# taz.de -- Syrien-Friedenskonferenz in Montreux: Tiefe Gräben in idyllischer Lage
       
       > Die Syrien-Gespräche starten mit einer Wutrede des syrischen
       > Außenministers. Zuvor hatten westliche Diplomaten noch Hoffnung
       > verbreitet.
       
 (IMG) Bild: Schön, aber anstrengend: US-Außenminister John Kerry blickt in Montreux in die Ferne
       
       MONTREUX taz | An Montreuxs mondäner Uferpromenade mit herrlichem Blick auf
       den Genfer See und die verschneiten Walliser Alpen stehen die Denkmäler des
       russisch-amerikanischen Schriftstellers Vladimir Nabokov und von
       Queen-Sänger Freddy Mercury. Dazwischen liegt die gestern zum Pressezentrum
       für die internationale Syrienkonferenz umfunktionierte Miles-Davis-Halle,
       Austragungsort des Jazzfestivals. Mit diesen drei Bauten ehrt die
       25.000-Einwohner-Stadt drei der zahlreichen Kulturschaffenden, die Montreux
       in den letzten 50 Jahren international bekannt gemacht haben.
       
       Viele der Künstler wohn(t)en in dem 1906 direkt an der Uferstraße erbauten
       Luxushotel „Montreux Palace“. Die teuerste Suite des Hotels, in der Nabokov
       durchgehend von 1961 bis zu seinem Tod 1977 lebte, war in den letzten
       beiden Nächten US-Außenminister John Kerry vorbehalten. Kerrys Moskauer
       Amtskollege Sergei Lawrow durfte die Suite beziehen, in der Mercury
       ebenfalls einen Teil seiner letzten Jahre verbrachte.
       
       Auch diplomatische Verhandlungen über internationale Konflikte haben im
       Montreux Palace-Hotel schon stattgefunden. Die meisten waren erfolgreich.
       Am 20.Juli 1936 etwa unterzeichneten die Türkei, Griechenland,
       Großbritannien, Frankreich und Russland hier den „Dardanellen-Pakt“. Dieser
       Vertrag übertrug der Türkei die Kontrolle über den Bosporus und die
       Dardanellen und regelte den Transit von Kriegsschiffen durch diese
       strategisch bedeutsamen Meerengen. An das Abkommen, das bis heute in Kraft
       ist, erinnert eine Plakette am Eingang zum Ballsaal des Hotels, in dem am
       Dienstag die Syrienkonferenz stattfindet.
       
       Ein gutes Omen eigentlich.
       
       Mit dem Satz „das ist der erste Tag der Hoffnung“ versucht
       UN-Generalsekretär Ban Ki Moon alle pessimistischen Prognosen über die
       Erfolgschancen der Konferenz vom Tisch zu wischen. Ein Zeichen der
       „Hoffnung“ sieht Ban insbesondere in dem Umstand, dass in Montreux „nach
       fast drei Jahren blutigem Bürgerkrieg mit 150.000 Toten und über 9
       Millionen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen Vertreter der Regierung Assad
       und der syrischen Opposition erstmals in einem Raum und an einem Tisch
       sitzen“.
       
       ## Abstand zwischen Delegationen
       
       Doch dieser keineswegs runde, sondern langgestreckt-eckige Tisch mit
       Plätzen für die eingeladenen Außenminister von 39 Ländern sowie die
       Vertreter von EU, Arabischer Liga und der Organisation Islamischer Staaten
       ist riesig. Und er erlaubt einen großen Abstand zwischen den Delegationen
       der Regierung in Damaskus unter Leitung von Außenminister Walid al-Muallim
       und des oppositionellen Syrischen Nationalrats unter Führung von Ahmad
       al-Dscharba.
       
       „Erfolg scheint immer unmöglich, so lange, bis er endlich gelungen ist.“
       Mit diesem Satz des kürzlich verstorbenen Nelson Mandela versucht auch
       Didier Burkhalter, Außenminister und amtierender Präsident des
       Gastgeberlandes Schweiz, vorsichtigen Optimismus zu verbreiten. Doch jede
       noch so leise Zuversicht verfliegt spätestens mit dem Auftritt des
       syrischen Außenministers Muallim. Er bezeichnet die syrische Opposition als
       „Verräter am syrischen Volk“ und rechtfertigt die Kriegsführung seiner
       Regierung als „notwendigen und legitimen Kampf gegen Terroristen“.
       
       Die Rebellen seien „Agenten im Dienst von Feinden des syrischen Volks“,
       sagt er. Muallim beschuldigt Saudi-Arabien und andere arabische Staaten
       sowie den Westen, diese Terroristen zu unterstützen, und weist jegliche
       Kritik bezüglich Menschenrechtsverletzungen durch die
       Regierungsstreitkräfte als „verleumderische Propaganda“ zurück.
       
       ## „Ich rede, solange ich will!“
       
       „Niemand hat das Recht, die Legitimität der syrischen Regierung und ihrer
       Streitkräfte und von Präsident Assad infrage zu stellen“, erklärt Muallim.
       Muallim enttäuscht alle vor Konferenzbeginn verbreiteten Hoffnungen, er
       werde in Montreux zumindest eine teilweise Waffenruhe anbieten, um die
       humanitäre Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen.
       
       Nachdem der syrische Außenminister seine auf zehn Minuten festgelegte
       Redezeit bereits um das Doppelte überschritten hatte, bittet der
       UN-Generalsekretär ihn höflich, zum Ende zu kommen. „Sie leben in New York,
       ich lebe in Syrien, wo seit fast drei Jahren Krieg herrscht, und ich rede,
       solange ich will“, blafft Muallim und gibt schließlich erst nach 32 Minuten
       das Mikrofon frei.
       
       Oppositionsführer Dscharba redet deutlich gemäßigter und kürzer. „Das
       syrische Volk erwartet von uns Ergebnisse“, sagte er. Sein Rede macht aber
       noch einmal deutlich, dass sich die Positionen der beiden Konfliktparteien
       komplett ausschließen und es daher eigentlich nichts zu verhandeln gibt.
       Dscharba ruft die Regierung Assad auf, „unverzüglich die
       Genf-1-Vereinbarung zu unterzeichnen“.
       
       Nach deren Vorgabe müsse die „Macht einschließlich der Armee und der
       Sicherheitskräfte von Assad an eine Übergangsregierung“ übergeben werden.
       In der Abschlussvereinbarung der ersten Genfer Syrienkonferenz vom Juni
       2012 wird als Verhandlungsziel die „Bildung einer Übergangsregierung“
       festgelegt. Deren Mitglieder sollen von den Konfliktparteien „im
       gegenseitigen Konsens“ bestimmt werden.
       
       ## Streit um die Zukunft von Assad
       
       Nicht nur Dscharba, sondern alle Redner der Konferenz mit Ausnahme des
       syrischen Außenministers betonen, dass diese Vereinbarung Grundlage aller
       weiteren Verhandlungen sein soll. Allerdings machen US-Außenminister Kerry
       und sein russischer Kollege Lawrow klar, dass es sehr unterschiedliche
       Interpretationen dieser Erklärung gibt. Laut Kerry „bedeutet die Festlegung
       der Mitglieder einer Übergangsregierung durch gegenseitigen Konsens, dass
       Assad dieser nicht angehören wird“. Das sei „ausgeschlossen“. Lawrow
       widerspricht. Die Vereinbarung mache „keine Festlegung, wer einer künftigen
       Übergangsregierung angehört kann oder nicht.“
       
       Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagt, der erste Konferenztag habe
       gezeigt, „dass die Positionen weit auseinander liegen“. Er sei „empört“,
       dass der syrische Außenminister in seiner Rede jede Verantwortung des
       Regimes für die schreckliche Lage in Syrien bestritten habe. Ziel der
       Verhandlungen sei es, jetzt zumindest einen „Einstieg in humanitäre
       Lösungen“ zu bekommen. Möglicherweise könne es gelingen, „Inseln der
       Beruhigungen“ in dem Bürgerkriegsland zu schaffen.
       
       Ab Freitag soll Lakhdar Brahimi, der gemeinsame Syrien-Vermittler von UNO
       und Arabischer Liga in Genf, versuchen, eine Annäherung zwischen den beiden
       Konfliktparteien zustande zu bringen. Dabei will er es zunächst mit dem
       Zypern-Verhandlungsmodell versuchen. Seit dem türkisch-griechischen Krieg
       auf der Mittelmeerinsel 1974 pendeln UN-Generalsekretäre und ihre
       Beauftragten zwischen den Konfliktparteien. Direkte Verhandlungen ohne
       UN-Vermittlung gab es bislang nicht. Bis heute ist Zypern geteilt.
       
       Kein gutes Omen.
       
       22 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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