# taz.de -- Die Wahrheit: Duden statt Kreissäge
       
       > Auf Bewertungsportalen beklagen sich die sonst so zurückhaltenden
       > Engländer vehement über Wirte und Hoteliers. Nicht alle Gastronomen
       > nehmen das hin.
       
 (IMG) Bild: Er besprach Essen, das Kochen überließ er meist anderen: Wolfram Siebeck, 2009
       
       Manchmal geht es nicht anders. Wenn man im Ausland lebt und zum Beispiel
       ein deutsches Buch benötigt, muss man bisweilen auf Steuern hinterziehende
       Internet-Versandhäuser zurückgreifen. Das ist recht einfach, geht schnell
       und ist obendrein meist preiswert. Die eigentliche Arbeit beginnt
       hinterher. Hat man das Produkt erhalten, so wird man nach einer bestimmten
       Frist aufgefordert, doch endlich den Verkäufer zu bewerten. Man tut es,
       damit diese Erinnerungsmails endlich aufhören. Aber sie hören nicht auf.
       
       Nun will das Versandhaus, dass man auch noch das erworbene Produkt
       rezensiert. Davon würden schließlich alle profitieren. Wirklich? „Leichter
       hand habung auch für frauen .kann mann jedern endfehlen der das kaufen
       möchte.hat auch ein hochen Säge schniet supper.“ Ist diese Beschreibung
       einer Kreissäge hilfreich, oder wünscht man sich, die Kundin hätte
       stattdessen einen Duden gekauft?
       
       Bei TripAdvisor hingegen kommt der miese Charakter vieler Menschen ans
       Licht. Wo früher seriöse Hotel- und Restaurantkritiker mit ihrem Namen
       faire Bewertungen garantierten, können heutzutage Hinz und Kunz über Gedeih
       und Verderb eines Etablissements entscheiden. Oft hat man den Verdacht,
       dass die Konkurrenz beim Rufmord ihre Hände im Spiel hat. Einer alten Dame,
       die eine kleine Pension in Südengland betrieb, wurde beschieden, ihr
       Abendessen sei ungenießbar und in den Schlafzimmern trieben sich Katzen
       herum. Die Frau hatte nie Abendessen angeboten, und gegen Katzen ist sie
       allergisch. Kurz vor der vernichtenden Kritik hatte in der Nachbarschaft
       eine andere Pension eröffnet.
       
       Manche kritisieren aus purer Bosheit. Der zurückhaltende Engländer, der im
       Restaurant den ungenießbarsten Fraß auf Nachfrage des Kellners mit „lovely“
       quittiert, wird zur giftspeienden Natter, wenn er im Internet jemanden
       anonym und in Großbuchstaben zur Schnecke machen kann. „SIE BEHANDELN
       ENGLÄNDER WIE AUSLÄNDER“, nörgelte einer über ein Restaurant in Portugal,
       wo Engländer nun mal Ausländer sind. Der Journalist Alex Proud bezeichnete
       TripAdvisor als „Demokratie für Idioten“.
       
       Diese Idioten haben aber große Macht. Sinkt die durchschnittliche Bewertung
       eines Hotels oder Restaurants um einen halben Stern, macht sich das bei den
       Buchungen bemerkbar. Erstaunlich viele Gäste versuchen es deshalb mit
       Erpressung: Sie verlangen großzügigen Rabatt, sonst gebe es geharnischte
       Kritiken auf TripAdvisor. Einem Hotelier, der auf die Erpressungsversuche
       seiner Gäste nicht eingegangen war und sich deshalb eine unterirdische
       Bewertung einhandelte, platzte der Kragen. Alex Scrivenor, Hotelier im
       schottischen Callander, tobte in seiner Antwort auf TripAdvisor, die Gäste
       hätten eine Wand demoliert, im betrunkenen Zustand andere Gäste belästigt
       und sich aus dem Staub gemacht, ohne die Rechnung zu bezahlen. „Ihr habt
       mich fertiggemacht“, warf er ihnen vor. „Ich war lange in Therapie, um
       meine Wutausbrüche unter Kontrolle zu bringen. Jetzt muss ich wieder von
       vorne anfangen.“
       
       18 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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