# taz.de -- Spekulationsgeschäft der BVG: Geisterfahrer kommen davon
       
       > 150 Millionen Euro müssen die Verkehrsbetriebe als Verlust aus einem
       > Spekulationsgeschäft verbuchen. Die Grünen fordern Konsequenzen.
       
 (IMG) Bild: Hinter Gitter bei verbotenen Derivategeschäften?
       
       BERLIN taz | Die Beförderungsbedingungen der Verkehrsbetriebe sind
       eindeutig: Wer mit dem Bus oder der U-Bahn fährt, muss ein Ticket lösen.
       Aber nicht immer halten sich alle daran. Die Verkehrsbetriebe schätzen,
       dass sie 20 Millionen Euro im Jahr durch Schwarzfahrer verlieren.
       
       Ein Inkassobüro verfolgt die zivilrechtlichen Ansprüche der
       Verkehrsbetriebe auf Zahlung von 40 Euro pro Schwarzfahrt. Allein im Jahr
       2012 verfolgte die Staatsanwaltschaft 11.700 Strafanzeigen wegen
       Beförderungserschleichung. Mehrere hundert Menschen sitzen derzeit in
       Berlin wegen Schwarzfahens im Gefängnis.
       
       Das Berliner Betriebegesetz ist eindeutig: Die Aufgabe der Verkehrsbetriebe
       ist es, Menschen zu transportieren und nicht, riskante Finanzwetten
       abzuschließen. Aber nicht immer halten sich alle daran. Im Jahr 2007
       beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat ein riskantes Finanzgeschäft [1][(die
       taz berichtete)]. Rund 150 Millionen Euro Verlust verbuchten die
       Verkehrsbetriebe mit dem Geschäft. Das entspricht 57 Millionen nicht
       gelösten Einzeltickets. Es ist der gleiche Schaden, den alle Schwarzfahrer
       Berlins zusammengenommen in siebeneinhalb Jahren für die BVG verursachen.
       
       Die Konsequenzen für die Verantwortlichen: Keine.
       
       ## Grundgehalt von 290.000 Euro
       
       Auch nachdem der Deal im Jahr 2008 platzte, konnte der Vorstandsvorsitzende
       Andreas Sturmowski weiter im Amt bleiben, bis sein Vertrag zwei Jahre
       später regulär auslief. Er bezog weiter sein Grundgehalt von 290.000 Euro
       und bekam auch weiterhin einen jährlichen Erfolgsbonus von 87.000 Euro.
       
       Auch für den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Verkehrsbetriebe,
       Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), hatte das missratene
       Spekulationsgeschäft keine Konsequenzen. Dabei zeigen Gerichtsdokumente,
       wie fahrlässig er seiner Kontrollaufgabe bei den Verkehrsbetrieben
       nachgekommen war.
       
       Die Investmentbank JPMorgan zitiert in ihrer Klageschrift aus einer
       Audio-Aufzeichnung der Aufsichtsratssitzung der BVG: Sarrazin habe zu
       verstehen gegeben, dass er das Finanzgeschäft nicht versteht. Der
       Aufsichtsrat stimmte dem Geschäft trotzdem zu. Auch nachdem die
       Verkehrsbetriebe den hohen Verlust verbuchen mussten, blieb Sarrazin weiter
       Finanzsenator. Später machte er sogar noch Karriere und rückte in den
       Vorstand der Bundesbank auf.
       
       Strafrechtlich haben die Verantwortlichen offenbar auch nichts mehr zu
       befürchten: In Betracht käme höchstens der Straftatbestand der Untreue. Der
       verjährt allerdings fünf Jahre, nachdem der Schaden eingetreten ist – und
       das war 2008. Durch den derzeitigen Zivilprozess der Verkehrsbetriebe gegen
       die Investmentbank wird die Verjährung nicht unterbrochen, erläutert der
       Berliner Strafverteidiger Carsten Hoenig. Nur wenn die Staatsanwaltschaft
       ermittelt hätte, also Zeugen vernommen oder eine Anklage geschrieben hätte,
       würde die Verjährungsfrist aufgeschoben. Davon aber ist nichts bekannt.
       
       ## „Gesetzliche Normierung“ gefordert
       
       Unbekannt ist auch, ob die BVG sich den Schaden von den damaligen
       Verantworlichen ersetzten lassen könnten. Die Senatsverwaltung für Finanzen
       hat dies im Jahr 2009 rechtlich geprüft – lehnte es auf taz-Anfrage aber
       ab, das Ergebnis mitzuteilen.
       
       Der Grünen-Haushaltspolitiker Jochen Esser fordert jetzt, dass es in
       Zukunft nicht nur klare gesetzliche Vorgaben geben sollte, welche
       Derivategeschäfte für landeseigene Unternehmen zulässig und welche verboten
       sind. Sondern er findet, dass Verstöße auch Folgen haben sollten: „Man
       müsste prüfen, ob es dann möglich ist, dass das mindestens die fristlose
       Entlassung der Geschäftsführung bedeutet.“
       
       Esser fordert außerdem, dass solche Geschäfte transparent gemacht werden.
       „Wir wissen derzeit nicht, welche landeseigenen Unternehmen solche
       Derivategeschäfte abgeschlossen haben“, sagt Esser. Er forderte eine
       „gesetzliche Normierung“, damit die Deals nicht länger geheim bleiben.
       
       Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, von der SPD ins Amt berufen)
       wollte auf taz-Anfrage nicht mitteilen, wie viele vergleichbare Geschäfte
       er selbst schon als Aufsichtsratsmitglied der Verkehrsbetriebe und anderer
       Landesunternehmen abgeschlossen hat: „Ich bitte um Verständnis, dass ich
       Ihnen auch keine allgemeinen Fragen beantworten kann, die auf eine
       Bewertung des damaligen Geschäfts der Verkehrsbetriebe schließen lassen“,
       so seine Sprecherin Kathrin Bierwirth.
       
       27 Jan 2014
       
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 (DIR) Sebastian Heiser
       
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