# taz.de -- Eingemeindung Blumenthals: Keine Party auf der Bahrsplate
       
       > Die umstrittene Feier zur 75-jährigen Eingemeindung Blumenthals sei
       > „zertrümmert worden“, klagt Ortsamtsleiter Nowack – und plant nun ein
       > Fest für 2015.
       
 (IMG) Bild: Gedenkstein an der Bahrsplate: Blumenthal wollte auf dem ehemaligen KZ-Gelände Jubiläum feiern.
       
       BREMEN taz | Peter Nowack (SPD) fühlt sich unverstanden. „Medial
       zertrümmert worden“ sei die Idee einer Feier anlässlich der 75-jährigen
       Zugehörigkeit Blumenthals zu Bremen. Und deswegen, sagt der Ortsamtsleiter,
       sei die Radio-Bremen-Meldung von gestern Morgen korrekt: Die Idee einer
       Jubiläumsfeier sei vom Tisch. Allerdings: Zu seiner nächsten Sitzung am
       kommenden Montag hat der Beirat Blumenthal einen Event-Manager eingeladen,
       um ein „Blumenthal-Fest“ im nächsten Jahr vorzubereiten.
       
       Das soll laut Nowack aber keineswegs eine nachträgliche Jubiläumsparty
       werden: „Nie wieder werden wir eine Feier machen, die in irgendeinem
       Zusammenhang steht mit den Jahren 1933 bis 1945.“ Das sagt er nicht, weil
       er eingesehen hat, dass die Eingemeindung Blumenthals kein Grund zum Feiern
       ist, sondern weil „wir aufgrund des politischen Aufstands die Frage danach,
       was angemessen ist, nicht beantworten können“.
       
       Mit „politischem Aufstand“ meint Nowack die Reaktionen von
       NS-Opferverbänden, der Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei, einzelner
       Bürgerschaftsabgeordneter und auch von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD):
       Die fanden die Idee einer Jubiläumsfeier unangemessen, denn die
       Eingemeindung erfolgte 1939 mit der Unterschrift Adolf Hitlers unter die
       „Vierte Verordnung über den Neuaufbau des Reichs.“ Blumenthal wollte das
       feiern und beantragte bei der Stadt 250.000 Euro für
       Jubiläums-Veranstaltungen und für den Anschluss der Bahrsplate an Strom und
       Wasser. Genau dort sollte ein „Fest für Jedermann“ steigen – an dem Ort, wo
       sich erst ein Kriegsgefangenenlager und von 1944 bis 1945 ein Außenlager
       des KZ-Neuengamme befand.
       
       Dessen Häftlinge mussten bei der Bremer Werft Deschimag U-Boot-Teile
       ausstanzen und am Bunker Valentin mitbauen. Mindestens 134 Menschen sind
       dort an Entkräftung gestorben oder hingerichtet worden. Ein Gedenkstein auf
       der Bahrsplate trägt ihre Namen.
       
       Unter die „Vierte Verordnung“ fielen auch Vegesack und Burglesum, „aber von
       dort kam keine Reaktion, um eine Feier für ganz Bremen-Nord zu planen“,
       sagt Nowack und hat auch eine Erklärung dafür: „Wenn Ihnen ein
       durchgeknallter Kommunist vor die Nase knallt, dass Sie den Faschismus
       feiern wollen, dann ist doch klar, dass da nichts kommt.“ Dabei sei die
       Eingemeindung schon 1921 geplant gewesen und von den Nazis nur umgesetzt
       worden: „Die haben ja durchaus auch ganz normale Verwaltungsarbeit
       gemacht.“
       
       Mit dem „durchgeknallten Kommunisten“ meint Nowack offenbar Raimund
       Gaebelein, Mitglied der Linksfraktion im Beirat Gröpelingen und
       Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der
       Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN). Die Eingemeindung Blumenthals,
       sagte er vor gut einem Jahr, habe lediglich der Kriegswirtschaft gedient,
       die nicht von Gemeindegrenzen behindert werden sollte. „Das ist kein Grund
       zum Feiern“, sagte er – und freut sich nun, dass es 2014 kein Fest geben
       wird.
       
       Nowacks Begründung für eine Feier im nächsten Jahr ist indes kurios. Vor
       gut 15 Jahren, so seine Erklärung, habe nämlich die CDU einen Antrag
       gestellt, Blumenthal wieder von Bremen abzuspalten, „aber der Beirat ist
       mehrheitlich dagegen – und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl mit Bremen
       wollen wir zelebrieren“.
       
       Besagter Antrag, auf Initiative der CDU vom gesamten Beirat Blumenthal im
       Jahr 1996 gestellt, war freilich „pure Satire“, erinnert sich der heutige
       CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Rainer Bensch – mit ernstem Hintergrund: „Wir
       wollten uns damals Gehör beim Senat verschaffen.“ Die Bibliothek sei
       geschlossen worden und die Zukunft des Freibads Blumenthal sah düster aus.
       Bensch: „Ich glaube, das hat auch gewirkt – aber eine Ausgliederung
       Blumenthals wollte zu keinem Zeitpunkt irgendjemand.“
       
       5 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Blumenthal
 (DIR) Bremen
 (DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
 (DIR) Bremen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Blumenthal übt Demokratie: SPD wählt Grüne ab
       
       Im Streit um die Videoüberwachung des Bahrsplate-Bolzplatzes hat die SPD im
       Ortsbeirat Blumenthal die Grünenfraktion als befangen ausgeschlossen.
       
 (DIR) Vorauseilender Jahresrückblick: Wie 2014 das bisherige Jahrtausend toppt
       
       Elisabeth Motschmann, Bremens neue Bundestagsabgeordnete, bemüht sich
       vergeblich, den Reichstag zu erreichen, und das Weser-Stadion wird zum
       Public Garden.
       
 (DIR) Empörte Opferverbände: Blumenthal feiert Groß-Bremen
       
       Blumenthal will die Eingemeindung zu Bremen während der Nazizeit auf einem
       ehemaligen KZ-Gelände feiern.
       
 (DIR) Hilfe für Blumenthal: Rettung in Sicht
       
       SPD und Grüne fordern ein umfassendes Maßnahmenpaket für die
       George-Albrecht-Straße in Blumenthal. Die gilt als "sozialer Brennpunkt".
       
 (DIR) Sippenhaft in Bremen: Sozi auf Abwegen
       
       Von der Forderung eines Bremer SPD-Ortsamtsleiters, einen jungen Straftäter
       mitsamt seinen Eltern abzuschieben, distanzieren sich die Genossen nur
       zögerlich.
       
 (DIR) Erinnern mit Steinen: Das Gedenken auf dem Gehweg
       
       Ein Buchhändler recherchiert, ein Florist bringt Rosen, ein Kinderarzt
       weint. Die Verlegung von Stolpersteinen ist ein gesellschaftliches Projekt
       von besonderer Intensität.