# taz.de -- Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand: Firmenerben müssen bangen
       
       > Das Verfassungsgericht nimmt sich die Erbschaftsteuer zur Brust. Der
       > Bundesfinanzhof moniert an ihr die „Überprivilegierung“ von Unternehmern.
       
 (IMG) Bild: Der Firmenerbe: beim Ausfüllen überfordert?
       
       FREIBURG taz | Werden Unternehmenserben bei der Erbschaftsteuer
       verfassungswidrig bevorzugt? Darüber verhandelte am Dienstag der Erste
       Senat des Bundesverfassungsgerichts. Eine Beanstandung des 2009 in Kraft
       getretenen Gesetzes ist möglich.
       
       Vor sieben Jahren hatte sich das Verfassungsgericht zuletzt mit der
       Erbschaftsteuer beschäftigt. Damals kritisierten die Richter, dass der Wert
       von vererbten Immobilien und Unternehmen zu niedrig angesetzt wurde. Die
       Richter verlangten, dass das Erbe künftig mit dem Verkehrswert bewertet
       wird. Allerdings könne der Gesetzgeber bestimmte Vermögenswerte wie
       Eigenheime und Unternehmen bei der Erbschaftsteuer verschonen. Er müsse
       dies aber transparent machen und mit Vorteilen für das Allgemeinwohl
       rechtfertigen.
       
       Die vorige Große Koalition beschloss dann 2008, die Unternehmenserben bei
       der Erbschaftsteuer weitgehend zu verschonen. Wer das Unternehmen
       mindestens fünf Jahre fortführt, muss nur 15 Prozent der eigentlich
       anfallenden Erbschaftsteuer zahlen, die sonst in der Regel 30 Prozent des
       Unternehmenswerts betragen würde. Für den verbleibenden Rest bleibt ein
       Freibetrag bis 150.000 Euro. Wer verspricht, das Unternehmen sieben Jahre
       fortzuführen, bleibt sogar ganz steuerfrei. Bei Unternehmen mit mehr als
       zwanzig Arbeitnehmern ist zudem erforderlich, dass die Zahl der
       Arbeitsplätze weitgehend erhalten bleibt.
       
       Der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Steuergericht, hält diese
       Regelung für verfassungswidrig und verwies das neue Gesetz 2012 zur Prüfung
       nach Karlsruhe. Unternehmenserben würden hier „überprivilegiert“,
       kritisierten die BFH-Richter. Die weitgehende Steuerfreiheit sei nicht
       erforderlich, um Arbeitsplätze zu sichern; es genüge, dass die Steuer
       gestundet werden kann.
       
       ## Geschenke an die Kinder
       
       Da 94 Prozent der Unternehmen weniger als zwanzig Beschäftigte haben, gelte
       für sie die Arbeitsplatzklausel ohnehin nicht. Die BFH-Richter monierten
       zudem, dass Privatvermögen relativ leicht als Betriebsvermögen ausgegeben
       werden kann, etwa indem wertvolle Bilder im Büro des Geschäftsführers
       aufgehängt werden.
       
       Aus Angst vor dem Bundesverfassungsgericht haben die Unternehmer in den
       letzten Jahren massiv Betriebe an ihre Kinder verschenkt. Allein 2012
       wurden so Unternehmen im Wert von 36,4 Milliarden Euro übertragen, der
       Fiskus verzichtete dabei auf 10,8 Milliarden Euro Erbschaftsteuer, weil bei
       Schenkungen die gleichen Regelungen wie bei Erbschaften gelten.
       
       Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) verteidigte in Karlsruhe die
       Verschonung der Unternehmenserben. Die Regierung habe „genau richtig
       entschieden“. Zahlreiche Verbände vom Bundesverband der Deutschen Industrie
       bis zum Verein der Familienunternehmer warnten davor, dass Unternehmen
       überfordert wären, wenn Erben die volle Erbschaftsteuer zahlen müssten.
       Dies könne zur Aufgabe oder zum Verkauf von Betrieben führen, jedenfalls
       fehle Geld für Investitionen, was wiederum Arbeitsplätze gefährde.
       
       ## Juwelen und Sportwagen
       
       Der Sachverständige Ralf Maiterth stellte allerdings fest, dass bei den
       meisten Unternehmens-Erbfällen zugleich auch gewöhnliches Vermögen wie
       Bargeld, Juwelen und Sportwagen vererbt werde. „In mehr als 90 Prozent der
       Fälle kann die Erbschaftsteuer aus dem ererbten normalen Vermögen
       finanziert werden, ohne die Liquidität des Unternehmens anzugreifen“,
       betonte der Professor für betriebswirtschaftliche Steuerlehre. „Die
       Freistellung aller Unternehmen ist deshalb nicht erforderlich.“
       
       So weit werden die Verfassungsrichter wohl nicht gehen. Nur der linke
       Richter Reinhard Gaier thematisierte die „auffällig disparitätische
       Vermögensverteilung“ in Deutschland. Auch seine KollegInnen fragten
       intensiv nach, ob das Gesetz präziser auf Mittelstandsunternehmer
       zugeschnitten werden könne.
       
       Mit einem Urteil wird in einigen Monaten gerechnet.
       
       8 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Erbschaftsteuer
 (DIR) Bundesverfassungsgericht
 (DIR) Bundesfinanzhof
 (DIR) Rot-Grün
 (DIR) Erbschaftsteuer
 (DIR) Reichtum
 (DIR) Erbschaftsteuer
 (DIR) Reiche
 (DIR) Thomas Piketty
 (DIR) Einkommen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Erbschaftsteuer: Grün-Rot überholt rechts
       
       Die Reform der Erbschaftsteuer wird ausgerechnet von Grün-Rot in
       Baden-Württemberg blockiert. Das ist ein großer Fehler.
       
 (DIR) Urteil zur Erbschaftsteuer: „Produktives“ wird geschützt
       
       Wer ein vererbtes Unternehmen fortführt, muss keine Erbschaftsteuer zahlen.
       Karlsruhe fordert nur kleinere Korrekturen.
       
 (DIR) Reichtum und Armut in Deutschland: Brisante Zahlenspiele
       
       Vermögen und Einkommen sind hierzulande immer ungleicher verteilt. Eine
       gewerkschaftsnahe Studie belegt dies mit neuen Kennziffern.
       
 (DIR) Nachlasswelle in Deutschland: Ist Erben ungerecht?
       
       In Deutschland wird derzeit so viel Geld an nachfolgende Generationen
       weitergegeben wie nie zuvor. Aber nur bestimmte Schichten profitieren.
       
 (DIR) Vermögen der Reichen: Billionen Euro gesucht
       
       Es gibt kaum gesicherte Daten über das Vermögen der Reichen. Auch die EZB
       weiß nichts Genaues. Denn ihre Untersuchung beruht auf Freiwilligkeit.
       
 (DIR) Thomas Piketty über Arm und Reich: „Ich brauche das Geld nicht“
       
       Der französische Ökonom Thomas Piketty ist der neue Rockstar unter den
       Wirtschaftswissenschaftlern. Er fordert mehr Kontrolle über Privatvermögen.
       
 (DIR) Debatte Einkommensunterschiede: Die Reichen ernst nehmen
       
       Eine kleine Machtelite hat sich in Deutschland zu einer historisch
       einzigartigen Gehaltssteigerung verholfen. Das muss man nicht dulden.