# taz.de -- Mythen über die EU: Nicht immer der Bösewicht
       
       > Keine Grauhörnchen, keine Krummgurken, keine alten Kartoffelsorten: Sechs
       > Legenden über EU-Regulierungswut und was an ihnen dran ist.
       
 (IMG) Bild: Brüssel? Gurke.
       
       BERLIN taz | Die EU ist nicht für alles verantwortlich, das ihr in die
       Schuhe geschoben wird. Viele Berichte und Gerüchte über angebliche oder
       angeblich neue EU-Gesetze sind völlig oder zumindest teilweise falsch: Da
       merken die Autoren nicht, dass das, was die EU als Plan vorstellt, in
       Deutschland schon lange gilt. Oder sie übersehen, dass nicht die
       EU-Kommission, sondern die Bundesregierung dahintersteckt. Oder sie haben
       nicht mitbekommen, dass ehemalige EU-Normen schon lange außer Kraft sind.
       Hier ein paar der größten Falschmeldungen über Pläne aus Brüssel:
       
       1. „Die EU-Kommission ist schuld daran, dass demnächst der Gentechnik-Mais
       1507 in Europa angebaut werden darf.“ 
       
       Mit dieser Behauptung schieben manche CDU-Politiker die Verantwortung nach
       Brüssel. In Wirklichkeit verzögerte die Kommission die Zulassung
       geschlagene 12 Jahre, bis sie 2013 vom Gericht der Europäischen Union dazu
       verdonnert wurde, den Mitgliedsstaaten den Antrag zur Abstimmung
       vorzulegen. Die Bundesregierung hätte im EU-Rat im Februar dieses Jahres
       dagegen stimmen und auch andere Länder dazu bewegen können. Stattdessen
       enthielt sie sich, was wegen des Abstimmungsprozederes wie ein „Ja“ wirkt.
       Kanzlerin Angela Merkel (ja, CDU) wollte das so. Deswegen kam keine
       Mehrheit gegen den Mais zustande. Nun muss die Kommission die Pflanze
       zulassen, wenn sie sich an die Gesetze halten will.
       
       2. „Die EU will den Import von sogenannten invasiven Tier- und
       Pflanzenarten bestrafen, die angeblich Schäden in Europa anrichten.“ 
       
       Das berichteten mehrere deutsche Medien Ende März. In der Tat hat das
       Europäische Parlament entsprechenden Plänen der EU-Kommission zugestimmt.
       Nur: Neu wären derartige Strafen keineswegs. Das Bundes-Naturschutzgesetz
       sieht schon seit Jahren Bußgelder von bis zu 10.000 Euro für all diejenigen
       vor, die sich dabei erwischen lassen, wie sie ohne Genehmigung eine
       „gebietsfremde“ Art in Deutschlands freier Wildbahn ausbringen.
       
       3. „Die EU-Kommission will verbieten, dass Privatleute im Garten alte und
       seltene Pflanzensorten anbauen.“ 
       
       Diese Meldung löste vor einem Jahr einen gewaltigen Proteststurm im
       Internet aus. Dem Gesetzentwurf der EU-Kommission zufolge sollte aber nur
       „professionellen“ Landwirten und Gärtnereien untersagt werden, von den
       Behörden nicht zugelassene Sorten weiterzugeben. Und auch das ist wiederum
       zumindest in Deutschland nichts Neues: Das hiesige Saatgutverkehrsgesetz
       verbietet das schon lange – anders als etwa das in Österreich, was viele
       Aktivisten in der Bundesrepublik übersahen: Sie droschen mit falschen
       Argumenten auf „die EU“ ein. Mit Erfolg: Die ganze Saatgutnovelle
       scheiterte Anfang des Jahres im EU-Parlament.
       
       4. „Die EU schreibt sogar vor, wie stark Gurken gekrümmt sein dürfen.“ 
       
       Tatsächlich hat die EU 1988 in einer Verordnung Güteklassen für Gurken
       festgelegt. Ein Kriterium war die Krümmung. Offiziell durften krummere
       Gurken immer verkauft werden, aber die großen Handelsketten akzeptierten in
       der Praxis nur die Güteklassen mit geringer Krümmung. 2009 hob die EU die
       speziellen Vermarktungsnormen für Gurken und 25 andere Gemüse- oder
       Obstarten auf. Trotzdem bleibt die Gurkenverordnung auch fünf Jahre später
       eines der beliebtesten Symbole für den angeblich überbordenden
       Regulierungswahn der EU – sogar in manchen taz-Artikeln. Daran mag auch die
       alltägliche Erfahrung ihren Anteil haben: Viele Handelsketten wollen auch
       ohne Gesetz keine krumme Gurken, denn die lassen sich einfach schlechter
       verpacken.
       
       5. „Die EU hat hinter verschlossenen Türen die Glühbirne verboten.“ 
       
       Ja, die EU hat 2008 beschlossen, den Verkauf stromfressender Glühbirnen zu
       untersagen. Aber das war keine Idee der „Eurokraten“ in Brüssel, sondern
       eine der Bundesregierung: Im März 2007 forderte der damalige Umweltminister
       Sigmar Gabriel (SPD) in einem Brief an die Kommission, „dass anspruchsvolle
       Effizienzkriterien für Lampen eingeführt werden, die durch herkömmliche
       Glühbirnen nicht mehr eingehalten werden können“. Und heimlich geschah das
       keinesfalls. Neben den Mitgliedstaaten war auch das Europäische Parlament
       eingebunden: Der Industrieausschuss forderte sogar ausdrücklich ein
       Glühbirnenverbot.
       
       6. „Die EU will die Rutschfestigkeit der Fußböden und die Lautstärke der
       Föhne in Frisörsalons vorschreiben.“ 
       
       Manche Branchenverbände verlangen das. Aber die EU-Kommission teilt dazu
       sogar schriftlich mit: „Dies braucht nicht auf EU-Ebene geregelt zu werden.
       Es ist nicht unsere Sache zu entscheiden, welche Schuhe Friseure tragen
       sollen.“ Zwar wollten Gewerkschafter und Unternehmen, dass die Behörde
       einen Vorschlag dazu vorlegt. Aber die Kommission will jetzt erst einmal
       prüfen, ob sich solche Regeln lohnen würden. Heißt de facto: Vertagt bis
       mindestens 2015 – und wahrscheinlich auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
       
       23 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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