# taz.de -- Die Wahrheit: Der Nichtnacktputzer
       
       > Frisch aufgedeckt hat die Wahrheit einen hundsgemeinen Skandal über
       > haltlose Gerüchte um einen Drohbriefschreiber.
       
 (IMG) Bild: Nacktputzer in voller Aktion.
       
       Die Älteren unter den Wahrheit-Lesern werden sich vielleicht noch daran
       erinnern – in einem Drohbrief, der nach Auskunft des Absenders nur
       versehentlich in die Post geraten war, hatte der Top-Manager Hermann Ude
       dem Sozialdemokraten Peer Steinbrück den Rücktritt von der
       Kanzlerkandidatur empfohlen: Andernfalls werde er, Hermann Ude, die
       Öffentlichkeit darüber informieren, dass Steinbrück eine Schwarzarbeiterin
       als Haushaltshilfe beschäftigt habe.
       
       Als einziges Opfer dieses Skandals steht heute Hermann Ude da, der
       Erpresser, dem niemand glaubt, und alle Welt fragt sich, welcher Teufel ihn
       bei seinem Narrenstreich geritten haben mag. Laut Wikipedia litt Ude keine
       Not: Er verdiente seinen Lebensunterhalt bei der Unternehmensberatung
       McKinsey und bei der Deutschen Post AG, bevor er als geschäftsführender
       Gesellschafter und „Talentmanager“ in die Dienste der Bonner Training
       Beteiligungsgesellschaft eintrat.
       
       Das sieht nach einem soliden Lebenslauf aus, auch wenn sich die normalen
       Arbeitnehmer keine Vorstellung davon machen können, wie der berufliche
       Alltag eines Talentmanagers ausschauen mag, der am Feierabend noch genügend
       Zeit für die Komposition von Drohbriefen erübrigt.
       
       Presseberichten zufolge soll Ude sich zu seiner Aktion aus Unmut über
       Steinbrücks politische Agenda veranlasst gesehen haben. Eindeutig ins Reich
       der Fabel muss man jedoch die Motive verweisen, die Ude jetzt von ganz
       anderer Seite unterstellt werden. Ein Blogger namens Fabiola24 hat im
       Internet den Verdacht geäußert, dass Ude seinerseits etwas zu verbergen
       habe, nämlich seine unrühmliche Vergangenheit als Mitglied einer männlichen
       Nacktputzkolonne, die in den achtziger Jahren in Berlin-Schöneberg aktiv
       gewesen sei.
       
       Als Zeugin führt Fabiola24 eine am Friedrich-Wilhelm-Platz wohnhafte
       Rentnerin an, Johanna Bierle, die behauptet, dass ihr ein Hermann Ude
       täuschend ähnlich sehender junger Mann kurz vor Pfingsten 1983 nackt im
       Haushalt geholfen habe. „Dieser Mann hat auch die Marmeladengläser in der
       Abstellkammer entstaubt und eine Deckenbirne im Flur ausgewechselt“, heißt
       es in einer eidesstattlichen Erklärung der Rentnerin.
       
       ## Jemand, der saubermacht
       
       „Irgendwo muss ich sogar noch Fotos davon haben. Bei mir läuft ja nicht
       alle Tage ein nackter Mann durch die Wohnung! Insgesamt ist das nur dreimal
       vorgekommen. Das erste Mal war 1944 bei einem Bombenangriff. Da brannte
       nachts die Außentoilette, und ein Untermieter rannte nahezu hüllenlos über
       den Flur. Das zweite Mal war 1959. Da hatte es bei meinem damaligen
       Nachbarn, dem Herrn Kröger, einen Wasserrohrbruch gegeben. Alles
       überschwemmt. Und der Herr Kröger, ein grundanständiger Mann, wie ich wohl
       sagen kann, ein Tierarzt – unverheiratet, aber solide – wenn er Damenbesuch
       gehabt haben sollte, ist mir das entgangen – obwohl mir hier nicht viel
       entgeht –, der hat also höflich angefragt, ob er bei mir duschen kann, und
       das hab ich ihm auch erlaubt. Na, und dann eben der Putzmann!
       
       Ich hatte nur diese Telefonnummer, von einer Bekannten, und ich wusste gar
       nicht, dass das was mit Freikörperkultur zu tun hat. Ich wollte doch nur
       mal jemanden haben, der saubermacht und eventuell ein paar Dinge repariert,
       weil ich nach einem Bandscheibenvorfall gehandicapt war. Und da kommt also
       dieser Kerl und klingelt hier und sagt: ,Ich bin die Nacktputzkolonne! Darf
       ich eintreten?‘ Ich dacht, ich werd’ nicht mehr! Bevor ich wusste, was
       geschah, stand er schon splitternackt in der Küche und ließ heißes Wasser
       in den Eimer laufen.
       
       Ein Anblick – nee! Vor allem, als er dann auf allen Vieren den Flur
       aufgewischt hat. Ich wusste gar nicht mehr, wo ich hinkucken sollte! Und
       hinterher, da hat er mir gesagt, dass Nacktputzen sowieso illegal sei. Und
       dass das deshalb keine Schwarzarbeit sei, sondern ein Liebesdienst. Für
       dreizehn Mark die Stunde. Unter der Hand …“
       
       Recherchen beim Einwohnermeldeamt haben indessen ergeben, dass am
       Friedrich-Wilhelm-Platz niemals eine Rentnerin mit dem Namen Johanna Bierle
       gewohnt hat. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich um einen üblen Fall
       von Verleumdung handelt. Bis zum Beweis des Gegenteils sei hier
       festgehalten, dass Hermann Ude sich niemals als Nacktputzer betätigt hat.
       Weder schwarz noch unschwarz.
       
       Es ist ja überhaupt eine Dummheit und eine Unverschämtheit, solche
       haltlosen Gerüchte durch Zeitungsberichte weiterzuverbreiten. Hier sollte
       der Deutsche Presserat rücksichtslos einschreiten, um alle Trittbrettfahrer
       abzuschrecken und die Ehre des Nichtnacktputzers Hermann Ude
       wiederherzustellen. Wie wäre es mit einem Nichtnacktputzerdenkmal auf dem
       Friedrich-Wilhelm-Platz, das seine Züge trägt?
       
       26 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Henschel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Putzen
 (DIR) Bistum Limburg
 (DIR) Harz
 (DIR) Esoterik
 (DIR) Edward Snowden
 (DIR) Wahrheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Protzbischof Storch
       
       Pünktlich zu Ostern: Das Bistum Limburg macht zu den derzeitigen
       christlichen Feiertagen endlich wieder von sich reden.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Raufe im Kern
       
       Nach Berlin, Tokio und Bad Salzuflen macht eine neue Partymetropole von
       sich reden. Wehrhahn-Üblarz im Ostharz punktet mit Top-Locations.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Die Seele Adolf Hitlers
       
       Moderne Esoterik: Wie der Heiler Colin Tipping die Weltgeschichte
       umschreibt.
       
 (DIR) Die Wahrheit: „Ich verkaufe Heringe!“
       
       Ein Exklusiv-Interview mit Edward Snowden über Atomspione, Groupies, den
       Mord an John F. Kennedy und die Verschwörung der Tempelritter.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Urlaub mit Tücken
       
       Nervenbelastung soll als neue Disziplin bei den Olympischen Spielen 2016
       eingeführt werden. Der IOC-Präsident zeigt sich begeistert.