# taz.de -- Vorbereitung der Klimakonferenz: Die Welt retten, aber ohne Zwang
       
       > Auf dem Klimagipfel in Paris wird es um einen soften Vertrag gehen, der
       > auf Freiwilligkeit setzt. Rechtlich bindend soll nur ein kleiner Kern
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Ein Stausee im spanischen Alcora
       
       BONN taz | Das entscheidende Papier hat elf Seiten und trägt einen
       bescheidenen Titel: „US-Vorschläge für Elemente des 2015er Abkommens“. Das
       Schreiben ist die Blaupause für ein globales Klima-Abkommen im Jahr 2015,
       und es bedeutet einen Kurswechsel in der Klimapolitik: Weg von einem
       Abkommen, das alle Staaten zum Klimaschutz verpflichtet, hin zu einem
       Vertrag, der die freiwilligen Angebote der 195 Staaten der
       UN-Klimakonvention zusammenträgt. Den US-Plan, dem etwa zwei Dutzend
       ähnliche Varianten aus vielen Ländern und Gruppen gefolgt sind, nennt ein
       europäischer Verhandler deshalb „die Mutter aller Vorschläge“.
       
       Um diese Mutter und ihre Kinder ringen nun die Klimadiplomaten. Den Beginn
       machte die halbjährliche UN-Klimakonferenz in Bonn, die an diesem Sonntag
       zu Ende geht. Es geht vor allem um die Vorbereitung des Klimagipfels in
       Paris im Dezember 2015. Dort soll der neue globale Klimavertrag geschlossen
       werden, der alle Länder umfasst. Dieses „Paris-Protokoll“, wie es intern
       genannt wird, soll vieles leisten – aber eines nicht, was sich immer noch
       viele UmweltschützerInnen erhoffen: eine abschließende Regelung darüber,
       wie der Klimawandel unter 2 Grad gehalten wird und welche Länder was dafür
       tun müssen.
       
       In der globalen Klimagemeinde ist allen klar: Einen exakten Fahrplan zu
       effektivem Klimaschutz unter 2 Grad Celsius wird es in Paris nicht geben.
       Die Konferenz wäre für die Diplomaten schon ein Erfolg, wenn der Zug zum
       2-Grad-Ziel losfahren könnte und alle an Bord wären – auch wenn sie noch
       kräftig Dampf machen müssten, um nicht mit großer Verspätung anzukommen.
       
       ## Das Ende der Erlösungsfantasien
       
       Damit wird das „Paris-Protokoll“ ein völlig anderes Abkommen als das
       Kioto-Protokoll von 1997 oder der gescheiterte Versuch des Klimaabkommens
       von Kopenhagen 2009. Damals planten die Klimaschützer einen
       völkerrechtlichen Vertrag, der allen Ländern zwingend Maßnahmen zum
       Klimaschutz vorschreibt und sie mit Sanktionen durchsetzt. Doch genau daran
       scheiterten die Verhandlungen. Die USA, China und viele Schwellenländer
       waren nicht bereit, sich dieser Idee eines Vertrags zu unterwerfen.
       
       „Wir haben mit Kopenhagen damals viele Erlösungsfantasien verbunden“, sagt
       heute selbstkritisch ein hochrangiger EU-Verhandler. Vor Paris ist jetzt
       Realismus angesagt. Statt eines harten Abkommens, dem die wichtigen Akteure
       so wie in Kioto fernbleiben, soll es nun ein softer Vertrag richten, den
       dafür aber alle unterschreiben. Die entscheidenden Vorschläge, die bis zur
       nächsten Klimakonferenz im Dezember 2014 in Lima in einen Textentwurf
       münden sollen, sehen nur noch einen rechtlich verbindlichen Kern vor: Das
       2-Grad-Ziel, Standards zur Berechnung von Emissionen, die Zusage von Hilfe
       für die armen Länder und die Verpflichtung zur Transparenz.
       
       Das heißeste Eisen, welche Länder wie viel Emissionen reduzieren, soll in
       einen „Annex A“ ausgegliedert sein: Darin schreiben alle Länder fest,
       welche Reduzierungen sie sich vorstellen können. Auf keinen Fall aber
       wollen sich die USA oder China auf diese Ziele rechtlich verbindlich
       festlegen lassen.
       
       ## Details kommen später
       
       Andere Teile des Abkommens sollen Finanzhilfen umfassen, den Aufbau
       erneuerbarer Energien, Technologie- und Forschungsförderung. Die
       Schwellenländer hätten gern festgeschrieben, dass die Industrieländer am
       Klimawandel schuld sind, die EU will sicherstellen, dass kein Land seine
       Ambitionen senkt. Alle Details werden in den nächsten Monaten verhandelt.
       
       Das neue Konzept „ist die Antwort auf eine veränderte Welt“, sagt Christoph
       Bals, Klimaexperte von der Entwicklungsorganisation Germanwatch. „In Kioto
       konnten die G 7 diese Fragen noch unter sich klären. Das ist vorbei.“ Der
       Schwachpunkt dieses Systems von „Erklären und Überprüfen“ ist allerdings:
       Das Ziel wird bislang nicht erreicht. Die Erklärungen, die die Staaten 2009
       in Kopenhagen abgaben, führen in eine Welt, die bis 2100 nicht um 2,
       sondern im Schnitt um 3,5 Grad wärmer wird.
       
       Was tun, wenn auch die künftigen Paris-Erklärungen nicht besser sind? Um
       das zu klären, sollen die Länder ihre Vorstellungen bis März 2015 so
       vorlegen, dass sie vergleichbar sind, hat die Konferenz in Bonn
       beschlossen. Mit ziemlicher Sicherheit wird das Ergebnis sein, dass eine
       Reduktion von 8 und 12 Milliarden Tonnen CO2 fehlen, um die Klimaerwärmung
       auf 2 Grad zu begrenzen, wie das UN-Umweltprogramm Unep ermittelt hat. Um
       diese Kluft zu schließen, gäbe es im Paris-Protokoll keine Zwangsmittel,
       sondern nur öffentlichen Druck. Die Hoffnung der Klimaschützer: Wenn
       regelmäßig eine unabhängige Instanz von Wissenschaft oder Zivilgesellschaft
       klarstellt, wie viel oder wenig die einzelnen Staaten tun, werde kein Land
       das Gesicht verlieren wollen – „höchstens Russland ist es egal, was die
       Welt von ihm denkt“, so ein Experte. Außerdem verweisen sie auf den
       Siegeszug von Wind- und Solarenergie, die so günstig werden, dass sie die
       Kohle verdrängen können.
       
       ## Ökoverbände zum Realismus verdammt
       
       Deshalb forderten in Bonn auch viele Unterhändler stärkeren Druck der
       Umweltbewegung auf die Politiker. „Auf den Konferenzen wird nichts
       entschieden, was nicht vorher in den Hauptstädten beschlossen wurde“, sagte
       Karsten Sach, der erfahrenste deutsche Unterhändler. In Bonn präsentierten
       die NGOs daher auch ihre Ideen für eine öffentliche Debatte über
       „Klimaschutz und Gerechtigkeit“. Mit dem „Rechner für Klimagerechtigkeit“
       lässt sich im Internet nachvollziehen, welches Land wie viel zum
       Klimawandel beiträgt und welche Verpflichtung es beim Klimaschutz haben
       sollte.
       
       „Wir fordern nach wie vor ein rechtlich bindendes Abkommen in Paris“, sagte
       Alden Meyer vom Klimanetzwerk CAN. Aber auch Ökoverbände sind Realisten:
       Vor fünf Jahren noch legten sie in Bonn einen bis ins Detail
       ausgearbeiteten „Klimavertrag Version 1.0“ vor, der in Kopenhagen nur noch
       unterschrieben werden sollte. Vor Paris ist von einer solchen Aktion nicht
       mehr die Rede.
       
       15 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Emissionszertifikate
 (DIR) Kyoto-Protokoll
 (DIR) Weltklimakonferenz
 (DIR) Pariser Abkommen
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) EU
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) CO2-Emissionen
 (DIR) Anton Hofreiter
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ökopersonal bei den Vereinten Nationen: Die neuen Grünhelme
       
       Patricia Espinosa wird neue Klimachefin der Uno, Erik Solheim übernimmt das
       Umweltprogramm. Eine kluge Entscheidung.
       
 (DIR) Kommentar Merkel schwänzt Klimagipfel: Ladet die Bundeskanzlerin aus!
       
       Angela Merkel fliegt nicht zum UN-Sondergipfel für Klimaschutz. Sie besucht
       lieber deutsche Unternehmer. Die sollten das verhindern.
       
 (DIR) Merkel kommt nicht zum Klimagipfel: Lieber Bosse als Bäume
       
       Die Kanzlerin schwänzt den UN-Klimagipfel in New York. Stattdessen hält sie
       an diesem Tag eine Rede vor deutschen Industriellen.
       
 (DIR) Desertifikation der Erdoberfläche: Die Wüste lebt
       
       Jährlich veröden 12 Millionen Hektar Boden. Weniger Land bedeutet
       Nahrungsarmut und höhere Kriegsgefahr, warnt ein Bundeswehrexperte.
       
 (DIR) Energieeffizienz in der EU: „Nicht allzu realistisch“
       
       Deutschland und sechs weitere Mitgliedstaaten fordern schärfere EU-Regeln
       zum Stromsparen. Doch Energiekommissar Oettinger geht auf Distanz.
       
 (DIR) Kommentar Klimakonferenz: Der Kampf ums Klima geht erst los
       
       Die Zivilgesellschaft muss eigenständig handeln, wenn der Klimawandel nicht
       mit einem allgemeingültigen Vertrag verhindert werden kann.
       
 (DIR) Kommentar Obamas Klimaschutzpläne: Und er bewegt sich doch
       
       Selbst wenn der CO2-Ausstoß um ein Drittel gesenkt wird – die Klimaziele
       der USA sind immer noch lächerlich. Doch wichtig ist die politische
       Botschaft.
       
 (DIR) Grüne rügen Merkels Klimagipfelabsage: „Es ist peinlich“
       
       Die Kanzlerin nimmt nicht am New Yorker Klimagipfel teil.
       Grünen-Fraktionschef Hofreiter kritisiert Merkel deshalb scharf.
       
 (DIR) Obama und Hollande kommen: Klimagipfel ohne Merkel
       
       Gerne lässt sie sich als Klimakanzlerin feiern, doch eine Einladung des
       UN-Generalsekretärs schlägt die deutsche Regierungschefin aus.
       
 (DIR) Klimagipfel zur Energiewende: Die Industrie freut's auch
       
       Überraschende Einigung beim EEG-Gipfeltreffen: Wind und Biomasse werden
       stärker ausgebaut. Damit gab Sigmar Gabriel Forderungen der Länder nach.