# taz.de -- Hungerstreik gefangener Palästinenser: Zwangsernährung per Erlass
       
       > In Israel berät das Parlament über eine gesetzliche Regelung zur
       > Zwangsernährung von Häftlingen. Bürgerrechtler und Ärzte protestieren
       > dagegen.
       
 (IMG) Bild: Kerzen werden aus Solidarität mit den Hungerstreikenden entzündet.
       
       JERUSALEM afp | Im israelischen Parlament wird im Eiltempo eine
       Gesetzesänderung beraten, die eine Zwangsernährung hungerstreikender
       Gefangener erlauben soll. Am Montag soll über das auch international höchst
       umstrittene Vorhaben in zweiter und dritter Lesung abgestimmt werden. Grund
       für den hohen Zeitdruck ist ein seit bald zwei Monaten anhaltender
       Hungerstreik palästinensischer Häftlinge, der zur Verlegung von 80
       Gefangenen in Krankenhäuser geführt hat.
       
       Der Entwurf zur Änderung der Strafvollzugsordnung wird von der Abgeordneten
       Miri Regev vorangetrieben, die dem ultrarechten Flügel der Regierungspartei
       Likud angehört und dem Innenausschuss der Knesset vorsteht. Die erste
       Lesung überstand das Vorhaben vor zwei Wochen, wobei nur 48 der 120
       Abgeordneten an der Abstimmung teilnahmen. Danach wurden in
       Marathonsitzungen des Fachausschusses weitere Änderungen vorgenommen und
       insbesondere die Möglichkeit aufgenommen, die Hungerstreiker zu betäuben,
       bevor sie zwangsernährt werden. Nun sei für Montag die endgültige
       Verabschiedung vorgesehen, teilte der Sprecher des Innenausschusses mit.
       
       Der israelische Ärzteverband und Bürgerrechtler laufen Sturm gegen die
       neuen Regelungen. Die Ärzte warnen ihre Standeskollegen, dass sie nach
       internationalem Strafrecht verfolgt werden könnten, selbst wenn sie bei
       einer Beteiligung an Maßnahmen zur Zwangsernährung im Inland durch das neue
       Gesetz geschützt seien. 18 Hilfsorganisationen appellierten am Mittwoch an
       den Weltärztebund (WMA), sich öffentlich gegen Druck auf Beschäftigte im
       Gesundheitswesen auszusprechen, damit diese sich an der Zwangsernährung
       beteiligen.
       
       Die meisten der rund 120 Palästinenser, die seit dem 24. April die
       Nahrungsaufnahme verweigern, werden unter der sogenannten Verwaltungshaft
       in Unfreiheit gehalten. Diese aus dem Kolonialrecht der britischen
       Mandatszeit in Palästina (1920-1948) übernommene Prozedur, erlaubt die
       unbegrenzte Gefangenhaltung von Menschen ohne Anklage und
       Gerichtsverfahren, solange alle sechs Monate ein Richter die Verlängerung
       erlaubt. Die Hungerstreikenden fordern ihre Freilassung oder ein sofortiges
       ordentliches Gerichtsverfahren. Da sie Flüssigkeiten und Zucker zu sich
       nehmen, können sie ihre Kampagne zeitlich strecken.
       
       ## Administratives Dilemma
       
       Die israelische Regierung sieht sich in einem Dilemma: Einerseits will sie
       verhindern, dass sich Häftlinge in ihrer Obhut zu Tode hungern. In der
       gegenwärtig angespannten Lage könnte dies zu neuen Gewaltausbrüchen in
       Israel und in den Palästinensergebieten führen. Und das nach Scheitern des
       jüngsten Friedensprozesses angeschlagene internationale Ansehen Israels
       würde weiter beschädigt.
       
       Andererseits will sie sich nicht erpressbar zeigen und das Mittel der
       Verwaltungshaft im Kampf gegen nationalistisch motivierte Gewalttäter
       unbedingt beibehalten. Sie argumentiert, dass Prozesse gegen diese
       Gefangenen die Quellen ihrer Sicherheitserkenntnisse offenlegen würden. Die
       geheimdienstliche Vorfeldaufklärung werde dann unmöglich und das Leben von
       palästinensischen Zuträgern gefährdet.
       
       Die angestrebte Gesetzesänderung sieht vor, dass die Gefängnisverwaltung
       bei einem Bezirksrichter die Erlaubnis zur Zwangsernährung beantragt, wenn
       die behandelnden Ärzte das Leben eines Hungerstreikenden akut gefährdet
       sehen. Die jetzt in den Ausschussberatungen ergänzte Erlaubnis zur
       Betäubung der Patienten soll laut Begründung der Befürworter Schmerzen
       vermeiden.
       
       Ärztliche Kritiker halten dem entgegen, die Zwangsernährung von
       Langzeithungerstreikenden führe zu irreparablen Gesundheitsschäden die
       lebensbedrohlich werden könnten. „Sedierung bedeutet mit Sicherheit eine
       Gefährdung für jemanden, der seit langem gefastet hat, weil der
       Natriumspiegel im Blut stark herabgesetzt ist. Die Prozedur würde eine
       Überwachung zahlreicher Parameter rund um die Uhr erfordern und
       wahrscheinlich dennoch Nebenwirkungen hervorrufen“, zitierte die Zeitung
       Haaretz am Donnerstag Bettina Birmans vom israelischen Zweig der
       internationalen Organisation Ärzte für Menschenrechte.
       
       20 Jun 2014
       
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