# taz.de -- Die Wahrheit: Krawall im Sperrbezirk
       
       > Neues aus Neuseeland: Prostitution ist entkriminalisiert im Inselreich.
       > Doch was geht ab, wenn der Strich durch ein Erdbeben plattgemacht wurde?
       
 (IMG) Bild: Dann doch lieber zum Blumenhändler.
       
       Alice Schwarzer ist zwar weit weg, aber Nuttenalarm haben wir auch – wenn
       frau das so salopp sagen darf. Unsere Probleme mit der Prostitution sind
       jedoch anderer Natur. Genauer, seismischen Ursprungs. Seit wir keine
       richtige Stadt mehr haben, weil vor drei Jahren ein Erdbeben Christchurch
       plattmachte, haben auch die Sexarbeiterinnen ihren sicheren Arbeitsplatz
       verloren.
       
       Kurze historische Nachhilfe: Neuseeland hat vor elf Jahren die Prostitution
       entkriminalisiert und ist seit der Reform schwer fortschrittlich, was das
       älteste Gewerbe der Welt betrifft. Fürsorglich geradezu. Aber wo seit dem
       Beben keine richtige Straße, da auch kein Strich: In der dunklen,
       halbabgerissenen Geisterstadt, der unbewohnten „Roten Zone“ von
       Christchurchs Zentrum, will sich nachts keine Straßenschwalbe mehr
       einnisten. Zu unheimlich. Der Stadtrat will jetzt darüber entscheiden, wo
       die Frauen flanieren dürfen – und muss für ausreichende Beleuchtung und
       Sanitäranlagen sorgen.
       
       In der Zwischenzeit jedoch hat sich der Strich von der Innenstadt in ein
       Wohnviertel an der nördlichen Manchester Street verlagert. Und da flogen
       die Fetzen, als das horizontale Treiben unter freiem Himmel letztens einer
       Anwohnerin zu bunt wurde: Die Frau, in ihren Fünfzigern, schlug eine
       Prostituierte in ihrem Vorgarten nieder. Dort fand sie immer öfter Kondome
       und Fäkalien, von der Geräuschkulisse ganz abgesehen. Sie hatte ihr Opfer
       und deren Kollegin zuvor damit konfrontiert, worauf die beiden auf die
       Hausbesitzerin losgingen. Die Prostituierte zog den Kürzeren und musste ins
       Krankenhaus.
       
       Seitdem wird an allen Fronten vermittelt. Aber das Problem besteht, solange
       der Wiederaufbau läuft. Berühmt ist mittlerweile der Fall der
       Straßenarbeiterin, die sich mit ihrem Hund, ihrer Matratze und einem Stapel
       Liebesroman-Heftchen auf den interkonfessionellen Friedhof an der Barbadoes
       Street verzog. Das Stöhnen ihrer Kunden störte jedoch die Bewohner des
       Nachbargrundstücks, die die Polizei riefen. Da der Friedhof öffentlich ist,
       konnte diese nach dem progressiven Prostitutionsgesetz jedoch nichts
       ausrichten. Erst als das Tierheim alarmiert wurde, um sich um den angeblich
       verwahrlosten Hund zu kümmern, räumte die Dame das Feld. Oder das Grab.
       
       Anna Reed, Sprecherin des Prostituierten-Kollektivs, hat inzwischen neue
       Sorgen: Durch die vielen ausländischen Bauarbeiter in der Stadt aus
       „anderen Kulturen“ würden ihre Kolleginnen schlechter behandelt, öfter
       bedroht oder betuppt – „weil sie glauben, dass wir als ’gemeine Nutten‘
       nicht zur Polizei gehen würden, wie in so vielen anderen Ländern“.
       
       Da haben die fiesen Freier aber nicht mit Christchurchs Beamten gerechnet.
       Das Gesundheitsamt gab prompt eine Broschüre heraus, die erklärt, wie das
       in Neuseeland korrekt läuft mit dem bezahlten Sex. Sie wird in
       Backpacker-Hostels, Herbergen und auf Baustellen verteilt. Damit auch
       niemand zu kurz kommt, liegt jedem Heftchen ein Kondom bei. Nur bloß nicht
       in den Vorgärten entsorgen!
       
       12 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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