# taz.de -- Die Wahrheit: Kampfsportart Bridge
       
       > Das traditionsreiche englische Spiel Bridge ist nichts für zart
       > Besaitete, denn es fliegen nicht nur Karten, sondern auch die Fetzen.
       
 (IMG) Bild: Leichtgewicht-Weltmeister von 2015: Frank Stäbler (r.).
       
       Beim Kartenspiel Bridge denkt man an gesittete englische Pensionäre, die
       bei Sahnetörtchen und Tee mit Milch ihrem harmlosen Hobby nachgehen. Weit
       gefehlt! Bridge ist ein Kampfsport, bei dem es nicht zimperlich zugeht. Die
       Liste der Zwischenfälle enthält Fluchen, Aggressionen, Einschüchterung
       unerfahrener Spieler, Wutausbrüche, Psychoterror. Endlich hat der
       schottische Verband eingegriffen und Benimmregeln aufgestellt: „Besseres
       Benehmen beim Bridge.“
       
       Liz McGowan, die Vorsitzende des Verbands, beklagt, dass Neulinge vom
       unsportlichen Verhalten der alten Hasen abgeschreckt würden. „Viele
       beginnen mit Bridge erst nach der Pensionierung“, sagt sie, „während die
       früheren Generationen oft schon als Studenten angefangen haben. Die älteren
       Neulinge brauchen eben ein wenig länger, bis sie das Spiel kapieren, da
       sollten die John McEnroes der Bridge-Welt nicht wutentbrannt über sie
       herfallen.“
       
       Das Spiel soll während des Krimkrieges Mitte des 19. Jahrhunderts von
       englischen Soldaten erfunden worden sein. Die Grundregeln sind schnell
       erklärt, aber man benötigt Erfahrung, um Bridge wirklich zu beherrschen.
       Gespielt wird zu viert, die beiden gegenübersitzenden Spieler bilden ein
       Team. Ziel ist es, möglichst viele Stiche zu machen – allerdings nicht zu
       viele. Denn vor Spielbeginn wird in einer Art Versteigerung ermittelt,
       welche Farbe Trumpf ist und welches Team wie viele Stiche machen muss.
       Hauptziel ist es, die vorher angesagte Stichzahl zu erreichen.
       
       Besonderes explosiv ist die Situation, wenn sich Ehepartner
       gegenübersitzen. Womöglich bekriegen sie sich seit Jahren zu Hause und
       müssen nun den Schein wahren und Teamgeist zeigen. Manchmal geht das
       schief. Als die Bennetts gegen die Hofmanns 1929 eine Partie Bridge im
       US-Staat Arkansas spielten, patzte John Bennett in der entscheidenden
       Phase, was seine Frau Myrtle derart aufregte, dass sie ihn als
       „Arschgesicht“ beschimpfte.
       
       Daraufhin ohrfeigte John Bennett seine Frau. „Nur ein räudiger Hund würde
       seine Frau vor Gästen schlagen“, sagte sie und erschoss ihren Mann vor den
       Gästen. Die Geschworenen sprachen sie frei – offenbar alles Bridge-Spieler,
       die meinten, dass John Bennett aufgrund seines miserablen Spiels den Tod
       verdient hatte. Ein gewisser Ely Culbertson nutzte den Prozess für eigene
       Zwecke.
       
       Er hatte eine Theorie entwickelt, wie man beim Bridge gewinnt, und
       veröffentlichte das angebliche Todesblatt in einer Zeitschrift, obwohl sich
       niemand an die Verteilung der Karten erinnern konnte. Er behauptete, dass
       Bennett noch am Leben wäre, wenn er nach dem Culbertson-System gespielt
       hätte. Das Interesse an dem Artikel war groß, und mit seinen Lesungen
       machte Culbertson ein Vermögen.
       
       Das Internationale Olympische Komitee hat Bridge übrigens als Sport
       anerkannt, aber das englische Finanzamt lässt das nicht gelten: Zu wenig
       physische Aktivität, hieß es. Also ist bei Turnieren Mehrwertsteuer fällig.
       In Anbetracht der Bridge-Kampfsportler sollte man diese Entscheidung
       überdenken.
       
       4 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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