# taz.de -- Ute und Werner Mahler-Werkschau: Die Würde der Randständigen
       
       > Ute und Werner Mahler fotografierten das Leben in der DDR mit einem
       > ungewöhnlich subjektiven Blick. Nach der Wende erfanden sie sich nochmal
       > neu, wie eine Ausstellung in Hamburg zeigt.
       
 (IMG) Bild: Am Rand von Reykjavik: Adda aus der Serie „Monalisen der Vorstädte“ aus dem Jahr 2009
       
       HAMBURG taz | Als die Fotografin Ute Mahler kurz vor ihrem dreißigsten
       Geburtstag stand, war einer ihrer größten Wünsche, die DDR zu verlassen.
       Zumindest vorübergehend. Mahler dachte, dass sich niemand in der weiten
       Welt für ihre Ostbilder interessierte, und wollte da hin, wo die berühmten
       Fotografen waren. Sie wollte nach Paris und brauchte zweierlei: einen Flug
       und ein Visum des DDR-Kulturbundes. An den Flug kam sie, indem sie einen
       Kölner Foto-Wettbewerb gewann. Für das Visum nervte sie wöchentlich die
       DDR-Kulturfunktionäre. Im September 1979 durfte sie endlich reisen: nach
       Paris, neun Tage lang.
       
       Ute Mahler hatte sich viel vorgenommen für diese Reise, aber die Bilder,
       die sie in Paris gemacht hat, sind langweilig. Einige sind derzeit in einer
       Werkschau in den [1][Hamburger Deichtorhallen] zu sehen. Sie zeigen
       Straßenszenen, Mauern, Zäune und Vögel. Paris „war anders, als ich mir es
       vorgestellt hatte“, sagt Mahler. „Erwartet hatte ich die Idealstadt, die
       ich aus Liedern, Filmen, Gemälden, Fotografien kannte, nicht die laute und
       aggressive Wirklichkeit. Es war schwierig für mich, das einzuordnen – dabei
       hat mir dann wiederum die Fotografie geholfen. Sie war ein Schutzschild für
       meine enttäuschten Erwartungen.“
       
       Für ihre künstlerische Entwicklung war dieser Schlag ins Wasser ein
       Glücksfall. Ute Mahler machte nach der Paris-Reise da weiter, wo sie
       aufgehört hatte: Weit entfernt von der westlichen Kultur-Schickeria und von
       östlicher Staatskunst, arbeitete sie an ihrem eigenen fotografischen Stil.
       Der besteht darin, vorgefundene Realität mit einem subjektivem Ansatz
       festzuhalten. Ute Mahler macht – wie auch ihr Mann Werner –
       Dokumentarfotografie mit einer unaufdringlich poetischen Bildsprache.
       
       Ihre Schwerpunkte setzt Mahler mal erzählerisch, mal psychologisierend und
       mal künstlerisch formalisierend. Thematisch interessiert sich Mahler für
       Individuen im DDR-Alltag, für Milieus wie das des Zirkus Hein und für die
       soziale Wirklichkeit von Obdachlosen, Häftlingen in Frauengefängnissen oder
       Strip-TänzerInnen. Zugleich fotografierte sie Popmusiker, Politiker und
       Mode – Letztere für die DDR-Zeitschrift Sibylle. Nach der Wende arbeitete
       sie unter anderem für den Stern, gründete zusammen mit ihrem Mann die
       Fotoagentur Ostkreuz und ist derzeit Professorin an der Hamburger
       Hochschule für Angewandte Wissenschaft.
       
       Ute Mahlers Mann Werner Mahler dokumentierte zu DDR-Zeiten die Arbeit im
       Steinkohle-Bergwerk Martin Hoop, er begleitete die Fans des 1. FC Union
       Berlin und machte wie seine Frau Modefotos für die Sibylle, ohne sich
       wirklich für Mode zu interessieren. Es sind zum Teil kuriose Fotos, die
       fragile Frauen in rauen Ostkulissen zeigen. Die Kleider, um die es ging,
       gab es im Osten nicht zu kaufen.
       
       ## Spektakuläre Lichtverhältnisse
       
       In den 1990er Jahren wandte sich Werner Mahler mit verstärkter technischer
       Raffinesse der Landschaftsfotografie zu. Bei den Bildern in den
       Deichtorhallen ist nicht immer einfach zu erkennen, wie die zum Teil
       spektakulären Lichtverhältnisse zustande kamen. Mahler kann „stundenlang
       sitzen und auf das richtige Licht warten“, wie er sagt.
       
       Gemeinsame Arbeiten des Ehepaars Mahler gab es lange nicht, erst nach 36
       Jahren Ehe taten sie sich zusammen. Für die Serie „Monalisen der Vorstädte“
       aus dem Jahr 2009 reisten Ute und Werner Mahler durch Europa, um junge
       Frauen am Rand zum Erwachsensein an den Rändern europäischer Metropolen zu
       fotografieren. Die Frauen sollten vor dem Hintergrund unwirtlicher
       Stadtlandschaften den Gesichtsausdruck der Mona Lisa nachempfinden. Es ist
       eine Serie, die von der Würde des Randständigen handelt.
       
       Das Wohlwollen und die Zugewandtheit für Menschen, die nicht im Rampenlicht
       der Gesellschaft stehen, zeigt sich bei vielen Arbeiten von Ute und Werner
       Mahler. In ihrer Serie „Zusammenleben“ porträtierte Ute Mahler DDR-Bürger
       in ihren Wohnungen: Da ist das junge Paar in Hochzeitskleidung, das die
       eigenen vier Wände mit Verpackungen von Westprodukten wie Omo oder Nimm 2
       beklebt hat. Oder das alte Ehepaar aus dem Dörfchen Berka, bei dem sich die
       Karos seines Hemds auf der Tischdecke fortsetzen und die Blümchen ihrer
       Schürze übergehen in das Muster der Vorhänge und Tapete. Es sind Fotos, die
       vom kleinbürgerlichen Leben erzählen, ohne sich darüber zu erheben.
       
       ## Merkel mal interessant
       
       Ute Mahlers Trick ist, die Räumlichkeiten der Menschen zu nutzen als
       charakterisierendes Element. Das gelingt ihr auch bei ihren Promiporträts:
       Da sitzt beispielsweise Sahra Wagenknecht 1996 auf einem Sofa, über ihr
       befinden sich Bilder berühmter Männer. Einer davon ist Goethe, ein anderer
       Lenin. Klar ist: An Ehrgeiz mangelt es dieser damals 37-Jährigen Frau
       nicht.
       
       Angela Merkel sitzt dagegen im Jahr 2000 vor einer leeren Wand, schaut an
       der Kamera vorbei auf die Tischplatte und verschränkt die Finger zu einem
       kleinen Schutzwall. Von einer Bundeskanzlerin ist diese mädchenhaft
       schüchterne Frau weit entfernt. Ute Mahler hat gesehen, dass es genau das
       ist, was die damalige CDU-Vorsitzende in diesem Moment interessant machte.
       
       ## ■ Bis 29. Juni 2014, Deichtorhallen, Hamburg
       
       4 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.deichtorhallen.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
       
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