# taz.de -- Abhöraffäre in Polen: Premier schließt Neuwahl nicht aus
       
       > Donald Tusk spricht von einer Vertrauenskrise: Die Presse lauschte beim
       > Gespräch des Innenministers mit dem Notenbankchef. Das Gesagte hat es in
       > sich.
       
 (IMG) Bild: Möchte gerne wissen, was noch so mitgeschnitten wurde: Premier Donald Tusk.
       
       WARSCHAU ap/afp | Nach Enthüllungen über ein brisantes Gespräch zwischen
       Polens Innenminister und dem Notenbankchef hat Ministerpräsident Donald
       Tusk die Abhaltung vorgezogener Neuwahlen nicht ausgeschlossen. „Wenn diese
       Affäre in den kommenden Wochen nicht aufgelöst werden kann (...) und die
       Vertrauenskrise tatsächlich so tief ist, sind vorgezogene Neuwahlen
       vielleicht die einzige Lösung", sagte Tusk am Donnerstag vor der Presse in
       Warschau.
       
       Der Regierungschef bedauerte die Vorfälle am Mittwochabend bei der
       Durchsuchung der Wochenzeitung Wprost, die am Wochenende die Affäre
       öffentlich gemacht hatte. Er forderte das Magazin aber zugleich auf, alle
       geheimen Aufnahmen von privaten Telefongesprächen von Führungskräften zu
       veröffentlichen. So lange nicht alles veröffentlicht sei, sei sein Team
       verwundbar.
       
       Wprost hatte ein Gespräch zwischen dem Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz
       und dem Zentralbankpräsidenten Marek Belka in einem Warschauer Restaurant
       im vergangenen Sommer veröffentlicht, in dem es um Hilfestellungen der
       eigentlich unabhängigen Zentralbank für einen Wahlsieg der Koalition im
       kommenden Jahr ging. Die Regierung hatte mit Empörung auf die
       Veröffentlichung reagiert und strafrechtliche Ermittlungen beantragt, zumal
       auf Abhören in Polen bis zu zwei Jahre Gefängnis stehen. Skandalisiert wird
       aber auch der Inhalt des belauschten Gesprächs.
       
       Laut der Zeitung versuchte Sienkiewicz, den Notenbankchef dazu zu bringen,
       die Haushaltspolitik der Mitte-Rechts-Regierung zu unterstützen. Belka soll
       daraufhin gesagt haben: „In dieser Situation, entschuldigen Sie bitte, ist
       die Entlassung des Finanzministers unerlässlich. Es wird ein neuer Minister
       folgen – und ich muss Ihnen nicht sagen, wer das sein könnte.“ Der
       unerlaubte Deal führte Ende November zum Rauswurf von Finanzminister Jacek
       Rostowski. Als Nachfolger wurde der dem Notenbankchef genehme Ökonom
       Mateusz Szczurek eingesetzt.
       
       Die Opposition kritisierte nach Veröffentlichung der Aufnahme eine illegale
       Einflussnahme und forderte den Rücktritt der Regierung. Tusk lehnte dies
       bisher ab und sprach von einem Versuch zum Sturz der Regierung.
       
       ## Ohne Laptop wieder abgezogen
       
       Nach Veröffentlichung des Mitschnitts forderte die Staatsanwaltschaft
       Wprost auf, die Aufnahmen herauszugeben. Als sich die Zeitung weigerte,
       ließ die Staatsanwaltschaft am Mittwochabend ihre Redaktion durchsuchen.
       Laut der Zeitung versuchten die Beamten bei dem Einsatz, „gewaltsam“ den
       Laptop des Chefredakteurs Slawomir Latkowski zu beschlagnahmen. Latkowski
       und andere Journalisten hätten sich den Beamten aber widersetzt, so dass
       der Einsatz schließlich abgebrochen wurde. Die Zeitung kündigte an,
       Strafanzeige wegen der Aktion zu erstatten.
       
       Ein Anwalt des Magazins, Jacek Kondracki, sagte, er bereite eine Klage
       wegen Verletzung der Pressefreiheit gegen die Behörden vor. „Wir leben
       nicht in Putins Land oder Weißrussland“, sagte er in Anspielung auf
       Russland, wo auch Einschränkungen der Pressefreiheit beklagt werden.
       
       Staatspräsident Bronislaw Komorowski sagte, die Regierung stecke in der
       Krise. Jeder Politiker müsse entscheiden, ob er sein Amt abgebe. Der
       Präsident beklagte zudem Scheinheiligkeit in der Affäre. „So kann es nicht
       weiter gehen“, sagte er. „Wir müssen Verantwortung für Polen und für seine
       Institutionen spüren. Wir müssen darauf abzielen, die schwierigsten Fragen
       zu klären, angefangen bei uns selbst.“
       
       19 Jun 2014
       
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