# taz.de -- Gewalt in Libyen: Ausnahmezustand in Tripolis
       
       > In der Hauptstadt Tripolis liefern sich Milizionäre heftige Kämpfe. Zuvor
       > hatten Bewaffnete auf demonstrierende Bürger geschossen.
       
 (IMG) Bild: Trauer um die Opfer der jüngsten Ausschreitungen: Tripolis am Samstag.
       
       TRIPOLIS taz | Nach zwei Tagen schwerer Kämpfe ist am Sonntag in der
       libyschen Hauptstadt der Ausnahmezustand verhängt worden. Über 500
       Verletzte und fast 50 Tote forderten die Kämpfe zwischen Milizen aus
       Tripolis und Misurata am Samstag und der Angriff auf unbewaffnete
       Demonstranten am Freitag. Am Sonntag war die Lage an den vielen neuen
       Checkpoints angespannt, bis auf Zwischenfälle im Vorort Tadschura kehrte im
       Zentrum der Alltag zurück.
       
       „Nach dieser Katastrophe muss Schluss sein mit der Gesetzlosigkeit. Drei
       Jahre nach Beginn der Revolution gibt es weder eine funktionierende Armee,
       noch Polizei auf der Straße“, klagt Lotfi Alkuraty, ein Ladenbesitzer.
       „Jetzt sind die Bürger endlich mobilisiert und reden offen über die
       Diktatur der Milizen, die heimlich die Macht übernommen haben und sogar
       ohne Folgen den Premierminister entführen konnten.“
       
       Sichtlich eingeschüchtert forderte Regierungschef Ali Seidan auf einer
       Pressekonferenz einen Waffenstillstand und den Abzug aller illegalen
       Milizen aus Tripolis. Er verzichtete darauf, einer Seite die Schuld für das
       Massaker zuzuweisen. Seidan sagte auch nicht, ob die Armee den Bezirk
       Gharghur absichern wird, wo sich die Nosoor-Miliz, die aus Misurata stammt,
       und die Parallelarmee Derra Libya bewaffnet gegenüberstehen.
       
       „Die Regierung existiert praktisch nicht. Es war doch Seidan selbst, der
       zusammen mit dem Lokalrat von Tripolis die Bevölkerung dazu aufgerufen
       hatte, die illegalen Milizen aus Tripolis zu vertreiben“, klagt ein
       Augenzeuge, der wie viele andere für ein hartes Durchgreifen der Armee
       demonstrierte.
       
       Begonnen hatte der schwarze Freitag mit friedlichen Protesten gegen
       Entführungen und Verhaftungen der selbst ernannten Milizen in Gharghur.
       Viele Anwohner wollten dem Hauptquartier der Nosoor-Miliz fernbleiben,
       ließen sich jedoch von den Veranstaltern überreden, dorthin zu gehen. „Wir
       dachten, der Lokalrat würde für ihre Sicherheit sorgen. Als wir vor der
       Kaserne ankamen, schossen die Milizionäre wie befürchtet auf die in weiß
       gekleideten und unbewaffneten Demonstranten in der ersten Reihe, mit
       Luftabwehrgeschützen“, sagt Muhib Madi, ein 35-jähriger Ölingenieur.
       
       ## Bewohner der Hauptstadt wollen, dass die Milizen verschwinden
       
       Wie viele andere fühlt er sich von den Organisatoren verraten. „Die
       Mehrheit der Bevölkerung hat wie ich die Waffen weggelegt und ist ins
       normale Leben zurückgekehrt. Nun stehen wir zwischen Milizenwillkür, der
       unfähigen Regierung und einem von Islamisten unterwanderten Kongress. Dafür
       haben wir nicht gekämpft.“
       
       Am Sonntag sorgte der oberste Mufti Sadiq Ghariani für Verblüffung. Der
       86-Jährige gab den Demonstranten und der Nosoor-Miliz gleichermaßen die
       Schuld an der Eskalation. „Opfer und Täter werden in der Hölle schmoren,
       weil sie sich von regionalen und Stammeskonflikten beeinflussen ließen“,
       wetterte er.
       
       ## Wer hat den Ausnahmezustand verhängt?
       
       Osama Sued, Herausgeber einer großen Zeitung in Tripolis, kann den
       Ereignissen auch einen positiven Aspekt abgewinnen. „Diese größte
       Katastrophe nach der Revolution hat zumindest einen positiven Effekt. Alle
       Seiten haben nun die Karten auf den Tisch gelegt. Die Milizen haben sich
       als kaltblütige Killer geoutet und die Regierung als handlungsunfähig“,
       sagt er.
       
       Auf einem großen Demonstrationszug auf dem Algerienplatz war am Sonntag die
       Botschaft eindeutig: Alle Milizen raus aus der Stadt. Wie sehr deren
       Kommandeure die Macht in Libyen bereits an sich gerissen haben, zeigten die
       Diskussionen auf dem Algerienplatz. Viele rätselten darüber, wer den
       Ausnahmezustand ausgerufen hat – die Regierung oder die vom Staat bezahlten
       Milizen.
       
       17 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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