# taz.de -- Junge Flüchtlinge: „Behörden machen es sich zu leicht“
       
       > Brandenburg kann die Verantwortung für unbegleitete minderjährige
       > Asylbewerber nicht auf andere Länder abschieben, sagt Flüchtlingsexperte
       > Niels Espenhorst.
       
 (IMG) Bild: Blick aus einer Flüchtlingsunterkunft in Eisenhüttenstadt.
       
       taz: Herr Espenhorst, Sie arbeiten im Bundesfachverband für unbegleitete
       minderjährige Flüchtlinge. Drei der jungen Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt,
       über die die taz berichtet hatte (siehe Kasten), sollen laut ihrem
       Heimausweis genau an dem Tag volljährig geworden sein, an dem sie in
       Eisenhüttenstadt ankamen. Zufall? 
       
       Niels Espenhorst: Nein, das ist ein klares Zeichen dafür, dass bei diesen
       jungen Flüchtlingen das Alter erst in Eisenhüttenstadt festgelegt wurde.
       Normalerweise werden bei einer Festlegung der 1. Januar oder der 31.
       Dezember festgeschrieben – aber nicht zufällig der Tag, an dem die
       Jugendlichen möglicherweise in Eisenhüttenstadt ankommen könnten.
       
       Das brandenburgische Innenministerium widerspricht dieser Darstellung. Die
       Altersfestsetzung der Jugendlichen sei schon in Hamburg und Bayern
       geschehen, heißt es in einer Pressemitteilung. Trifft Brandenburg in diesen
       Fällen keine Schuld? 
       
       Bei den Jugendlichen der Gruppe, bei denen schon vorher ein Alter
       festgelegt wurde, sollte Brandenburg die Angabe eines anderen Bundeslands
       nicht einfach übernehmen. Die Jugendlichen geben bei ihrer Ankunft in
       Eisenhüttenstadt an, minderjährig zu sein – das ist, was zählt. Außerdem
       sind die Altersfestlegungen, die in Bayern und Hamburg passieren, sehr
       fragwürdig. Es stimmt aber, dass die Probleme der Jugendlichen nicht erst
       in Eisenhüttenstadt beginnen.
       
       Wie wird denn das Alter der Jugendlichen festgelegt? 
       
       Die Festsetzungen sind sehr verschieden und teilweise nicht fundiert.
       Manchmal wird die Handwurzel geröntgt und daraus ein Alter festgelegt –
       diese Methode ist schon seit Längerem als völlig unangemessen
       disqualifiziert. Auch viele andere medizinische Verfahren sind nach dem
       aktuellen Stand der medizinischen Forschung nicht aussagekräftig und auch
       ethisch problematisch.
       
       Die Jugendlichen in Eisenhüttenstadt haben angegeben, dass bei ihrer
       Ankunft in Bayern weder ein medizinischer Test gemacht wurde, noch jemand
       mit ihnen über ihr Alter gesprochen habe. 
       
       Ja, häufig findet noch nicht einmal ein Gespräch statt, dann wird das Alter
       der Jugendlichen durch „Inaugenscheinnahme“ festgelegt. Den Jugendlichen
       wird also einfach ein neues Geburtsdatum gegeben.
       
       Woran machen Sie fest, dass das oft willkürlich geschieht? 
       
       In Bayern etwa kamen bis Januar 2013 jeden Monat 70 bis 80 unbegleitete
       minderjährige Flüchtlinge an. Im März waren es dann plötzlich nur noch 9,
       obwohl die Zahl der Flüchtlinge steigt. Weil den dortigen Behörden das
       Problem der Minderjährigen über den Kopf gewachsen ist, haben sie fast alle
       Minderjährigen für volljährig erklärt und auf andere Bundesländer verteilt.
       
       Aus dem brandenburgischen Innenministerium heißt es, zum Teil würde auch
       die Bundespolizei das Alter festlegen. 
       
       Ja, und ich wüsste nicht, was diese dazu qualifiziert.
       
       Welche Art der Altersfeststellung wäre denn angemessen? 
       
       Das Jugendamt vor Ort muss das leisten. Wenn Zweifel über das Alter
       bestehen, muss das in einem Verfahren mit pädagogischen Gesprächen
       überprüft werden. Während dieser Zeit müssen die Jugendlichen in einer
       Jugendhilfeeinrichtung untergebracht sein.
       
       Was muss sich in Brandenburg ändern? 
       
       Wir haben gerade einen umfangreichen Bericht über die Situation in
       Brandenburg geschrieben, der nächste Woche veröffentlicht wird.
       Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern ist schwierig. Es ist
       deren Pflicht, in Eisenhüttenstadt genauer hinzuschauen. Außerdem ist die
       einzige Einrichtung für minderjährige Flüchtlinge in Brandenburg seit
       Monaten vollständig belegt, ohne dass es geeignete Alternativen gibt.
       
       Was geschieht mit den Jugendlichen, die als minderjährig anerkannt werden? 
       
       Brandenburg ist eines der letzten Länder, das Jugendlichen keinen regulären
       Hilfebedarf zugesteht und sie in Unterkünften für Erwachsene unterbringt.
       Das muss dringend geändert werden.
       
       Morgen wird der Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) im Landtag zu den
       Vorfällen in Eisenhüttenstadt befragt. Welche Reaktion fordern Sie? 
       
       Der Innenminister macht es sich zu leicht, wenn er jetzt die Schuld auf
       andere Bundesländer schiebt. Brandenburg braucht andere Regeln für den
       Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen – also rechtsstaatliche Standards
       für Altersfestsetzungen und eine altersgemäße Unterbringung. Andere
       Bundesländer zeigen, dass das möglich ist.
       
       22 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
       
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