# taz.de -- Sexuelle Gewalt in Marokko: Vergewaltigung wird bestraft
       
       > Wer in Marokko Minderjährige vergewaltigt, bleibt künftig nicht mehr
       > straffrei. Selbst wenn der Täter nach dem Übergriff sein Opfer heiraten
       > sollte.
       
 (IMG) Bild: Vergewaltiger kommen nicht mehr so einfach davon.
       
       MADRID taz | Die marokkanische Frauenbewegung hat einen wichtigen Sieg
       errungen. Am Mittwochabend stimmte das Parlament in Rabat für die
       Abschaffung des Paragrafen 475 des Strafgesetzbuches. Dieser sah
       Straffreiheit für Vergewaltiger vor, wenn diese ihre minderjährigen Opfer
       nach der Tat heirateten.
       
       Der Parlamentsantrag wurde einstimmig angenommen, nachdem die islamistische
       Regierung der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) von Premier
       Abdelaziz Benkirane ihren Widerstand gegen eine Gesetzesänderung aufgab.
       Viele Familien hatten bisher der Zwangsheirat zugestimmt, um den Ruf ihrer
       Tochter und die Ehre der Familie zu retten.
       
       Die Gesetzesreform ist die Folge der Proteste von vor knapp zwei Jahren,
       als sich die 16-jährige Amina el-Filali nach einer Vergewaltigung und
       anschließender Zwangsheirat mit dem Täter, einem jungen Mann aus der
       Nachbarschaft, das Leben nahm. Amina schluckte am 10. März 2012 Rattengift.
       Tausende gingen auf die Straße. Internationale Menschenrechtsorganisationen
       unterstützten die Proteste. Vor der Parlamentssitzung vom Mittwoch hatte
       die Internetplattform Avaaz rund eine Million Unterschriften gegen den
       Artikel 475 gesammelt.
       
       „Heute kann Amina el-Filali endlich in Frieden ruhen“, erklärte die
       Abgeordnete der Partei Authentizität und Moderne (PAM), Khadija Rouissi.
       Für Amnesty International ist der Parlamentsbeschluss „ein wichtiger
       Schritt in die richtige Richtung.“ – „Aber es ist erst ein Anfang“, mahnt
       die Sprecherin der Organisation in London, Hassiba Hadj Sahraoui.
       
       ## Sechs Millionen Frauen sind Gewaltopfer
       
       In Marokko wurden laut Familienministerium 6 Millionen Frauen – bei 34
       Millionen Einwohnern – Opfer von Gewalt. Mehr als die Hälfte in der Ehe.
       „Es ist an der Zeit, Gesetze zu machen, die die Überlebenden von
       Vergewaltigungen schützen“, so Sahraoui angesichts der Zahlen.
       
       Amnesty International fordert, dass nicht nur physische Gewalt bestraft
       wird, sondern auch der psychische Druck, der zu sexuellen Handlungen führt.
       Dies sei vor allem zum Schutz von Frauen in der Ehe notwendig. Außerdem
       dürfe es – wie bisher im Gesetz vorgesehen – bei der Strafverfolgung des
       Vergewaltigers keine Rolle spielen, ob das Opfer noch Jungfrau sei oder
       nicht.
       
       Für Amnesty International und marokkanische Frauenrechtsgruppen stützt sich
       das Strafrecht des Königreiches von Mohammed VI. zu stark auf Definitionen
       wie „Ehre“ und „Anstand“. „Frauen und Mädchen haben grundlegende Rechte,
       und diese können nicht anhand von Jungfräulichkeit, materiellem Status oder
       der familiären Situation definiert werden“, sagt Sahraoui.
       Vergewaltigungsopfer laufen in Marokko Gefahr, selbst strafrechtlich
       verfolgt zu werden. Denn das Gesetz stellt außerehelichen sowie
       gleichgeschlechtlichen Sex unter Strafe.
       
       Ein weiteres Problem, auf das Frauenorganisationen in Marokko immer wieder
       hinweisen, ist die Verheiratung minderjähriger Frauen. Zwar setzt das 2003
       reformierte Familiengesetz ein Mindestheiratsalter von 18 Jahren fest, doch
       erteilen Richter zahlreiche Ausnahmegenehmigungen. Dies betrifft laut
       Amnesty International rund 40.000 Mädchen pro Jahr.
       
       23 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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