# taz.de -- Pleite der „Münchner Abendzeitung“: Men in Black
       
       > Die „Münchner Abendzeitung“ hat Insolvenz angemeldet. Doch die
       > Mitarbeiter wollen nicht aufgeben. Jetzt wird ein Investor gesucht.
       
 (IMG) Bild: Vorwärts oder rückwärts? Die Abendzeitung sucht einen neuen Weg.
       
       BERLIN taz| Am Mittwochmorgen kamen die bösen Vorboten: Männer in schwarzen
       Anzügen, die durch das Verlagshaus stiefelten. Diese Szene kannten sie
       schon bei der Münchner Abendzeitung, sie wussten, dass sie nichts Gutes
       verhieß.
       
       Um kurz nach drei ging schließlich eine Meldung in eigener Sache online:
       „Die Abendzeitung hat Insolvenzantrag gestellt.“ Die Eigentümerin der
       Zeitung, die Verlegerfamilie Friedmann, „sieht sich nicht mehr in der Lage,
       weitere Mittel zur Verfügung zu stellen“, hieß es zur Begründung. 70
       Millionen Euro Verlust, die sich seit 2001 aufgetürmt haben, waren einfach
       zu viel.
       
       Eineinhalb Stunden vorher waren die Mitarbeiter in einer Versammlung über
       die desolate Lage informiert worden. Der Schock saß tief. Niemand hatte zu
       diesem Zeitpunkt damit gerechnet. „Wir sind sehr traurig, aber geben nicht
       auf“, beschreibt der stellvertretende Chefredakteur Georg Thanscheidt die
       Stimmung unter den Mitarbeitern. Also habe man sich in der Redaktion
       zusammengesetzt und eine gemeinsame Haltung entwickelt. Und die heiße:
       „Weiter machen.“
       
       Diese Losung gilt zunächst bis Ende Mai, solange können die Löhne der 110
       Mitarbeiter noch über das Insolvenzgeld bezahlt werden. Wie es danach
       weitergeht, ist unklar. Der vorläufige Insolvenzverwalter Axel Bierbach
       betont jedoch, „der Verlag hat rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt und
       damit gute Voraussetzungen für eine Fortführung geschaffen“. Nun werde ein
       Investor gesucht.
       
       Vor vier Jahren war die Familie des Gründers Werner Friedmann, die auch
       Anteile an der Süddeutschen Zeitung besitzt, schon einmal auf die Suche
       nach einem neuen Geldgeber gegangen. Damals wurden schließlich die
       Nürnberger Ausgabe der Abendzeitung und das zugehörige Anzeigenblatt
       verkauft, der Gesamtverkauf an einen größeren Verlag scheiterte schließlich
       am Kartellamt.
       
       ## Ein Viertel Stellen gestrichen
       
       Stattdessen wurden das Stammhaus in der Münchner Innenstadt und
       Beteiligungen an regionalen Radiostationen aufgegeben – und etwa ein
       Viertel der Stellen gestrichen. Seither gab es drei Sozialpläne, nur noch
       50 Redakteure produzieren die täglichen Ausgaben. Geholfen haben sie
       angesichts der jetzigen Situation nicht.
       
       Denn die Probleme, der Abendzeitung sind tiefgreifend – und symptomatisch
       für die ganze Tageszeitungsbranche: schwindende Auflage, sinkendes
       Anzeigengeschäft und zu hohe Ausgaben. Im Haus heißt es, die Druckerei habe
       dem Verlag einen „Knebelvertrag“ aufgedrückt, der seit Jahren „völlig
       überhöhte Druckkosten“ verursache.
       
       Gleichzeitig brach die Auflage regelrecht ein. Bis zu 300.000 Exemplare
       verkaufte die Abendzeitung in den 1960er und 70er Jahren, zuletzt waren es
       noch 106.000. So sammelten sich in den letzten Jahren jeweils rund acht
       Millionen Euro Verlust.
       
       Man hätte früher ein Schlussstrich ziehen müssen, sagt daher auch der
       Verleger Johannes Friedmann im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung:
       „Goldene Zeiten waren das seither nie. Mit Ach und Krach kamen wir über die
       Runden.“ Angesichts der hoffnungslosen Perspektive, habe man sich nach
       ausführlicher Abwägung dazu entschieden, nun die Insolvenz zu beantragen.
       
       ## Hoffen auf einen Investor
       
       Für den Fortbestand der Zeitung müsse man auf einen Investor hoffen – oder
       auf eine Sanierungsfusion nach Vorbild der Frankfurter Rundschau und der
       Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dafür kämen der Verleger der
       Konkurrenzblätter tz und Münchner Merkur, Dirk Ippen, oder der Süddeutsche
       Verlag in Frage. Dieser zeige jedoch kein Interesse, sagte Friedmann.
       
       Auf dem Zeitungsmarkt kämpften schon seit Jahrzehnten fünf Münchner
       Tageszeitungen um Leser: die Abendzeitung, die Boulevardzeitung tz, die
       Regionalausgabe der Bild-Zeitung, der Münchner Merkur und die Süddeutsche
       Zeitung.
       
       Irgendwo dazwischen positioniert sich seit 66 Jahren die Abendzeitung, als
       niveauvolle Boulevardzeitung, mit scharfzüngiger Analyse des Münchner
       Politik- und Gesellschaftsbetriebs. Ihre Hochzeit hatte sie in den 1970er
       und 80er Jahren, als die Kolumnisten Sigi Sommer und Michael Graeter das
       Bild der Münchner Schickeria prägten und selbst zu lokalen Legenden wurden.
       Helmut Dietl widmete ihnen eine ganze Serie, „Kir Royal“, in der er das
       Treiben in und um die Abendzeitung persiflierte. Doch diese Zeiten scheinen
       nun endgültig vorbei zu sein.
       
       Daran will man bei der Abendzeitung nicht glauben, man sei noch immer „eine
       Marke in München“, die Hoffnung auf einen Investor überwiegt auch am Tag
       danach. Vielleicht hilft dabei auch der Zuspruch der Konkurrenz.
       
       Solidarisch, beinahe zärtlich berichten andere über die siechende
       Abendzeitung und schwelgen in den goldenen Zeiten des Boulevards. Sicher
       aus tiefempfundenem Mitleid mit den Kollegen, vielleicht aus tiefsitzender
       Angst vor der eigenen Zukunft. Oder aus Sehnsucht nach einer Zeit, in der
       Zeitungen Gesellschaften prägten – nicht Männer in schwarzen Anzügen.
       
       6 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lan-Na Grosse
       
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