# taz.de -- Bildungsmesse Didacta: Zielgruppe Schüler
       
       > Werbung ist an Schulen verboten. Dennoch gibt es Dienstleister, die sich
       > genau darauf spezialisiert haben.
       
 (IMG) Bild: Aufgemerkt! Lobbyisten versuchen, dass Werbeverbot an Schulen zu umgehen.
       
       STUTTGART taz | Das Schwein hat Schwein gehabt. Es hat noch seinen
       Ringelschwanz. Auf dem kostenlosen Info-Plakat für Grundschulen sieht das
       künftige Schulessen aus Massentierhaltung rundum rosig aus. Natürlich - die
       Plakate werden vom gemeinnützigen Verein information.medien.agrar, kurz
       i.m.a. herausgegeben, hinter dem die Landesbauernverbände stehen.
       
       Die Lobbyisten haben die Schulen für sich entdeckt. Dort sitzen die
       künftigen Konsumenten, noch gutgläubig und leicht beeinflussbar. Blöd nur:
       Werbung ist an Schulen verboten. Aber das lässt sich umgehen. Es gibt
       Dienstleister und Verbände wie die i.m.a., die sich darauf spezialisiert
       haben, die Botschaften ihrer Kunden mit Wettbewerben, Workshops und
       Unterrichtsmaterialien in die Schulen zu tragen. Bildungskommunikation
       nennen sie es.
       
       Die Didacta, die größte Bildungsmesse Europas, die derzeit in Stuttgart
       stattfindet, ist ein ideales Kommunikationsfeld. Hier ziehen die
       Multiplikatoren zu tausenden mit ihren Rollkoffern durch die Hallen:
       Referendare, Lehrerinnen, Eltern und Schüler.
       
       ## 
       
       Und Felix Kamella. Der junge Mann mit den roten Haaren und dem kräftigen
       Händedruck ist seit drei Jahren die Einmann-Abteilung für Lobbyismus an
       Schulen beim Verein Lobby-Control. "Viele wissen gar nicht, dass es
       Lobbyismus an Schulen gibt. Häufig wird er auch nicht als solcher
       wahrgenommen." Und so ist Kamella mit der taz an diesem Donnerstag auf
       Lobbyismus-Rundgang .
       
       Ein eher unauffälliger Türöffner für Unternehmen ist die Klett-Mint GmbH,
       eine Tochterfirma der Klett-Gruppe, die ihren Kunden verspricht: „Wir
       bieten Ihnen einen exzellenten Zugang in die Schulen. Profitieren Sie von
       der Marke Klett.“ Am Stand von Klett-Mint liegt auch die Zeitschrift
       life+science aus. Sie richtet sich an Gymnasiasten ab Klasse 10. „Mit
       relevanten Themen fürs Abi, die sind in Extra-Boxen farbig abgesetzt“, gibt
       eine bebrillte junge Frau in Kostüm gern Auskunft. Praktisch auch: direkt
       neben einem Artikel zu Dualen Studiengängen stehen Anzeigen für Duale
       Studiengänge von Aldi-Süd und Lidl. Da muss der Schüler also nicht lange
       nach den relevanten Inhalten blättern. Ein Klassensatz à 25 Hefte kann
       kostenlos bestellt werden - „Wenn Sie wollen können Sie auch zwei oder drei
       Klassensätze nehmen.“
       
       Am Stand von „Genius. Die junge WissensCommunity“ macht die Daimler AG
       hingegen kein Geheimnis aus ihren Schulaktivitäten. „Die Bildungsinitiative
       von Daimler zielt darauf ab, Kinder so früh wie möglich an Technik
       heranzuführen“, erklärt ein smarter junger Mann. „Kommen Sie doch mal zu
       einem unserer Schülerworkshops in unsere Niederlassung.“
       
       ## 
       
       Ein kleines Gewinnspiel winkt am Stand der Stiftung Jugend+Bildung. Auf
       einem Kärtchen kann angekreuzt werden, wie viele Unterrichtsmaterialien die
       Stiftung kostenlos anbietet. Mhm, 30? „Natürlich viel, viel mehr“, verrät
       die junge blonde Frau im schwarzen Sakko der unbedarften Teilnehmerin. 600
       sind es, darunter „Hoch im Kurs“ ein Medienpaket über die Finanzwelt in
       Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Investment und Asset Management.
       
       Damit das alles nicht zu platt daherkommt - zur Erinnerung: Werbung an
       Schulen ist verboten - empfiehlt die Agentur für Bildungskommunikation
       Capito in einem [1][to-do-Video] stets einen pädagogischen Beirat
       einzusetzen, der für die Qualitätssicherung bürgt. „Ich weiß gar nicht, wie
       oft wir schon eingeladen wurden, diesen Beiräten beizutreten“, sagt
       Kamella.
       
       Am Stand der Capito AG liegen eine Vielzahl pädagogisch geprüfter
       Arbeitshefte, zum Beispiel zum Thema Wasser heraus,. Darin erfährt die
       junge Leserschaft, dass Volvic, der Medienpartner, des Heftes , schon 122
       Brunnen in Äthiopien finanziert hat. Edel. Auch diese Hefte sind gratis,
       aber nur für die Schüler, erklärt Standbetreuerin Laura Grimm. Die
       Auftraggeber bezahlen natürlich, aber wieviel, das könne sie natürlich
       nicht verraten „Sie wissen ja ...“
       
       Es gehe ihnen nicht darum, die Materialien zu verbieten, aber es müsse viel
       transparenter sein, wer sie wie finanziert, sagt Lobby-Kontrolleur Kamella.
       „Wenn man die Motive der Auftraggeber kennt, kann man sich auch damit
       auseinandersetzen.“
       
       Stanbetreuerin Laura Grimm von der Capito AG widerspricht. Primär gehe es
       um Wissensvermittlung, erläutert sie. Neben ihrem Job in der Agentur
       studiert sie Lehramt. Demnächst wird sie ihr Referendariat antreten. Die
       Lehrmaterialien hat sie ja schon.
       
       28 Mar 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=yt1rZgy3VYg&sns=em
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schule
 (DIR) Lobbyarbeit
 (DIR) Lobbyismus
 (DIR) Lobbyisten
 (DIR) Bildung
 (DIR) Banken
 (DIR) Ernährung
 (DIR) Ernährung
 (DIR) Pisa-Studie
 (DIR) Lobbyismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Aufklärung über krumme Bankgeschäfte: Hände weg vom Sparkonto!
       
       SchülerInnen sollen über die Geschäfte ihrer Bank Bescheid wissen. Zwei
       Lehrerinnen haben dazu kritische Unterrichtsmaterialien erstellt.
       
 (DIR) Lieferanten-Check für Schulessen: Kinder sollen besser essen
       
       Ernährungsminister Christian Schmidt will Qualitätsstandards für
       Mittagessen in Kitas und Schulen bekannter machen. Kritiker bleiben
       skeptisch.
       
 (DIR) Studie über Schulessen: Fleisch ist ihr Gemüse
       
       Laut einer Untersuchung für das Ernährungsministerium kommt bei der
       Schulverpflegung zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse vor. Den Schülern
       schmeckt's.
       
 (DIR) Pisa-Test über kreative Problemlösung: Zu doof für den Alltag
       
       Möbel suchen, Knöpfe finden, Tickets kaufen: Bei kniffligen Aufgaben sind
       deutsche Schüler Mittelmaß. Gut schneiden dagegen asiatische Länder ab.
       
 (DIR) Lobbyismus in der Schule: Kontakt zum Kunden von morgen
       
       Drei Viertel aller großen Unternehmen produzieren Materialien, die im
       Unterricht benutzt werden. So lassen sich Lehrer und Schüler beeinflussen.
       
 (DIR) Gentrifizierung in Kreuzberg: Schulen in der Ethnofalle
       
       Gut verdienende Zuzügler verändern die Mischung an den Grundschulen in der
       Innenstadt. Davon profitieren viele Schulen, aber längst nicht alle Kinder.
       
 (DIR) Bundeswehr macht Schule: Werbung für die Waffe
       
       Gewerkschafter, Menschenrechtler und Grüne protestieren gegen
       Werbeveranstaltungen der Bundeswehr in Schleswig-Holsteins Schulen. Die
       Armee bestreitet, dass sie im Klassenzimmer rekrutiert.