# taz.de -- Die langweiligsten Tage des Jahres: Weihnachten abschaffen!
       
       > Für eine Muslimin in Deutschland sind die Feiertage nur gut, um alte
       > Freunde zu treffen. Wenn das auch noch ausfällt, gibt es nichts als
       > Frust.
       
 (IMG) Bild: Weniger Nadeln: Auf Weihnachtsbäume kann man auch verzichten.
       
       Es gab exakt einen Grund, weshalb ich die Feiertage herbeisehnte, und der
       fällt dieses Jahr weg: die alljährliche Reunion mit meiner ältesten Clique.
       Na toll. Ganz ehrlich, was ist Weihnachten ohne Familie und Freunde?
       Meinetwegen kann man Weihnachten dann gleich ganz abschaffen.
       
       Schon seit Wochen suchten wir nach einem gemeinsamen Termin, der uns allen
       passt. Wir diskutierten, schoben Verabredungen hin und her, vergeblich. Es
       klappte einfach nicht, und das ist vermutlich normal. Die Schulzeit ist
       sechs Jahre her, wir alle sind mittlerweile berufstätig oder studieren,
       sind um die halbe Welt gezogen und leben noch immer verstreut.
       
       Über die Feiertage versuchen wir alle zwar in Hamburg zu sein, doch mit den
       Jahren werden die Verpflichtungen mehr, die Zeit knapper und das gemeinsame
       Treffen immer unmöglicher. Dieses Jahr musste es aber unbedingt klappen:
       Vanessa und Mario haben Bene bekommen, unser erstes Cliquen-Baby.
       
       Das durfte ich unter keinen Umständen verpassen, deshalb schlug ich den
       einzigen Abend vor, an dem ich in Hamburg sein würde: „Am 24. um ca. 18 Uhr
       passt keinem?“ Antwort: „LOL, Kübi, das ist DIE Bescherungszeit
       schlechthin.“ Doofe Weihnachten!
       
       ## Allein im Hof
       
       Als abenteuerlustiges Kind muslimischer Eltern, die keine Weihnachten
       feierten, fand ich schon damals: Weihnachten sind die mit Abstand
       langweiligsten Tage des Jahres. Im Fernsehen werden immer wieder die immer
       gleichen Weihnachtsmärchen gezeigt, im Radio „Last Christmas“ rauf und
       runter gespielt, bis einem George Michael höchstpersönlich ins Ohr zieht,
       die Bücherhallen werden geschlossen, aber auch Einkaufszentren oder
       Supermärkte, Orte, an denen ich mir Maronen oder Lakritze hätte kaufen
       können, ebenfalls.
       
       Doch am schlimmsten fand ich es, dass zu allem Überfluss keine meiner
       Freunde aus der Nachbarschaft raus zum Spielen durften, und so standen
       meine Geschwister und ich allein auf dem Hof. Die Weihnachtstage nahmen mir
       alles, was mir sonst Freude bereitete.
       
       Aber dieses Jahr nahm mir Weihnachten meine Reunion weg. Das geht zu weit!
       
       Am Tag vor Heiligabend sagte ich Weihnachten deshalb den Kampf an und
       beschloss zumindest den kleinen Bene mit einem Geschenk zu überfallen – so
       à la verspätete Weihnachtsfrau mit Kopftuch. Punkt 19 Uhr, nach dem Essen
       und mitten in der Bescherung platzte ich bei Vanessa und Mario rein,
       schnappte mir den kleinen Bene, knuddelte ihn, hieß ihn auf der Welt
       willkommen und übergab ihm mein Geschenk.
       
       Zu meiner Überraschung lag unter dem Tannenbaum auch ein Geschenk für mich
       von Bene. Ein Jutebeutel mit seinen Fußabdrücken. Ich bedankte mich und
       eilte nach einer halben Stunde Eilbesuch wieder von dannen und ärgerte mich
       noch immer, dass ich die Reunion verpassen würde.
       
       ## Allein im Bus
       
       Am nächsten Tag saß ich im riesigen Reisebus von London Heathrow nach
       Oxford – ganz allein, nur der Busfahrer und ich als einzige Reisende. Ich
       blickte auf die leeren Sitze und fühlte mich ganz schön mies und allein.
       Außer mir verreiste also niemand an diesem Tag, alle anderen auf der Welt
       saßen irgendwo glücklich bei ihren Familien und Freunden. Dann kamen wir in
       Oxford an, die zentrale Busstation: menschenleer. Ja, nicht einmal auf die
       Straße gingen die Menschen heute.
       
       Zu Hause blockierte ein Stapel Post und Postkarten die Tür. Da war eine
       Grußkarte aus Schottland und eine aus den USA dabei, ein lieber Brief aus
       Berlin und eine „Ich bin jetzt übrigens auf der Welt“-Karte von Bene, ein
       Haufen Magazine, Zeitungen und jede Menge Firmen, die uns frohe Weihnachten
       wünschten. Ich nahm die Karten und den Brief in die Hand und lächelte.
       Feiertage sind uns ein Anlass, einander zu erinnern, zu schätzen und offen
       zu vermissen.
       
       Allerdings kann man das nicht nur aus der Ferne, sondern auch dann, wann
       man möchte. Unabhängig von Feiertagen und Orten. Ich finde, damit ich bei
       der Reunion mit meinen Freunden dabei sein kann, hätte man Heiligabend doch
       ruhig um einen Tag verschieben können. Das wär doch mal ein super Geschenk
       gewesen, lieber Waynaksman!
       
       26 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kübra Gümüsay
       
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