# taz.de -- Die Wahrheit: Meine Piepshow
       
       > Piep! Mein Herz beginnt zu rasen. Was ist hier los? Piept es nur in
       > meinem Kopf? Ein kleines Wecksignal – und die Hölle bricht los.
       
 (IMG) Bild: Die Ursache allen Übels?
       
       Viertel nach vier in der Nacht. Etwas hat mich geweckt. Ich höre in die
       Nacht hinein. Stille. Ich schlafe wieder ein.
       
       Piep! Bin wieder wach. Meine Augen starren in die Dunkelheit. Jetzt fällt
       es mir ein. Mein Wecker blinkt seit Tagen: Achtung, Batterien wechseln!
       Seufzend mache ich das Licht an und entferne die Batterien. Nach ein paar
       vorwurfsvollen Blinkern des Weckers wird das Display schwarz. Ich lösche
       das Licht, kuschele mich in Embryohaltung und schlafe ein.
       
       Piep! Ich reiße die Augen auf. An dieser Stelle muss ich erklären, dass an
       meinem Bett zwei Wecker stehen. Damit der zweite mich weckt, falls der
       erste versagt. Weil zum Beispiel mitten in der Nacht die Batterien alle
       werden. Offensichtlich warnt mich mein zweiter Wecker nicht blinkend, wenn
       sich seine Batterien dem Ende zuneigen.
       
       Seufzend mache ich das Licht an und entferne auch die Batterien des zweiten
       Weckers. Circa zehn Sekunden blinkt er wild um Hilfe rufend, dann stirbt
       auch er. Ich lösche das Licht, kuschele mich in Embryo…
       
       Piep! Mein Herz beginnt zu rasen. Was ist hier los? Piept es nur in meinem
       Kopf? Überraschender Anfall von Schizophrenie ? Oder schlimmer? Gibt es
       vielleicht immer dann ein warnendes Piep, wenn das Leben endgültig zu Ende
       geht, von dem nur deshalb noch niemand berichtet hat, weil niemand mehr die
       Zeit dafür gefunden hat? Ich sitze aufrecht. Schweiß bricht aus. Die
       meisten Menschen sterben zwischen vier und fünf Uhr in der Nacht.
       
       ## Dieses Piep ist durchdringend
       
       Piep! Ich springe aus dem Bett. Ich falle über den Stapel Bücher am Bett,
       aus dem sicher kein Piep kommt. Ich humple in die Küche, sehe nach der
       Wanduhr, schleppe mich ins Wohnzimmer und betrachte misstrauisch Fernseher
       und Computer. Alle Displays schweigen mich schwarz an. Ich gehöre zu der
       Generation, die alle Stand-bys nachts ausschaltet. Wussten Sie, dass man
       ein komplettes Atomkraftwerk sparen könnte, wenn nur alle ihre Stand-bys
       ausschalteten?
       
       Piep! Ich sterbe eindeutig nicht, dazu schlägt mein Herz zu schnell. Dieses
       Piep ist durchdringend, aber keiner Quelle zuzuordnen. Ich warte bis zum
       nächsten Piep. Meine Füße werden kalt, meine Laune sinkt. Endlich! Piep! Es
       kommt von irgendwo in der Diele. Der Kleiderständer? Ich wühle in den
       Manteltaschen: Lippenstift, Taschentuch, ein Fünf-Euro-Schein, Kondome. Die
       können nicht …
       
       Piep! Mein Kopf fährt hoch, es knackt, ein höllischer Schmerz durchfährt
       meinen Nacken. Er mag keine abrupten Bewegungen. Über mir ist der
       Rauchmelder. Batteriebetrieben! In fast allen Bundesländern seit neuestem
       Pflicht. Die Höhe meiner Decken steht im reziproken Verhältnis zu meiner
       eigenen Höhe. Zwischen der Decke und mir, auf einem Stuhl mit
       ausgestreckten Armen nach oben, befinden sich locker noch zwanzig
       Zentimeter.
       
       Piep! Ich brülle los vor Wut. Es klingelt an meiner Wohnungstür. Ich öffne.
       Mein Nachbar von unten blinkt mich vorwurfsvoll an. Ob ich vielleicht einen
       Wecker gestellt hätte und ihn nicht hören würde? Mein Nachbar von unten hat
       eine italienische Mutter und einen japanischen Vater. Für jemanden mit
       Italo-Nippon-Genen ist er bestimmt groß, für einen Mitteleuropäer nicht.
       Gemeinsam versuchen wir mit einem Besen den Rauchmelder auszustellen. Das
       scheitert, weckt aber die beiden Kleinkinder in der Wohnung über mir.
       
       Mein Nachbar von nebenan erscheint und teilt uns mit, er habe eine alte
       Holzleiter im Keller, damit komme man locker an den Feuermelder. Alte
       Holzleitern sind schwer und unhandlich. Auf der zweiten Etage rutscht sie
       meinem Nachbarn aus der Hand, stürzt in die erste hinunter und verkeilt
       sich so zwischen Geländer und Wand, dass sie feststeckt. Der Freak aus dem
       Souterrain erscheint mit einem Kasten Bier in der Hand und will bei der
       Party mitmachen. Nach einer Stunde ist die Stimmung super. Wer es schafft,
       genau gemeinsam mit dem Rauchmelder zu piepen, darf eine Flasche auf Ex
       trinken.
       
       War ’ne absolut geile Party, meint der Freak aus dem Souterrain, als wir
       uns gegen sieben Uhr morgens endlich verabschieden, weil kein Tropfen
       Alkohol mehr im Haus aufzutreiben ist und der Anwalt von ganz oben in die
       Kanzlei muss. Rauchmelder! Ich bin dafür, dass sie bald auch in den
       restlichen Bundesländern Pflicht werden. Ich hol mir gleich heute noch
       einen.
       
       20 Feb 2014
       
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