# taz.de -- Strafverfolgung von Altnazis: Fahnder suchen in Brasilien
       
       > Mitarbeier der Zentralen Stelle recherchieren jetzt in Brasilien. Weitere
       > Ermittlungen gegen Wachmänner in NS-Vernichtungslagern dauern an.
       
 (IMG) Bild: Behördenleiter Kurt Schrimm beim mühsamen Aktenstudium.
       
       LUDWIGSBURG taz | Die Zentrale Stelle zur Ermittlung von NS-Verbrechen
       erwartet weitere Fahndungserfolge und konzentriert ihre Ermittlungen
       derzeit auf deutsche Auswanderer nach Brasilien. Das sagte Behördenleiter
       Kurt Schrimm der taz. Rasche Erfolge erwartet Schrimm allerdings nicht.
       
       Ermittler der Zentralen Stelle reisen seit einiger Zeit regelmäßig nach
       Brasilien, um dort anhand von Einwanderungsakten aus den Jahren 1945 bis
       1954 zu überprüfen, ob sich mutmaßliche Nazi-Verbrecher nach dem Krieg in
       das lateinamerikanische Land abgesetzt haben, sagte Oberstaatsanwalt
       Schrimm. Diese Arbeit gestaltet sich schwierig, da sich das Material nicht
       an einem Ort befindet und aus „hunderttausenden Karteikarten“ besteht.
       
       Als Suchkriterien nutzen die Ermittler unter anderem die
       Staatsangehörigkeit, das Alter und die Frage, ob die deutschen
       Staatsangehörigen mithilfe eines Ausweises des Internationalen Roten
       Kreuzes Lateinamerika erreichten. Solche Pässe wurden damals gerne von
       NS-Hilfsorganisationen benutzt, um Belasteten eine Emigration zu
       ermöglichen.
       
       Akten des früheren US-Geheimdienstes Counter Intelligence Corps (CIC)
       könnten diese Arbeit erheblich beschleunigen und neue Anhaltspunkte
       ergeben, hofft Schrimm. Die CIC hatte nach dem Krieg nach NS-Verbrechern
       gesucht und deshalb Einwanderer nach Brasilien systematisch befragt. Doch
       trotz zweijähriger Suche ließen sich diese Akten in Brasilien bis heute
       nicht auffinden. Die CIA in den USA verfügt nach eigenen Angaben über keine
       Kopien dieses Materials, sagte Schrimm.
       
       ## Gute Kooperation, keine Treffer
       
       Die Mitarbeiter der Zentralen Stelle arbeiten in Brasilien mit Historikern
       und weiteren Fachleuten zusammen, die Kooperation gestalte sich gut, sagte
       Schrimm. Beim Abgleich der Einwandererdaten mit anderen Informationen habe
       sich bisher aber kein Treffer ergeben. Die entsprechenden Ermittlungen in
       anderen lateinamerikanischen Staaten wie Chile, Argentinien, Uruguay und
       Paraguay gelten als abgeschlossen. Dabei hatte Paraguay eine Kooperation
       mit dem Argument, es habe dort keine NS-Verbrecher gegeben, verweigert.
       
       Nach dem Erfolg bei der Fahndung nach ehemaligen Angehörigen der
       Wachmannschaften des Vernichtungslagers in Auschwitz wurden die
       Ermittlungen auf Wachmänner in anderen Vernichtungslagern wie Belzec,
       Sobibor und Treblinka ausgeweitet. Allerdings gestalten sich die Recherchen
       schwieriger als bei den Auschwitz-Wächtern, weil die Namen dieser
       Mannschaftsangehörigen schlechter dokumentiert seien, sagte Schrimm. „Es
       werden weniger Treffer sein“, sagte er.
       
       ## Viele Beschuldigte bereits gestorben
       
       Beim Komplex Auschwitz hatte die Zentrale Stelle im November ihre
       Ermittlungsergebnisse zu 30 Personen an die jeweiligen Staatsanwaltschaften
       abgegeben. Diese prüfen derzeit, ob eine Anklage erhoben werden kann.
       Allerdings sind einige der hoch betagten Beschuldigten zwischenzeitlich
       verstorben.
       
       Weitere Recherchen finden derzeit zu Angehörigen der Einsatzgruppen statt,
       die in den besetzten Gebieten der Sowjetunion für den Massenmord an den
       Juden verantwortlich waren. Freilich sind hier die Hoffnungen gering, noch
       Tatverdächtige aufzuspüren, weil die Mitglieder dieser Mordverbände häufig
       älteren Jahrgängen entstammten und daher inzwischen verstorben sein
       dürften.
       
       4 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Brasilien
 (DIR) Lateinamerika
 (DIR) USA
 (DIR) Chile
 (DIR) Auschwitz
 (DIR) SS
 (DIR) Hannah Arendt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) NS-Kriegsverbrecher in den USA: Früherer KZ-Aufseher verhaftet
       
       Dem 89-jährigen ehemaligen Auschwitz-Wachmann Johann Breyer wird Beihilfe
       zum Mord an hunderttausenden Juden vorgeworfen. Die deutsche Justiz
       ermittelt seit 2012.
       
 (DIR) Colonia Dignidad in Chile: Menschliche Knochen gefunden
       
       Nahe der ehemaligen Sekten-Siedlung „Colonia Dignidad“ in Chile sind
       Menschenknochen gefunden worden. Während der Diktatur wurden dort
       Oppositionelle gefoltert.
       
 (DIR) Durchsuchungen in mehreren Ländern: Hitlers uralte Vollstrecker
       
       Eine neue Bewertung der Beihilfe zum Mord hat zu neuen Ermittlungen gegen
       frühere SS-Angehörige in Auschwitz geführt. Jetzt gab es Durchsuchungen und
       Festnahmen.
       
 (DIR) Ex-SS-Mann in den USA identifiziert: Das geheime Leben des Herrn Karkoc
       
       Ein ehemaliger SS-Offizier lebt offenbar seit mehr als 60 Jahren im
       US-Staat Minnesota. Seine Einheit war im Zweiten Weltkrieg in der Ukraine
       an Gräueltaten beteiligt.
       
 (DIR) 50 Jahre „Eichmann in Jerusalem“: Der Verwaltungsmassenmörder
       
       Bei der Konferenz „Judgement in Extremis“ wurde in Berlin über Hannah
       Arendt und ihren Begriff der „Banalität des Bösen“ diskutiert.
       
 (DIR) Karlsruhe hebt Urteil gegen Altnazi auf: Privatgespräch ist nicht strafbar
       
       Ein alter Holocaustleugner hatte einem Gastwirt Schriften zur
       "Kriegsschuldlüge" übergeben. Das Verfassungsgericht meint, er habe sie
       nicht "verbreitet".
       
 (DIR) Alt-Nazis beim Bundesnachrichtendienst: Code-Name "Uranus"
       
       Der Historiker Peter Hammerschmidt enthüllt, wie der
       Bundesnachrichtendienst Altnazis deckte und auch für sich nutzte. Als
       Doppelagenten und Waffen-Verkäufer.