# taz.de -- Die ersten jagdfreien Zonen: Betreten nur ohne Flinte erlaubt
       
       > Als einer der ersten Landbesitzer in NRW hat André Hölscher eine
       > jagdfreie Zone ausgerufen. Das Bundesjagdgesetz macht dies jetzt möglich.
       
 (IMG) Bild: Jagdgegner André Hölscher darf jetzt die Jäger von seinem Grund verscheuchen.
       
       MÜNSTER dpa | Als einer der ersten Grundstücksbesitzer in
       Nordrhein-Westfalen hat André Hölscher seine rund zehn Hektar Land in
       Ladbergen nördlich von Münster zur jadgfreien Zone erklärt – aus ethischen
       Gründen. Seit dem 1. April darf auf Hölschers Anwesen niemand mehr jagen.
       Und das mit Erlaubnis der Behörden. Ein [1][neuer Paragraph im
       Bundesjagdgesetz] erlaubt es Grundstückseigentümern, die Jagd auf ihrem
       Land abzulehnen.
       
       Bisher mussten Landbesitzer wie Hölscher (39) die Jagd auf ihrer Scholle
       auch dulden, wenn sie Skrupel hatten. Zwar ist der Besitzer eines zur Jagd
       geeigneten Grundstücks von mehr als 75 Hektar darauf auch nach dem
       Jagdgesetz sein eigener Herr. Wer aber ein kleineres Grundstück sein eigen
       nennt, werde – mit seinen „kleinen“ Nachbarn – automatisch Mitglied einer
       Jagdgenossenschaft, erklärt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband.
       
       Die Ausübung des Jagdrechts steht dann nicht mehr dem Einzelbesitzer zu,
       sondern der Genossenschaft. Sie ist der Zwangsverbund der betroffenen
       Landbesitzer. Sie können selbst auf die Jagd gehen oder ihr Gebiet an
       Pächter vergeben.
       
       Ein Mitglied der Genossenschaft konnte sein Grundstück von der Jagd nicht
       ausnehmen. Auch nicht aus ethischen Gründen. Das ist jetzt vorbei. Ein
       Anwalt aus Baden-Württemberg klagte vor dem [2][Europäischen Gerichtshof
       für Menschenrechte (EGMR) und bekam Recht] (pdf-Datei). Die Richter
       erklärten die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft für
       menschenrechtswidrig. Die Gesetzespflicht, entgegen ethischen Bedenken die
       Jagd auf dem eigenen Land zu dulden, sei eine unverhältnismäßige Belastung,
       so der EGMR.
       
       Deutschland musste als Konsequenz das Bundesjagdgesetz anpassen. Seit
       Dezember 2013 ist der neuen [3][Paragraph 6a] in Kraft. Wer die Behörden
       überzeugt, dass er aus ethischen Gründen die Jagd ablehnt, hat nun die
       Möglichkeit sein Grundstück jagdfrei zu stellen.
       
       Hans-Jürgen Thies vom Landesjagdverband NRW (LJV) schätzt die Zahl der
       bisherigen Anträge landesweit auf etwa 150. Eine Umfrage in zehn Städten
       und Kreisen ergab, dass nur der Kreis Steinfurt bereits Anträge bewilligt
       hat. Neben dem von André Hölscher einen weiteren. Dort sowie in Düsseldorf
       und im Rhein-Sieg-Kreis sind je ein Antrag, in Bielefeld, Wuppertal und im
       Kreis Mettmann je zwei Anträge in Bearbeitung.
       
       ## Antrag abgelehnt
       
       Der einzige Antrag, der bislang in Münster gestellt wurde, stammte von
       einer Naturschutz-Organisation und wurde abgelehnt. Offizielle Zahlen für
       ganz NRW gebe es noch nicht, sagt ein Sprecher des
       Landwirtschaftsministeriums.
       
       „Es ist unvertretbar, dass sich der Mensch als eine Spezies von vielen das
       Recht nimmt, über Leben und Sterben anderer zu entscheiden“, sagt Hölscher,
       der als Kabarettist sein Geld verdient. „Ich kann es nicht mit meinem
       Gewissen vereinbaren, dass auf meinem Grundstück Tiere getötet werden.“
       
       Dass Jagdreviere von größerem Umfang wegfallen werden, befürchten die Jäger
       nicht. „Die ethische Grundstücksbefriedung dürfte ein eher zu
       vernachlässigendes Phänomen in Einzelfällen bleiben“, sagt LJV-Justiziar
       Thies.
       
       ## Vorsichtige Prognosen
       
       Dominik Storr sieht das anders. Der Rechtsanwalt aus Rheinland-Pfalz hat
       bundesweit rund 60 Anträge begleitet und sagt: „Es wurden jetzt schon mehr
       Anträge gestellt, als die Politik erwartet hatte.“ Die Prognose von
       Jagdgegner Hölscher ist vorsichtiger. „Solange es noch so viele Leute gibt,
       die die Jagd befürworten, wird sich die Befriedungsmöglichkeit nicht groß
       auf Flora und Fauna auswirken.“
       
       Ein Argument der Jäger ist, dass sie die Rolle der natürlichen Fressfeinde
       von Rehen, Hasen und Wildschweinen einnehmen müssen, um Populationen klein
       zu halten. Jagdgegner können das nicht nachvollziehen. Der Biologe Kurt
       Eicher hält das Argument für falsch. „Es gibt keine Tiere, die darauf
       angelegt wären, gefressen zu werden“, sagt der Sprecher der Heilbronner
       Initiative zur Abschaffung der Jagd.
       
       In André Hölschers Jagdgenossenschaft wollte am Ende niemand mehr neben ihm
       sitzen. „Viele haben mich angegiftet, mich gefragt, was ich mich denn so
       aufspielen würde.“ In den Worten des LJV-Justiziars Thies klingt das so:
       „Jeder Austritt aus der Gemeinschaft stellt einen nur schwer zu ertragenden
       Akt der Entsolidarisierung dar.“
       
       22 Apr 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.gesetze-im-internet.de/bjagdg/__6a.html
 (DIR) [2] http://docs.dpaq.de/6948-grand_chamber_judgment_herrmann_v._germany_26.06.2012-1.pdf
 (DIR) [3] http://www.gesetze-im-internet.de/bjagdg/__6a.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Oliver Streuer
       
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