# taz.de -- Neuer Chefredakteur gesucht: Weser-Kurier setzt Silke Hellwig ab
       
       > Der Bremer "Weser Kurier" sucht einen neuen Chefredakteur. Bis dahin soll
       > wird Peter Bauer verantwortlich sein - Silke Hellwig darf weiterhin den
       > Titel tragen, ist aber de facto abgesetzt.
       
 (IMG) Bild: Der Weser-Kurier bekommt einen zweiten Chefredakteur: Damit soll sich die "journalistische Qualität weiter erhöhen".
       
       BREMEN taz | Die Bremer Weser-Kurier-Mediengruppe sucht einen neuen
       Chefredakteur. Das teilte der Verlag am Nachmittag des 23. Dezembers mit.
       Offenbar war die Nachricht als Geschenk gedacht: Seit Monaten warten viele
       in der Redaktion auf die Ablösung der derzeitigen Chefredakteurin Silke
       Hellwig, die seit 2011 den Weser-Kurier allein leitet.
       
       Im Sommer hatte der Vorstandsvorsitzende der Mediengruppe, Ulrich Hackmack,
       nach 14 Jahren seinen Hut nehmen müssen – in einer langwierigen
       gerichtlichen Auseinanderssetzung hatte eine der Gesellschafterfamilien die
       Ablösung von Hackmack durchgesetzt. Hellwig galt im Verlag als „Hackmacks
       Chefredakteurin“.
       
       Ulrich Hackmack, ein Mathematiker und Informatiker, der sich bestens mit
       Exel-Tabellen auskennt, weniger mit Menschenführung, hatte Hellwig trotz
       aller bekannten Bedenken gegenüber ihren Führungsqualitäten geholt. Der
       Bremer Journalistenverband DJV stellte nach nur sieben Monaten Amtszeit von
       Hellwig im Frühjahr 2012 fest, dass das „Klima bei Weser-Kurier und Bremer
       Nachrichten auf dem Tiefpunkt“ sei. Ihr Führungsstil sei „unwürdig und
       inakzeptabel“. Aber Hellwig hatte damals die volle Rückendeckung von
       Hackmack.
       
       Nach dessen Ausscheiden im Sommer 2014 engagierte der Vorstand den
       renommierten Journalisten Karl Günther Barth für eine Expertise über den
       Zustand der Redaktion des Weser-Kuriers, die nicht positiv ausgefallen sein
       dürfte. Jedenfalls wird seit Monaten über die Ablösung der Chefredakteurin
       intern verhandelt. Eine Moderation, um die Konflikte mit der Redaktion zu
       bearbeiteten, hatte sie abgelehnt. In den letzten Wochen schrieb die
       frühere Redakteurin auffallend viele Texte – und war seltener in ihrer
       Rolle als Leiterin der Redaktionsarbeit präsent. In Zukunft soll sie sich,
       so teilte der Verlag seinen LeserInnen am 24.12.2013 mit, „vor allem
       publizistischen Aufgaben widmen“, was auch immer das ist.
       
       Neuer verantwortlicher Chefredakteur wird ab 1.1.2014 ein alter – der
       61-jährige Peter Bauer. Er war bis zum Jahre 2006 stellvertretender
       Chefredakteur gewesen – und wurde dann in den Bremer Vorort Delmenhorst
       geschickt, um dort als Geschäftsführer der Tochterfirma „Pressedienst Nord
       GmbH“ die Außenredaktionen der Mediengruppe zu leiten. In der Provinz war
       Bauer so etwas wie der König der journalistischen Leiharbeiter der
       Mediengruppe geworden. Er gilt als solider Arbeiter, der den Laden kennt.
       Bauer wurde allerdings nur als „kommissarischer“ Chefredakteur vorgestellt.
       
       Die Führungsgremien der Weser-Kurier-Mediengruppe hatten sich nach einer
       neuen Chefredaktion umgesehen, waren aber am Ende nicht zu einer
       präsentierbaren Lösung gekommen. Offensichtlich war die Regie der Chefin
       Silke Hellwig gleichzeitig so untragbar – eine Moderationsverfahren hatte
       sie abgelehnt - dass man nicht weiter warten wollte.
       
       Mit Moderationen hat Silke Hellwig ihre speziellen Erfahrungen. Schon in
       ihrer früheren Funktion als Chefin des Regional-Magazins buten&binnen war
       es zu großem Unmut über ihren Führungsstil von gekommen. Nach einer
       gescheiterten Moderation wurde sie 2010 abgesetzt und von dem Sender mit
       dem Projekt „Radio Bremen in der Schule“ betraut worden.
       
       Dass sie trotz dieser in der Stadt bekannten Vorgeschichte dann beim
       Weser-Kurier wieder eine Leitungsfunktion bekam, konnte nur an ihren guten
       Beziehungen zu dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Hackmack liegen. In den
       zwei Jahren ihrer Tätigkeit als Chefredakteurin sank die verkaufte Auflage
       einschließlich E-Paper von 162.789 auf 157.229 Exemplare.
       
       ## Weser-Kurier verschweigtseinen Lesern den Sturz der Chefredakteurin
       
       Eine Zeitung hat die Aufgabe, ihre LeserInnen zu informieren. In seiner
       Ausgabe vom 24.12. informierte der Weser-Kurier auf Seite 9, dass die
       Zeitung in Zukunft von einer „Doppelspitze“ geleitet wird, neben
       Chefredakteurin Silke Hellwg trete der 61-Jährige Peter Bauer, allerdings
       „kommissarisch“. Bauer sei „für die „Organisation der Gesamtredaktion“
       zuständig und verantwortlich, während Silke Hellwig sich „vor allem
       publizistischen Aufgaben widmen wird“.
       
       Verständlich wird das erst, wenn man dazu nimmt, was der Weser-Kurier den
       LeserInnen nicht mitteilt: Die neue Regelung gilt nur, „bis ein neuer
       Chefredakteur gefunden ist“. So steht es in der tags zuvor verbreiten
       Pressemitteilung, die in der eigenen Zeitung nicht vollständig
       wiedergegeben wurde.
       
       Tatsächlich wird es keine „Doppelspitze“ geben, Silke Hellwig, die seit
       ihrem Amtsantritt 2011 umstrittene Chefredakteurin, ist entmachtet. Sie
       darf mit dem Titel der Chefin in Zukunft Texte schreiben – bis zum Ende
       ihrer Vertragslaufzeit. Dass sie abgesetzt wird, war offenbar dringend –
       als Interims-Chef musste Peter Bauer geholt werden, weil so schnell nicht
       ein neuer Chefredakteur präsentiert werden konnte. Anstatt ihrer Leser über
       diesen Sachverhalt zu informieren, schwadroniert die Meldung über den Sturz
       der Chefredakteurin über eine „Doppelspitze“, „gemeinsam wollen sie die
       crossmediale Ausrichtung des Verlags – die Verknüpfung der gedruckten
       Zeitung mit den Internet-Angeboten der Mediengruppe – vorantreiben und die
       journalistische Qualität weiter erhöhen“. So ähnlich hatte der Verlag auch
       schon beim Amtsantritt von Hellwig 2011 orakelt.
       
       Keine halbwegs bedeutsame Firma in Bremen, bei der führende Köpfe rollen,
       kann darauf setzen, dass solche Vorgänge derart verschleiernd und aus
       Rücksicht auf das Firmeninteresse verfälschend dargestellt werden – der
       Weser-Kurier betreibt mit seiner monopolartigen lokalen Rolle schlicht
       Machtmissbrauch in eigener Sache.
       
       Dass der Weser-Kurier, wenn es um die eigenen Angelegenheiten geht, auf
       alle Standards journalistischer Ethik verzichtet, hat dabei Tradition. Erst
       eine Woche vor dem Sturz der Chefredakteurin hatte die Mediengruppe vor dem
       Landesarbeitsgericht auch in zweiter Instanz ein Verfahren verloren, bei
       dem es um die Übertragung des Anzeigengeschäftes von einer eigenen
       Tochterfirma auf eine formal unabhängige Fremdfirma ging – bei der
       Operation konnte die Mediengruppe Weser-Kurier nicht nur Tarifverträge,
       sondern auch aufmüpfige Betriebsräte abschütteln. Wenn andere Firmen so mit
       Arbeitnehmerrechten umspringen, müssen sie mit kritischen Berichten im
       Weser-Kurier rechnen und wenn die Betroffenen protestieren, kommt der
       Fotograf des Weser-Kuriers.
       
       Nur die Weser-Kurier-Mediengruppe kann sich das leisten, ohne eine große
       kritische Öffentlichkeit fürchten zu müssen. Das Landesarbeitsgericht kam
       zu dem Urteil, dass die Verlagerung des Anzeigengeschäftes arbeitsrechtlich
       als „Betriebsübergang“ zu werten sei, das heißt, dass alle Mitarbeiter
       einen Beschäftigungsanspruch zu gleichen Konditionen in der neuen Firma
       haben, inklusive Betriebsräte. Das war eine schallende Ohrfeige
       insbesondere auch für den Aufsichtsratsvorsitzenden der
       Weser-Kurier-Mediengruppe, Johannes Weberling, der vor Gericht als Anwalt
       gegen die Rechte der Beschäftigten auftrat und unterlag.
       
       Kein Wort musste er darüber in der eigenen Zeitung fürchten.
       
       23 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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