# taz.de -- Kolumne Konservativ: Traditionsbewahrer namens Punks
       
       > „Mode ist so unerträglich hässlich, dass wir sie alle Halbjahre ändern
       > müssen“, fand Oscar Wilde. Aber kann sie auch konservativ sein?
       
 (IMG) Bild: In Myanmar wissen junge Leute, was sich ziemt. Beim Punkfestival in Yangon kleiden sie sich nach traditionellem westlichem Vorbild.
       
       Neulich wurde ich alt. Das ging schneller, als ich erwartet hatte. Es
       genügten ein Gang, ein Blick und ein Satz.
       
       Gut gelaunt, ging ich in ein Bekleidungsgeschäft in Berlin-Mitte so für
       mich hin, und einen neuen Wintermantel zu suchen, das war mein Sinn. Eine
       junge Verkäuferin blickte mich aus professionell gelangweilten Augen an und
       sagte: „Für Sie haben wir eher nichts. Wir haben mehr so junge Mode.“
       
       Noch betäubt vom Umstand, im Klamottengeschäft gesiezt zu werden, testete
       ich nicht aus, wo mein zuständiges Gericht die Grenze zwischen Totschlag
       und Notwehr zieht, sondern stammelte: „Aber … wieso?“ Charme- und schamlos
       antwortete die Verkäuferin: „Sie tragen ja mehr so was Konservatives.“
       
       Als wüsste ich nicht, was ich am Morgen angezogen hatte, schaute ich
       irritiert an mir herab: Ich trug einen schwarzen, zeitlos schönen Mantel,
       dazu einen himmelblauen Schal, dunkelblaue Jeans und braune
       Lederhalbstiefel. Alles nicht aus dieser Saison. Oder aus der davor. Oder
       aus der davor. Aber was war daran „konservativ“? Und soll das etwa heißen,
       die jeweils aktuelle Mode sei „fortschrittlich“?
       
       ## Stauffenberg als T-Shirt
       
       Googelt man „Mode“ und „konservativ“, lässt sich der Eindruck gewinnen,
       Claus Schenk Graf von Stauffenberg habe sein Hitler-Attentat im T-Shirt
       verübt. Eine Internetseite für „Konservative Mode“ bewirbt T-Shirts mit dem
       Konterfei des Wehrmachtsoffiziers. Oder Hemden mit dem berühmten
       Guevara-Porträtfoto und dem Schriftzug „VerbreCHEr“. Wenn das konservativ
       ist, bin ich es nicht. Ich bin doch nicht so geschmacklos und trage
       T-Shirts.
       
       Die Verkäuferin zeigte – untypisch für Berlin-Mitte – Empathie: „Ich hätt
       da vielleicht doch was für Sie. Ist aber halt ’n Stück weit konservativ.“
       Auf dem Weg in die hinterste Ecke des Geschäfts kam mir Oscar Wildes Bonmot
       in den Sinn: „Mode ist so unerträglich hässlich, dass wir sie alle
       Halbjahre ändern müssen.“ Würde ich das „’n Stück weit Konservative“
       hässlich finden? Oder, noch schlimmer, etwa schön?
       
       Auch in der Mode herrscht Begriffsverwirrung darüber, was „konservativ“
       ist. Als konservativ gilt gemeinhin eine Skepsis gegenüber Veränderungen.
       Es schätzt das Bestehende mehr als das Neue. So gesehen sind Punks mit
       knallengen Fetzenjeans und Glatze besonders konservativ. Sie imitieren bis
       ins Detail die Kleidung anderer, die es vor zwei Generationen erfanden.
       Punks sind Traditionsbewahrer.
       
       ## Selber denken! Oder so
       
       Mode wiederum ist Konformismus in Vollendung: Irgendjemand, den man nicht
       kennt und den man womöglich nie gesehen hat, sagt einem, was man zu tragen
       hat. Man fügt sich diesem Willen bereitwillig, zahlt sogar Geld dafür, um
       das eigene Äußere nach dem Wunsch des Unbekannten zu formen. Und all das
       rechtfertigt man mit der beschämend denkfaulen Begründung „Das trägt man
       jetzt so.“
       
       Als mir das klar wurde, blieb ich stehen. Die Verkäuferin verschwand
       irgendwo zwischen gelbblaugrünen Polyesterwollmischungen. Ich lasse mir
       nicht mehr sagen, was ich zu tragen habe. Wer nicht auf seine eigene Art
       denkt, denkt überhaupt nicht. Habe ich irgendwo gelesen.
       
       11 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Konservative
 (DIR) Konservatismus
 (DIR) Punks
 (DIR) Tradition
 (DIR) Mode
 (DIR) Modebranche
 (DIR) Kleidung
 (DIR) Junge Alternative (AfD)
 (DIR) The Beatles
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Vietnam
 (DIR) Dating
 (DIR) Konservative
 (DIR) Konservative
 (DIR) Herr der Ringe
 (DIR) Konservative
 (DIR) Konservative
 (DIR) Konservative
 (DIR) Konservative
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Vernünftige Hintern
       
       Die AfD-Jugend fürchtet Political Correctness und Gleichmacherei. Dabei
       beweist sie selbst, dass ihre Angst unbegründet ist.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Hans-Olaf Henkel erfand Beatles
       
       Ohne den heutigen AfD-Europakandidaten wäre der Erfolg der Beatles
       ausgeblieben. Da ist zumindest Henkel sich absolut sicher.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Seelenverwandt mit Putin
       
       Russland war einst Sehnsuchtsort deutscher Konservativer – als gefühlige
       Alternative zur Industrialisierung. In der Krim-Krise zeigt sich: So ist es
       wieder.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Nationalismus, Sozialismus, Karaoke
       
       In Vietnam muss lebendiger Konservatismus zu Hause sein. Denn was ist
       konservativer als das Befolgen einer einer Jahrhunderte alten Ideologie?
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Sex um des lieben Friedens willen
       
       Konservative daten immerzu Konservative, Progressive Progressive. Dabei
       müssen wir, um die Welt zu retten, mit Leuten schlafen, die wir nicht
       mögen.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Konservativ, gläubig, dumm?
       
       Je intelligenter und glaubensferner ein Mensch, desto progressiver sei er,
       behauptet ein US-Forscher. Ich habe da ein paar Fragen.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Stalin, Mao und ein Ideal
       
       „Was ist konservativ?“, fragt die Publizistin Bettina Röhl. Und liefert
       eine Antwort, die zumindest sie logisch findet: Idealbilder, die nicht
       utopisch sind.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Reaktionäre Hobbits
       
       Ist J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ konservativ? Oder ist das Werk gar
       reaktionär? Als gäbe es im Werk nicht genug Wörter, die man
       durcheinanderbringt.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Der Linksradikale Helmut Kohl
       
       Der Kolumnist Jan Fleischhauer zeigt auf „Spiegel Online“, was Konservative
       heute umtreibt: Angst vor Überwältigung und Autonomieverlust.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Spiel’s noch einmal, Sozi
       
       Bei den Koalitionsverhandlungen zeigt sich: Es gibt noch eine konservative
       Partei. Die SPD. Sie fügt sich deprimiert ins selbst gemachte Schicksal.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Blut, Schweiß und Clownstränen
       
       Rituale und Zeremonien sind was für Schwache. Dachte ich. Dann kam der
       Marathon. Und ich musste einsehen: Auch ich bin konservativ.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Kick it like Adenauer
       
       Konservative von heute beklagen immer wieder den Lauf der Dinge. Es umgibt
       sie eine Aura des Jammerns. Wie unsexy. Das war mal anders.
       
 (DIR) Kolumne Konservativ: Die Toten Hosenanzüge
       
       „Herzlich willkommen am Tiefpunkt der Bandgeschichte“? Die Toten Hosen
       wollen nicht, dass die CDU ihre Lieder singt? Das ist doch nur konsequent.