# taz.de -- Justiz ermittelt wegen NS-Verbrechen: Die letzten lebenden Täter
       
       > Die Justiz nimmt mehr als 30 greise mutmaßliche Aufseher des
       > Vernichtungslagers Auschwitz wieder ins Visier. Ihnen wird Beihilfe zum
       > Mord vorgeworfen.
       
 (IMG) Bild: Greise Täter: John Demjanjuk während einer Prozesspause.
       
       BERLIN taz | 50 Jahre nach Beginn des Frankfurter Auschwitz-Prozesses und
       fast 70 Jahre nach dem Holocaust ist der Tatkomplex juristisch noch immer
       nicht vollständig aufgearbeitet. Seit November ermitteln 20 deutsche
       Staatsanwaltschaften gegen 30 mutmaßliche Täter. Hinzu kommen zwei ältere
       Verfahren. In allen Fällen lautet der Vorwurf Beihilfe zum Mord.
       
       Verfahren gegen das frühere Auschwitz-Wachpersonal – darunter mindestens
       eine Frau – sind von Kiel bis Rosenheim anhängig, so Oberstaatsanwalt Kurt
       Schrimm von der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in
       Ludwigsburg zur taz.
       
       Die reichlich späte juristische Aufarbeitung ist Folge des Urteils gegen
       John Demjanjuk, der 2011 als ehemaliger Wachmann im Vernichtungslager
       Sobibor schuldig gesprochen worden war. Dabei ging das Münchner Landgericht
       davon aus, dass allein die Anwesenheit des Angeklagten in dem Lager zu
       seiner Verurteilung ausreichte, da Sobibor einzig zur Vernichtung von Juden
       errichtet worden war. Ein individueller Schuldnachweis, etwa die
       Beteiligung an einem Mord, sei daher nicht notwendig. Daraufhin gingen die
       Ludwigsburger Staatsanwälte Listen früherer Verdächtiger durch.
       
       Vier Beschuldigte leben in den neuen Bundesländern: In zwei Fällen
       ermittelt die Staatsanwaltschaft Halle an der Saale, darunter gegen einen
       ehemaligen Professor der Universität Halle-Wittenberg. Je ein Fall betrifft
       Chemnitz und Neubrandenburg. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft untersucht
       die Verantwortung sechs ehemaliger Auschwitz-Wachmänner.
       
       ## Todesmärsche nach Westen
       
       In Dortmund sind fünf Fälle anhängig. Ermittlungen ergaben, dass eine
       weibliche Beschuldigte verstorben und eine weitere Person nach
       Niedersachsen verzogen ist. Die drei Männer, gegen die weiter vorgegangen
       wird, leben am Niederrhein und in Ostwestfalen. Sie sind über 90 Jahre alt.
       
       Das Landeskriminalamt versucht festzustellen, ob sie tatsächlich in
       Auschwitz eingesetzt wurden – und ob sie noch vernehmungsfähig sind. Der
       Tatzeitraum umfasst die Jahre von 1942 bis 1945 sowie die Begleitung der
       überlebenden Häftlinge durch SS-Personal auf den Todesmärschen nach Westen.
       
       Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen drei Männer der Jahrgänge
       1921 bis 1925, sagte eine Sprecherin zur taz. In Kiel wird gegen eine 90
       Jahre alte Frau vorgegangen, die in Schleswig-Holstein lebt. Sie soll 1944
       in Auschwitz gearbeitet haben, allerdings nicht im Wachpersonal.
       
       Insgesamt ermitteln Staatsanwaltschaften in zehn Bundesländern, darunter in
       München, Landshut, Passau, Nürnberg/Fürth, Aschaffenburg, Coburg,
       Braunschweig, Limburg, Frankfurt, Mainz und Hamburg.
       
       ## Kein zentrales Verfahren
       
       Sieben weitere mutmaßliche Auschwitz-Täter leben im Ausland. Die Zentrale
       Stelle hat in diesen Fällen das Bundeskriminalamt eingeschaltet, sagte
       Schrimm. Man habe sich anders als 1963 beim Auschwitz-Prozess gegen ein
       zentrales Verfahren in Deutschland entschieden, da sonst mit Verzögerungen
       bei den Ermittlungen gegen die greisen Täter gerechnet werden müsse.
       
       Unabhängig von den 30 Ermittlungen sind zwei weitere Verfahren anhängig.
       Bei einem Beschuldigten handelt es sich um einen 88-Jährigen ehemaligen
       SS-Mann, der in den USA lebt. Er soll 1944 in Auschwitz an der Ermordung
       von mindestens 344.000 ungarischen Juden beteiligt gewesen sein soll. Die
       Staatsanwaltschaft von Weiden hat ein Rechtshilfeersuchen in den USA
       gestellt.
       
       In Stuttgart hat die Staatsanwaltschaft kürzlich den 94-jährigen Hans
       Lipschis angeklagt. Er soll als Wächter in Auschwitz gearbeitet haben. Das
       Landgericht Ellwangen hob am 6. November den Haftbefehl gegen Lipschis auf,
       da Zweifel an dessen Verhandlungsfähigkeit bestünden. Der Mann leide nach
       Angaben eines Gutachters an beginnender Demenz. Ob es zu einem Prozess
       kommt, ist offen.
       
       19 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
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