       
       Der Lokalrat in Misurata und die Familie Friwans distanzierten sich von dem
       Angriff der Nosoor-Brigade, die zum großen Teil aus zugereisten jungen
       Arbeitslosen besteht. „Libyen hat Dutzende solcher Milizen. Wenn wir ihnen
       keine Alternative zu der Macht ihrer Waffen geben, sehe ich schwarz,“ sagt
       ein Passant und schaut sorgenvoll durch die Gardine eines Restaurants am
       Algerien-Platz, von dem ohrenbetäubende Luftabwehrsalven in den Himmel
       steigen.
       
       ## Die Regierung ist weiterhin unfähig
       
       Der kurze heftige Gewaltausbruch ist auch ein Indikator für die steigende
       Polarisierung der politischen Lager in Libyen. Die Regierung ist weiterhin
       unfähig, die von ihnen bezahlten Milizen zu kontrollieren und Armee und
       Polizei aufzubauen.
       
       Anfang Oktober hatte eine unter dem Oberbefehl des Nationalkongresses
       stehenden Einheit namens „Operation Room“ Premier Ali Seidan für mehrere
       Stunden entführt. Erst nach dem Eingreifen der Suq-al-Jum-Revolutionäre
       ließen die Uniformierten des „Operation Room“ ihren Regierungschef wieder
       gehen.
       
       Am Sonntag entscheidet der Nationalkongress darüber, ob der „Operation
       Room“ weiterhin die Sicherheit der Hauptstadt organisiert oder aufgelöst
       wird. Für die Auflösung der erst im Sommer geschaffenen Einheit ist ein
       Block von 94 Abgeordneten unter Führung des liberalen Politikers Mahmud
       Dschibril. Eine Allianz aus Muslimbrüder und Misurata-Milizen wirbt
       hingegen dafür, den ihnen loyalen „Operation Room“ aufrechterhalten.
       
       Umgerechnet 530 Millionen Euro hatte der Kongress zuletzt an ehemalige
       revolutionäre Milizen gezahlt. Ihr Einsatz als Ersatzpolizei ist jetzt wohl
       endgültig gescheitert.
       
       8 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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