# taz.de -- Protest gegen Milizen in Libyen: „Tripolis steht endlich auf“
       
       > Nach der Gewalt am Wochenende kehren die Einwohner von Tripolis zum
       > Protest auf die Straßen zurück. Die Kämpfer aus Misurata ziehen ab.
       
 (IMG) Bild: Sie haben die Gewalt satt: Protestierende Frauen in Tripolis.
       
       TRIPOLIS taz | Der Lärm von Luftabwehrfeuer und das Massaker an
       unbewaffneten Demonstranten am vergangenen Wochenende hat viele Bewohner
       von Tripolis in den letzten Nächten von den Straßen vertrieben. Nun haben
       sich die Einwohner der libyschen Hauptstadt mit einem Generalstreik und
       Demonstrationszügen die Stadt zurückerobert. Der schwarze Freitag mit über
       43 Toten und 500 Verletzten hat sie mobilisiert.
       
       „Die Mehrheit wollte schon seit zwei Jahren Recht und Ordnung. Aber die
       Zerstrittenheit der während der Revolution entstandenen Parteien und
       Gruppen hat es den bewaffneten Milizen einfach gemacht, die Kontrolle über
       die Hauptstadt zu übernehmen“, sagt Nezar, ein 32-jähriger Ölingenieur.
       
       Er ist Teil einer jungen Aktivistenbewegung, die seit dem Sommer aus dem
       Untergrund gegen die eigentlichen Machthaber in Libyen vorgeht. Nezar hält
       die finanzielle Unterstützung der Regierung für die ehemaligen
       Revolutionäre für das Hauptproblem. Per Facebook und in konspirativen
       Treffen organisieren sie sich, um den Kommandos der Milizen zu entgehen.
       
       „Es werden jeden Tag mehr. Tripolis steht endlich auf“, sagt Nezar und
       zeigt das Bild seiner beiden Töchter. „Ich möchte, dass sie in einem
       normalen Land leben. Dafür gebe ich auch mein Leben.“ Dutzende Blogger
       verschwanden wegen kritischer Facebook-Einträge in den Gefängnissen oder
       verließen das Land.
       
       „Der Staat hat Revolutionäre zu offiziellen Sicherheitskräften gemacht, um
       sie unter Kontrolle zu bekommen. Viele sind Islamisten und führen sich doch
       wie Mafiabosse auf. Sie entführen Geschäftsleute und haben geheime
       Gefängnisse. Wenn wir sie jetzt nicht stoppen, ist es aus mit der
       Demokratie“, erläutert Nezar in einem Café am Algerienplatz, auf dem auch
       am Dienstagmorgen Tausende Parolen gegen die Rechtlosigkeit skandieren.
       
       ## Panzer an den Straßenkreuzungen
       
       „Ein Milizionär ist ein bewaffneter Bürger“, ruft sein Freund Khaled, ein
       Filmemacher. „Unter dem Diktat von Kalaschnikows wird es keinen Rechtsstaat
       geben, wir wollen Armee und Polizei sehen.“
       
       Auf Khaleds Smartphone gehen im Sekundentakt Bilder von Panzerwagen der
       Armee ein, die in die Stadt vorrücken, wo sie seit Montag Straßenkreuzungen
       übernehmen. Während die Menschenmenge in der Innenstadt sich darauf
       einschwört, den Proteststreik erst nach dem Abzug aller illegalen
       Bewaffneten zu beenden, verlassen lange Kolonnen von Kämpfern aus Misurata
       das westliche Stadtviertel Saraj. Der Lokalrat Misuratas hatte den Rückzug
       beschlossen, nachdem ihre Nosoor-Miliz auf Demonstranten geschossen hatte.
       Die zurückkehrenden Uniformierten werden in Misurata teilweise mit Jubel
       empfangen. Bei vielen ist die Lesart der tragischen Ereignisse eine andere
       als in der Hauptstadt. Einige Demonstranten wären bewaffnet gewesen, klagen
       die Nosoor-Kämpfer.
       
       „Misurata wurde als einzige Stadt in Libyen von Gaddafis Militär belagert“,
       sagt Journalist Taher Zaroog aus der Hafenstadt 200 Kilometer westlich von
       Tripolis. „Die Stadt ist traumatisiert und sieht sich immer noch als Opfer
       Gaddafis.“ Ein Passant bestätigt das in Misurata übliche Feindbild:
       „Tripolis hat nur drei Tage Krieg erlebt und wird von Anhängern des
       ehemaligen Regimes regiert.“ Ein Geschäftsmann schlägt nachdenkliche Töne
       an. „Alle Städte in Libyen haben Probleme mit außer Kontrolle geratenen
       Milizionären. Wir müssen unseren vom Krieg gezeichneten Jungs eine
       Perspektive als Zivilisten geben.“
       
       Mit dem Abzug der Misuratis haben die islamisch-konservativen Kräfte in
       Tripolis an Macht verloren. Nun fürchtet die liberale Parteikoalition von
       Mahmud Dschibril um ihren eigenen militärischen Schutz, die Milizen aus
       Zintan südwestlich der Hauptstadt. Am kommenden Freitag wollen die
       Demonstranten zu deren Kaserne marschieren.
       
       19 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Libyen
 (DIR) Tripolis
 (DIR) Milizen
 (DIR) Arabische Revolution
 (DIR) Algerien
 (DIR) Libyen
 (DIR) Libyen
 (DIR) Tuareg
 (DIR) Muslimbrüder
 (DIR) Tripolis
 (DIR) Libyen
 (DIR) Libyen
 (DIR) Frauen
 (DIR) Libyen
 (DIR) Libyen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Algerien und Postkolonialismus: Ein Hauch von Emanzipation
       
       Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal schreibt gegen den Islamismus
       und die Militärs an. So auch in seiner Streitschrift „Allahs Narren“.
       
 (DIR) Islamisten in Libyen: Bürgerprotest erreicht weitere Stadt
       
       Nach Tripolis und Bengasi verjagen nun auch die Einwohner von Derna im
       Osten des Landes die radikale Miliz Ansar al-Scharia.
       
 (DIR) Krise in Libyen: Auch Bengasi will Milizen loswerden
       
       Gefechte zwischen Armee und Islamisten fordern Tote und Verletzte. Über 100
       Angehörige der Sicherheitskräfte wurden schon umgebracht
       
 (DIR) Parlamentswahl in Mali: Ungeduld mit der Regierung
       
       Drei Monate nach der Präsidentschaftswahl wird in Mali ein Parlament
       gewählt. Die damalige Euphorie ist allerdings bereits verflogen.
       
 (DIR) Gewalt in Ägypten: Schüsse und Bomben
       
       Zwei Personen wurden bei Auseinandersetzungen in Kairo getötet. Auf der
       Halbinsel Sinai starben zwölf Soldaten bei einem Selbstmordattentat.
       
 (DIR) Kommentar Widerstand in Libyen: Hoffnungsschimmer in Tripolis
       
       Nach den Ausschreitungen am vergangenen Wochenende geht Libyens Jugend in
       Tripolis auf die Straße. Das gibt Auftrieb.
       
 (DIR) Gewalt in Libyen: Ausnahmezustand in Tripolis
       
       In der Hauptstadt Tripolis liefern sich Milizionäre heftige Kämpfe. Zuvor
       hatten Bewaffnete auf demonstrierende Bürger geschossen.
       
 (DIR) Rohstoffförderung in Libyen: Besetzer drehen den Ölhahn zu
       
       Aktivisten der Minderheit der Amazigh legen die Pipeline eines
       italienischen Konzerns lahm. Damit verstärken sich die Proteste gegen
       Ölfelder im Land.
       
 (DIR) Studie Frauen in arabischen Ländern: In Ägypten geht's Frauen mies
       
       Genderexperten beurteilen die Lage für Frauen in 22 Ländern der arabischen
       Welt. Auf den Komoren geht es ihnen ganz gut, in Ägypten gar nicht.
       
 (DIR) Krise in Libyen: Schwerste Kämpfe seit Gaddafis Sturz
       
       Ein Milizenchef aus Misurata wird in Tripolis im Streit erschossen. Seine
       Miliz rückt mit 1.500 Mann in der Hauptstadt ein.
       
 (DIR) Politische Krise in Libyen: Mehr Autonomie für das Ölgebiet
       
       Ein lokaler Milizenführer gründet eine eigene Regierung für den Osten des
       Landes. Die Zentralregierung in Tripolis schaut scheinbar machtlos zu.