# taz.de -- Islamisten in Libyen: Bürgerprotest erreicht weitere Stadt
       
       > Nach Tripolis und Bengasi verjagen nun auch die Einwohner von Derna im
       > Osten des Landes die radikale Miliz Ansar al-Scharia.
       
 (IMG) Bild: Einwohner von Derna demonstrieren gegen die Islamisten.
       
       TRIPOLIS taz | Fast drei Jahre nach Beginn der Revolution haben Einwohner
       einer weiteren libyschen Stadt islamistische Milizen vertrieben. Nach
       viertägigen Demonstrationen stürmten Bürger von Derna das Hauptquartier von
       Ansar al-Scharia. Unter Polizisten und Soldaten hatte es zuletzt fast
       täglich Opfer von Anschlägen gegeben, und sie hatten das 300 Kilometer
       östlich von Bengasi gelegene Derna Afghanistanveteranen und Dschihadisten
       überlassen müssen.
       
       Ein Mitglied des Lokalrats sagte schon im Frühjahr gegenüber der taz: „Dann
       kam Phase zwei. Mit den Entführungen und Morden an moderaten Aktivisten und
       Politikern wollten sie Derna zur Hauptstadt eines nordafrikanischen
       Kalifats machen.“
       
       Seit vergangenem Freitag protestierten die Bürger täglich. „Kommt zu uns
       auf den Platz, ihr Feiglinge!“, riefen die empörten und laut Augenzeugen
       unbewaffneten Bürger den bärtigen Kämpfern vor deren Kaserne zu. Als
       Schüsse fielen und sogar eine Autobombe explodierte, hatte die Menge genug.
       Vier Kasernen und das von Ansar al-Scharia betriebene Radio Medina wurden
       angezündet, eine unbekannte Zahl von Verletzten ins Krankenhaus
       eingeliefert.
       
       ## Die Armee greift erstmals Stellungen der Islamisten an
       
       Vergangene Woche hatte eine Massenbewegung in Bengasi Ansar Al-Scharia
       bereits aus der Stadt gejagt. Erstmals seit dem Ende der Revolution griff
       bei den folgenden bewaffneten Auseinandersetzungen auch die libysche Armee
       ein. Kampfhubschrauber und Kampfjets im Tiefflug ließen in der zweitgrößten
       Stadt Libyens die Scheiben klirren, bevor sie Stellungen der Ansar
       al-Scharia bombardierten.
       
       „Niemand befindet sich außerhalb des Gesetzes“, steht auf einem der
       Protestplakate vor dem Tibesti-Hotel im Zentrum Bengasis. Auf dem
       Tahrirplatz um die Ecke hatten die ersten Demonstrationen gegen Muammar
       Gaddafi die Revolution am 15. Februar 2011 ins Rollen gebracht.
       
       Über tausend Demonstranten hatten sich am Samstag trotz der Straßenkämpfe
       mit Ansar al-Scharia wieder auf die Straße gewagt. Unter den
       Protestierenden waren viele Revolutionäre der ersten Stunden. „Im Rückblick
       ist mir klar, dass wir damals reichlich naiv waren“, gesteht Mohamed, ein
       Aktivist des ehemaligen Mediencenters von Bengasii. „In der Euphorie der
       ersten Monate haben wir die radikalreligiösen Kräfte unterschätzt und
       gehofft, man könne sie später integrieren.“
       
       ## Ansar al-Scharia nennt ihre „legitimen Ziele“
       
       Dass sich mit ihnen kein demokratischer Staat aufbauen lässt, hat die
       Ansar-al-Sharia-Miliz nun selbst klargestellt. Dem staunenden Moderator des
       Fernsehsenders Al-Ahrar erklärte Ansar-Vertreter Mahmud al-Barassi, die
       Regierung und überhaupt alle Demokraten und Franzosen seien legitime Ziele
       für ihn.
       
       Während Barassi die Legitimität seiner Gruppe auf Nachfrage direkt von
       Allah ableitete, erklärte er Beschlüsse von Regierungschef Ali Seidan und
       den Nationalkongress für null und nichtig. Bei den ersten demokratischen
       Wahlen im Juli 2012 hatte sich die Mehrheit der Libyer für moderate
       Kandidaten ausgesprochen.
       
       ## Armeekommandeur befürchtet Terrorakte der Extremisten
       
       Der Kommandeur der Armeespezialeinheiten, Wanis Bukhamada, wirft einer
       Reihe konservativer Kongressabgeordneten vor, die Milizen zur Durchsetzung
       ihrer Forderungen weiter zu fördern. Zusammen mit dem ehemaligen
       stellvertretenden Kongresschef Juma Ateega warnte er nach den Drohungen des
       Ansar-al-Scharia-Sprechers seine Landsleute vor Terrorakten der
       extremistischen Gruppen.
       
       „Wir wissen nun, wer für all die Anschläge verantwortlich ist und Libyen
       praktisch gekidnappt hat“, sagte Bukhamada, „und diese Leute wollen uns nun
       auch noch erklären, wer ein richtiger Muslim ist?“
       
       4 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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