# taz.de -- Filmstart „Der lange Weg zur Freiheit“: Großer Mann auf großer Leinwand
       
       > Regisseur Justin Chadwick folgt Nelson Mandela in seinem Biopic von der
       > Kindheit bis zur Präsidentschaft. Keine leichte Aufgabe.
       
 (IMG) Bild: Idris Elba spielt die Hauptrolle in „Mandela: Long Walk to Freedom“.
       
       Der lange Weg zur Leinwand: Als der südafrikanische Produzent Anant Singh
       den Plan fasste, Nelson Mandelas Lebensgeschichte zu verfilmen, war die
       Apartheid gerade erst überwunden. Seine Premiere feierte das Biopic im
       vergangenen Herbst, wenige Wochen vor dem Tod Mandelas, auf dem
       Filmfestival von Toronto. Mehr als 15 Jahre und viele Besetzungs- und
       Drehbuchänderungen liegen zwischen diesen beiden Daten – eine Zeit, die
       auch nicht spurlos am Genre der Filmbiografie vorbeigegangen ist.
       
       „Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“ wirkt mit dem Versuch, fast das
       komplette Leben der Widerstandsikone in ein Kinoerlebnis zu packen, fast
       wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten, in denen noch mit epischem Atem das
       Leben großer Männer auf möglichst großen Leinwänden gefeiert wurde. Die
       Gründe sind vielfältig: Vielleicht hat weniger der Glaube abgenommen,
       charismatische Einzelne könnten die Geschicke der Welt lenken, als das
       Vertrauen in das Medium Kino, solche Geschichten noch „komplett“ erzählen
       zu können.
       
       In den letzten Jahren haben sich etwa Bille August („Goodbye Bafana“) und
       Clint Eastwood („Invictus“) nur an Episoden aus Mandelas Leben gewagt – und
       die auch nur vermittelt aus der Perspektive weißer Figuren, Mandelas
       Gefängniswächter in „Goodbye Bafana“ und des Spielführers der
       südafrikanischen Rugby-Nationalmannschaft in „Invictus“.
       
       Als Ausgangspunkt für „Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“ diente dagegen
       seine Autobiografie, die Drehbuchautor William Nicholson weitgehend zu
       einer Folge von privaten und politischen Schlüsselmomenten zusammendampfen
       musste, um den Bogen von der Kindheit bis zur Präsidentenwahl spannen zu
       können. Trotz einer Filmlänge von knapp zweieinhalb Stunden wahrlich keine
       leichte Aufgabe.
       
       ## Mehr als nur ein Held
       
       Wie aus Standard-Drehbuchschulen wirken dabei zu Beginn die Versuche,
       Mandela nicht als eindimensionalen Helden, sondern als „komplexe“
       Persönlichkeit darzustellen – der frisch Verheiratete wird als
       ausgehfreudiger Womanizer gezeigt, während er auf der anderen Seite als
       Rechtsanwalt mit Geschick seine schwarzen Klienten gegen eine rassistische
       Justiz verteidigt.
       
       Interessanter wird es, wenn es um Mandelas Verhältnis zur Gewalt und zum
       organisierten politischen Widerstand geht. Der aus einer privilegierten
       Familie stammende junge Anwalt ist zunächst eher skeptisch gegenüber
       Rekrutierungsversuchen durch den ANC.
       
       Voller Selbstbewusstsein glaubt er an seinen persönlichen Erfolg und seine
       Möglichkeiten, dem Regime vor Gericht die Stirn bieten zu können. Dieser
       bis zur Arroganz reichende Glaube an sich selbst wird später eine
       entscheidende Rolle spielen, wenn Mandela gegen den Willen seiner
       Mitgefangenen des ANC alleine Geheimgespräche mit dem Regime aufnimmt, um
       die Apartheid zu beenden.
       
       Nicholson und Regisseur Justin Chadwick sparen nicht aus, dass Mandela
       Gewaltfreiheit gerade als junger Mann – anders als Gandhi – nicht als
       Selbstzweck betrachtete, sondern als taktisches Mittel. In der Folge des
       Massakers von Sharpeville im März 1960, bei dem 69 unbewaffnete schwarze
       Demonstranten von der südafrikanischen Polizei erschossen wurden, wird
       Mandela Führer des bewaffneten Flügels des ANC und nimmt in Algerien sogar
       an einem militärischen Training teil.
       
       ## Politik und Gewalt
       
       Mit seiner Verhaftung setzt ein Wandel ein. Die Frage der Gewalt belastet
       auch seine Ehe mit Winnie Mandela, die eine aggressivere Politik
       befürwortet, während ihr Mann im Gefängnis gewaltfrei eine
       menschenwürdigere Behandlung der ANC-Gefangenen erreicht.
       
       „Mandela“ bietet nicht die grandiosen Massenszenen von Richard
       Attenboroughs „Gandhi“, stattdessen inszeniert sein britischer Landsmann
       Chadwick („Die Schwester der Königin“) angenehm uneitel und mit Fokus auf
       seine durchweg guten Darsteller – Naomie Harris stiehlt hier als Winnie
       Mandela Hauptdarsteller Idris Elba immer wieder Szenen.
       
       Seltsamerweise gilt die Zurückhaltung nicht für die ersten und letzten
       Minuten, die wie von einem anderen Regisseur inszeniert wirken. Besonders
       der Beginn erinnert eher an einen Imagefilm der südafrikanischen
       Tourismusgesellschaft. Die Kamera fliegt im orangefarbenen Licht des
       Sonnenuntergang über die sanften Hügel nahe Mandelas Heimatdorf. Kinder
       laufen in Zeitlupe durchs Gras, aus dem Off ertönen bombastische
       Pseudo-Ethnoklänge.
       
       „Mandela“ mag bisweilen das Private dem Politischen vorziehen und wichtige
       Ereignisse nur verkürzt abhandeln, aber verkitscht ist er mit Ausnahme der
       ersten und letzten Minuten nicht. Chadwick gelingt eine respektable
       Umsetzung einer fast unmöglichen Aufgabe.
       
       29 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven von Reden
       
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