# taz.de -- Die Wahrheit: Raufe im Kern
       
       > Nach Berlin, Tokio und Bad Salzuflen macht eine neue Partymetropole von
       > sich reden. Wehrhahn-Üblarz im Ostharz punktet mit Top-Locations.
       
 (IMG) Bild: Die Harzer Schmalspurbahn fährt den Hotspot einmal im Monat an.
       
       Wenn das Dörfchen Wehrhahn-Üblarz im Ostharz überregional für irgendwas
       bekannt sein sollte, dann vermutlich für seine überdurchschnittlich hohe
       Arbeitslosenquote (79 %) und seine extreme Hanglage: Die einzige
       Zufahrtstraße ist so steil, dass sie nur von Bergsteigern, Unimogs und
       Schneeziegen bewältigt werden kann.
       
       Mehrmals wöchentlich werfen Rotkreuzhelfer aus einem Hubschrauber
       Lebensmittelpakete ab, die den Wehrhahn-Üblarzern das Überleben
       ermöglichen, und von Zeit zu Zeit werden erkrankte oder emigrationswillige
       Einwohner ausgeflogen. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts leben
       gegenwärtig nur noch 513 Personen in Wehrhahn-Üblarz.
       
       Umso größer ist nun die allgemeine Verblüffung darüber, dass die deutsche
       Playboy-Redaktion einen Ratgeber für Männer herausgegeben hat, die sich
       speziell für das Nachtleben in Wehrhahn-Üblarz interessieren. „Einen hohen
       Flirtfaktor gewährleistet der Trendschuppen Hopfenklause an der Kreuzung
       Hauptstraße/Bergstraße“, heißt es dort.
       
       „Einsame Männerherzen finden in der Klause an jedem zweiten Donnerstag
       leicht Anschluss in der sogenannten Ladys Night, in der die Damen ein
       Freigetränk 'aufs Haus' erhalten, wenn sie in Herrenbegleitung erscheinen.
       Für Nachtschwärmer hat gleich nebenan der Imbiss Gittis Schlemmerkrippe
       allabendlich bis 21.30 Uhr geöffnet. Dresscode: leger.“ Im aktuellen „Guide
       Michelin“ wird dieses Schnellrestaurant nur indirekt erwähnt: „In akuten
       Notlagen bietet sich dem Wanderer im Ortskern eine Art Fressraufe an.“
       
       ## Traditionsreiche Szene-Bierschwemme
       
       Etwas glimpflicher kommt Wehrhahn-Üblarz als Society-Treffpunkt in einem
       Ranking des Journals Ostharz Today weg. Auf dem ersten Platz rangiert
       unangefochten der Brocken, dicht gefolgt von den Rübeländer
       Tropfsteinhöhlen, der Harzer Schmalspurbahn und dem Luftfahrtmuseum
       Wernigerode, doch inzwischen braucht Wehrhahn-Üblarz den direkten Vergleich
       mit den umliegenden Top-Locations nicht mehr zu scheuen: Es hat sich
       herumgesprochen, dass die Hopfenklause ein echtes In-Lokal für Connaisseure
       ist. Mag die Tanzfläche auch klein sein – umso größer ist die Auswahl an
       Getränken.
       
       Besonders beliebt sind die Birnenschnäpse aus der hauseigenen Brennerei.
       Wer danach noch „speisen“ möchte, dem sei ein Abstecher in Gittis
       Schlemmerkrippe ans Herz gelegt. Dort werden – außer an den Ruhetagen
       Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Sonntag – täglich bis 22.30 Uhr
       Hotdogs, Currywürste und würzige Fischfrikadellen serviert (wahlweise mit
       Ketchup und/oder Senf bzw. Meerrettichpaste garniert). Aufgrund eines
       familiären Todesfalls bleibt Gittis Schlemmerkrippe allerdings auf
       unbestimmte Zeit geschlossen.
       
       Für erlebnishungrige Männer hält Wehrhahn-Üblarz freilich genug
       Alternativen bereit. Da wäre zunächst die zentrale und auch unter älteren
       Leuten beliebte Hopfenklause zu nennen, eine traditionsreiche
       Szene-Bierschwemme, in der einmal sogar Udo Jürgens gesichtet worden sein
       soll. Des Weiteren existiert ganz in der Nähe ein Fast-Food-Restaurant
       namens Gittis Schlemmerkrippe.
       
       Dort versammelt sich vor allem die eher unangepasste Boheme, also das
       „Künstlervolk“ mit einem Hang zum Nonkonformismus – Realschüler,
       Nichtraucher, Veganer und Jungliberale. Zurzeit ist Gittis Schlemmerkrippe
       leider im Umbau, denn es soll ein Treppenlift installiert werden, der die
       Behindertentoilette im Kellergeschoss mit dem Billardraum verbindet.
       
       ## Erdbeershake-Malteser-Cola-Cocktail für zwei Euro
       
       Der Abendgestaltung in Wehrhahn-Üblarz tut das jedoch keinen Abbruch. Für
       alle, die das „Ausgefallene“ lieben, öffnet allabendlich die Hopfenklause
       ihre Pforten. Dort kommen übrigens auch die Freunde des Dartens auf ihre
       „Kosten“. Der 2007 gegründete Wehrhahn-Üblarzer Dart-Club „The Flying
       Eagles“, der zweimal monatlich in der Hopfenklause tagt, befindet sich in
       einem stetigen Aufwärtstrend: Hatte der Club anfangs nur acht Mitglieder,
       so sind es inzwischen mehr als fünfzehn.
       
       Aus Gründen der Gleichberechtigung haben die Playboy-Tester übrigens auch
       den „Fun-Faktor“ ermittelt, den das Nachtleben in Wehrhahn-Üblarz für
       Homosexuelle bereithält. Auf einer Skala von 1 bis 10 beträgt er 0,2.
       Darauf angesprochen, räumt die Bürgermeisterin Henriette Strachnitz (CDU)
       ein gewisses „Weltläufigkeitsdefizit“ der Einwohnerschaft ein: „Hier
       besteht zweifellos Nachholbedarf. Angedacht ist im Moment die Aktion
       ,Kiss-in 2.0', zu der wir auch schwulische, bisexuelle, transsexuelle,
       intersexuelle und queere Mitbürger erwarten. Wir planen eine Kuss- und
       Lichterkette, die von der Hopfenklause bis zu Gittis Schlemmerkrippe
       reichen soll. Das wird sicherlich auch den Fremdenverkehr ankurbeln …“
       
       Eingeläutet wird nun aber erst einmal die jährliche, vom Autohaus Detert
       gesponserte „Happy-Hour-Woche“, in der die Drinks in der Hopfenklause
       allesamt zum halben Preis erhältlich sind. So kostet der hierorts
       volkstümlich „Spritzi“ genannte Erdbeershake-Malteser-Cola-Cocktail dann
       beispielsweise nur zwei Euro. Kleiner Wermutstropfen: Wegen eines
       Wasserrohrbruchs ist mit einer Neueröffnung der bereits 1978 aus
       hygienischen Gründen stillgelegten Hopfenklause frühestens im Spätherbst
       2016 zu rechnen.
       
       Dennoch und kurzum: Wehrhahn-Üblarz ist ganz groß im „Kommen“!
       
       28 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Henschel
       
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