# taz.de -- Debatte Geldwäsche: Paladin des globalen Finanzbusiness
       
       > Geldwäsche wurde als Mitursache der europäischen Finanzkrise genannt –
       > das war praktisch. Bekämpfen wollen sie alle, heißt es. Wie, ist
       > umstritten.
       
 (IMG) Bild: Der Begriff der „Geldwäsche“ kommt aus den USA – dank Al Capone.
       
       Nicht mehr lange, dann werden die Staaten der EU sich daranmachen müssen,
       ihre nationalen Vorschriften in Sachen Geldwäsche anzugleichen. Denn am 11.
       März dieses Jahres hat das Europaparlament eine Vorlage beschlossen, mit
       der die entsprechende Gesetzgebung auf eine neue Grundlage gestellt werden
       soll.
       
       Der Text enthält wichtige Neuerungen – so zum Beispiel die Einführung von
       EU-Registern der beneficial owners, also der tatsächlichen Endeigentümer
       von Unternehmen und Trusts. Die definitive Fassung soll noch im Sommer vom
       Ende Mai neu gewählten Parlament mit dem Ministerrat und der Europäischen
       Kommission ausgehandelt werden.
       
       Heute kommt einem der Begriff Geldwäsche leicht über die Lippen. Und doch
       ist dessen juristische Definition gerade mal 25 Jahre alt. Der Wort selbst
       ist die Übersetzung von money laundering, das zum ersten Mal in den 1920er
       Jahren in den USA auftauchte. Die US-Polizei beschrieb damit die Methode
       der organisierten Kriminalität, Geld aus dem Alkoholschmuggel in die legale
       Wirtschaft einzuschleusen. Es war der berüchtigte Al Capone, der dabei
       tatsächlich auf Waschsalons setzte (launderettes), indem er weit höhere
       Einnahmen deklarierte, als die Wäschereien tatsächlich hergaben, um so das
       illegale Geld zu legalisieren.
       
       In einem juristischen Kontext taucht der Begriff dann erst 1982 auf, und
       zwar in einem US-Urteil im Zusammenhang mit den Erträgen kolumbianischer
       Drogenhändler. Dann dauerte es noch einmal bis zum Ende der 80er Jahre, bis
       das Vergehen Geldwäsche offiziell ins internationale Recht aufgenommen
       wurde – vor allem, um den Drogenhandel zu bekämpfen. Man war
       daraufgekommen, dass die Verfolgung der Dealer wie der Konsumenten nur zu
       unbefriedigenden Ergebnissen führte. In Ergänzung dieses war on drugs
       versuchte man, die ökonomische Macht der kriminellen Organisationen zu
       attackieren. Denn hier, beim Einschleusen der illegalen Gewinne in die
       Realwirtschaft, schien die Achillesferse der Kartelle zu liegen.
       
       ## Vorsorge als beste Medizin
       
       In Deutschland gibt es den Straftatbestand Geldwäsche erst seit 1992, seit
       dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer
       Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“. Dem Gesetzgeber ging es
       also zunächst vor allem darum, die organisierte Kriminalität zu treffen.
       Zudem kam man darauf, dass Vorsorge immer die beste Medizin ist. Warum soll
       man darauf warten, bis man Kriminelle tatsächlich der Geldwäsche überführen
       kann, wenn man es gar nicht so weit kommen zu lassen braucht, dass das
       schmutzige Geld in die legale Wirtschaft fließt? Man wollte also
       Finanztransaktionen überwachen und verdächtige Guthaben einfrieren.
       
       1990 beschlossen die G7 und andere Industriestaaten die Gründung der
       Financial Action Task Force (FATF) unter der Führung der OECD, mit der
       Aufgabe, internationale Standards zu entwickeln, die das Einsickern von
       illegal erwirtschaftetem Kapital in die globale Wirtschaft verhindern
       sollten.
       
       Die Schlüsselbegriffe sind dabei Prävention und Lokalisierung des Risikos,
       also die Analyse, in welchen Bereichen der Wirtschaft die größte Gefahr
       besteht, dass schmutziges Geld gewaschen wird – zum Beispiel im Goldhandel
       und bei Versicherungen, bei Banken und mithilfe von Anwälten und
       Steuerberatern. Sie haben die Verpflichtung, Informationen über ihre Kunden
       zu sammeln und den staatlichen Institutionen jede verdächtige Operation zu
       melden. Seit 1990 haben mehr als 95 Prozent aller Staaten diese
       Antigeldwäschestandards übernommen (aber nicht der Iran und Nordkorea).
       Dass sie zu einem entscheidenden Element in den internationalen
       Wirtschaftsbeziehungen geworden sind, liegt allerdings vor allem an der
       Macht der FATF – demokratisch legitimiert ist sie nicht.
       
       Seitdem ist der Kampf gegen den Drogenhandel in den Hintergrund gerückt.
       Auf der Agenda der FATF, der EU und der Nationalstaaten steht nun der
       Schutz des internationalen Finanzsystems. Ziel sei es, hat die
       EU-Kommission zuletzt definiert, „den Binnenmarkt durch Abbau
       grenzübergreifender Hindernisse zu stärken, die Interessen der Gesellschaft
       vor Kriminalität und terroristischen Handlungen zu schützen, den
       wirtschaftlichen Wohlstand der Europäischen Union durch Gewährleistung
       effizienter Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu erhalten und durch den
       Schutz der Solidität, der reibungslosen Funktionsweise und der Integrität
       des Finanzsystems zur Finanzstabilität beizutragen“.
       
       ## Geldwäsche als Auslöser der Krise
       
       Unter dem Druck der westlichen Staaten ist die Antigeldwäschegesetzgebung
       zum Paladin des globalen Finanzbusiness geworden. Sie soll nun Front machen
       gegen Risikofaktoren einer Destabilisierung der Weltwirtschaft wie die
       Finanzierung des Terrorismus, Korruption und Steuerparadiese. Um die immer
       härtere Gesetzgebung zu legitimieren, wurde die Geldwäsche zum Mitauslöser
       der europäischen Finanzkrise erklärt und zum Hindernis eines nachhaltigen
       Wachstums der Entwicklungsländer. Das war praktisch, konnte man die
       Öffentlichkeit so doch gut von den anderen Auslösern der Krise ablenken.
       
       Und während die Regierungen sich immer neue Regelungen ausdenken, um mit
       den Methoden der Geldwäscher Schritt zu halten, sagen Kritiker, die
       existierenden Gesetze würden völlig ausreichen, wenn sie denn korrekt
       angewendet würden. Das bestätigt auch die OECD in ihrem letzten Bericht zum
       Thema: Die meisten Mitgliedsländer hätten die existierenden Normen noch
       nicht vollständig in ihre Gesetzgebung integriert.
       
       Hinzu kommt: Geldwäsche ist ein globalisiertes Geschäft. Verschärft ein
       Land die Gesetzgebung, verlagert sich die kriminelle Aktivität eben
       dorthin, wo weniger überwacht wird, nicht zuletzt in den Cyberspace. Der
       riesige Apparat der Prävention muss ständig gepflegt und auf den neuesten
       Stand gebracht werden. Diese Kosten werden an den Bürger weitergereicht.
       Bevor man also immer neue Maßnahmen erdenkt, wäre eine echte
       Kosten-Nutzen-Rechnung angebracht.
       
       Das beste Beispiel dafür, dass es Gesetze allein nicht richten, sondern
       dass die Krux in ihrer tatsächlichen Anwendung liegt, ist der Umgang mit
       den sogenannten PEPs (politisch exponierten Personen), die verstärkten
       Sorgfaltspflichten unterliegen, wenn mit ihnen Geschäftsbeziehungen
       eingegangen werden. Das Problem: Bevor diese Personen als PEPs definiert
       werden, haben sie schon längst ihre heimischen Staaten ausgeraubt und das
       Geld nach Westeuropa transferiert. So wurden die Konten von Janukowitsch in
       der Schweiz und in Österreich erst dann eingefroren, als die Ereignisse in
       der Ukraine seine Herrschaft schon delegitimiert hatten.
       
       ## Hürden zur Beschlagnahmung sind zu hoch
       
       Was die Beschlagnahmung von Guthaben angeht, hat der Bundestag am 21.
       Februar dieses Jahres mit dem Gesetz zur Erweiterung des Straftatbestandes
       der Abgeordnetenbestechung ein ermutigendes Zeichen gesetzt. Denn damit hat
       sich Deutschland für eine Ratifizierung der UNO-Konvention gegen Korruption
       (UNCAC) geöffnet. Sollte Deutschland ihr beitreten, müsste das Land auch
       seine Gesetzgebung zur Vermögensabschöpfung einer Revision unterziehen. Und
       ein Blick nach Italien lehrt die Schlagkraft dieser Maßnahme gegen mafiöse
       Vereinigungen. Solange die Hürden zur Beschlagnahme so hoch sind wie
       bisher, bleibt das Instrument aber unter seinen Möglichkeiten.
       
       Mit am meisten wird an der bisherigen Antigeldwäschegesetzgebung die
       Unfähigkeit – beziehungsweise der fehlende Wille – kritisiert, die wirklich
       großen Fische ins Netz zu kriegen. Noch immer sei es zu leicht, die wahre
       Identität bei Finanztransaktionen zu verschleiern. Sollte die EU hier eine
       neue Direktive so beschließen wie am 11. März vorformuliert, wäre das eine
       Wende: Die Verpflichtung, die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten
       hinter jeder juristischen Person zu benennen, sie öffentlich zu machen und
       damit den internationalen Abgleich dieser Daten zu ermöglichen, wäre ein
       echtes Zeichen des politischen Willens, die anonymen Zonen des großen
       Geldes auszuleuchten.
       
       Die Verantwortung liegt bei den Wählern, bei den Abgeordneten und bei der
       Europäischen Kommission. Den Vorsitz hat dort zum Zeitpunkt der
       Entscheidung Italien. Die Hoffnung ist, dass das Land, in dem die Mafia ein
       nicht wegzudiskutierendes Problem darstellt, auch dafür sorgen wird, dass
       wirkliche Fortschritte erzielt werden – und zwar im ursprünglichen Sinn:
       Kampf gegen die Anhäufung illegaler Vermögen, unter Berücksichtigung der
       Privatsphäre Unbescholtener – und nicht die unkontrollierte
       Datenabschöpfung und die Kontrolle des krisenhaften globalen Finanzsystems.
       
       Aus dem Italienischen von Ambros Waibel
       
       6 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Verena Zoppei
       
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