# taz.de -- Berliner Szenen: Kaffee ohne E.
       
       > Unter der Hobrechtbrücke fahren die Ausflugsschiffe vorbei, eins, zwei,
       > drei, vier, fünf Stück. Dieses Mal sitze ich allein hier.
       
 (IMG) Bild: Unter der Hobrechtbrücke.
       
       An einem Apriltag, der sich anfühlt wie ein Junitag, sitze ich neben der
       Hobrechtbrücke. Unten am Ufer, dort, wo ich auch mit E. saß, an einem
       Februartag, der sich anfühlte wie ein Apriltag, als wir noch reden konnten.
       Ich fummelte damals die Rinde von einem Ast, minutenlang, bis er ganz
       trocken und hell war, wie ein Essstäbchen. E. ist nicht mehr da, sie ist
       lieber gegangen, als einen Ausweg aus dem Schweigen zu suchen. Also sitze
       ich dieses Mal allein neben der Brücke, mit einem Kaffee, der schon beim
       Kauf so lauwarm war, dass E. ihn niemals ausgetrunken hätte. Das hätte ich
       dann für sie getan.
       
       Fünf Ausflugsschiffe fahren vorbei. Auf dem ersten erzählt der Ansager, in
       einer Zeitung habe gestanden, dass, wenn sich auf dieser Brücke drei Leute
       treffen, zwei davon Kreative sind. Auf dem zweiten geht es um die
       stadtplanerischen Leistungen von James Hobrecht. Das dritte Schiff
       schweigt, das vierte spricht englisch, aber der Sprecher nuschelt und seine
       Stimmfarbe ist so nah am Bordmotorengeräusch, dass nur ein paar mal
       „Bridge“ durchkommt. Das fünfte Boot sagt wieder nichts, dafür serviert die
       Kellnerin mit Hasenohren.
       
       Danach fahre ich in den Treptower Park. D. hat zum Grillen geladen, neben
       der Kita am Karpfenteich, die natürlich niemand kennt, und ich hole F., die
       seit einer Stunde mit einer Quiche Lorraine durch den Park irrt, am
       Sowjetischen Ehrenmal ab. Wir essen Fleisch und trinken Sekt. Noch später
       fahre ich mit dem Fahrrad bis nach Köpenick. Auf dem Rückweg gibt es ein
       halbhimmelfüllendes Abendrot, mehr als eine Viertelstunde lang, und im
       Teltowkanal sehe ich einen Biber. Diesmal bin ich mir ganz sicher, dass es
       einer ist.
       
       Den Essstäbchen-Ast klaute sich die Katze noch am gleichen Februartag zum
       Spielen und verschwand damit. Wenn ich ihn irgendwann in meiner Wohnung
       wiederfinde, werde ich traurig sein.
       
       30 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Brake
       
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