# taz.de -- Kommentar Wirtschaftskrise Türkei: Erdogans Abstieg
       
       > Die Krise ist der dritte Schlag für den bis dahin mächtigsten
       > Ministerpräsidenten, den die Türkei je hatte. Erdogans Abgang kann der
       > Gesellschaft nur guttun.
       
 (IMG) Bild: In Ankara spricht man bereits hinter den Kulissen über Erdogans „Flucht“ in die Präsidentschaft.
       
       Trotz aller Diffamierungskampagnen bahnt sich die türkische Wirtschaft
       ihren Weg auf solide und unverwüstliche Weise“, sagte Ministerpräsident
       Tayyip Erdogan, unmittelbar bevor die türkische Zentralbank durch eine
       massive Zinserhöhung das Ende des türkischen Wirtschaftsbooms besiegelte.
       Das erinnert an Erich Honeckers Prophezeiung vom Lauf des Sozialismus, den
       weder Ochs noch Esel aufhalten können. Bekanntlich löste sich der
       DDR-Sozialismus wenig später ins Nichts auf und auch Erich Honecker
       verschwand.
       
       Genauso dürfte der Niedergang der türkischen Wirtschaft nun das Ende der
       Ära Erdogan einläuten. Zeitgleich zum Wertverlust der türkischen Lira läuft
       die Selbstdemontage des Staatsmanns Tayyip Erdogan auf Hochtouren. In
       Ankara spricht man bereits hinter den Kulissen über Erdogans „Flucht“ in
       die Präsidentschaft. Man sieht ihn nicht mehr als starken Präsidenten mit
       exekutiven Befugnissen, sondern als einen Mann, dem das Präsidentenamt
       Schutz vor Korruptionsklagen bieten soll.
       
       Die Wirtschaftskrise ist nach den Gezi-Protesten im letzten Sommer und der
       Korruptionsaffäre im Dezember nun der dritte Schlag für den bis dahin
       mächtigsten Ministerpräsidenten, den die Türkei je hatte. Dabei dürfte die
       Wirtschaft das größte Problem Erdogans bei den anstehenden Wahlen in diesem
       Jahr werden. Denn der Wirtschaftsboom war bisher sein bestes Argument und
       der Hauptgrund, warum er mit jeder Wahl mehr Stimmen erhielt. Damit ist es
       vorbei.
       
       Der türkischen Gesellschaft kann ein Abgang Erdogans nur guttun. Denn der
       aberwitzige Konfrontationskurs seit den Gezi-Protesten ist mehr der
       persönlichen Hybris von Erdogan geschuldet als seiner Partei. Nicht nur die
       Kritiker der Regierung, auch viele Funktionäre innerhalb der AKP wollen
       statt Konfrontation einen gesellschaftlichen Kompromiss.
       
       Deshalb ist Staatspräsident Abdullah Gül mittlerweile so beliebt. Viele
       hoffen darauf, dass er die Gesellschaft wieder befrieden kann. Spätestens
       wenn Erdogan bei den Kommunalwahlen im März die Metropolen Istanbul und
       Ankara verliert, wird die AKP versuchen, ihn loszuwerden, und dann wieder
       moderater werden. Das Wirtschaftsproblem aber wird bleiben.
       
       30 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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