# taz.de -- Volkszählungsboykott: Eine Bewegung lebt im Urteil fort
       
       > Der Volkszählungsboykott der Achtzigerjahre speiste sich aus diffusen
       > Ängsten und half zugleich dem Datenschutz.
       
 (IMG) Bild: Volkszählungsboykott-Demonstration Mai 1987 in Berlin.
       
       FREIBURG taz Der Kampf gegen die Volkszählung war eines der großen
       westdeutschen Bewegungsthemen der 1980er-Jahre. Die Volkszählung selbst
       konnte zwar nur verzögert und nicht verhindert werden. Das
       Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts gilt jedoch als Magna
       Carta des Datenschutzes. Insofern wirkt die Bewegung von damals noch heute.
       
       Geplant war 1983 ein klassischer Zensus: Zehntausende Zähler besuchen jeden
       Haushalt, um den Fragebogen abzuholen oder mit den Bewohnern auszufüllen.
       Der Widerstand kam nicht nur von der Alternativbewegung, die ihre
       WG-Verhältnisse nicht offenbaren wollte. In der Mittelschicht hatte mancher
       Angst, dass das Finanzamt etwas von dem mit Schwarzgeld gebauten Zweithaus
       erfahren könnte.
       
       Doch kurz vor dem Stichtag stoppte das Bundesverfassungsgericht auf Klage
       der Hamburger Anwältinnen Gisela Wild und Maja Stadler-Euler den Zensus und
       verkündete im Dezember 1983 dann das berühmte Volkszählungsurteil. Darin
       wurde der Datenschutz erstmals als Grundrecht anerkannt. Der Bürger habe
       ein Recht auf "informationelle Selbstbestimmung", er könne also
       grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen
       Daten entscheiden. Seitdem gilt jede Datenerhebung als Eingriff in dieses
       Grundrecht, die zwar bei "überwiegendem Allgemeininteresse" möglich ist,
       aber ein Gesetz benötigt. Eine Sammlung von nicht anonymisierten Daten auf
       Vorrat und zu unbestimmten Zwecken schloss das Gericht aus.
       
       Der Staat gab aber nicht auf. Beim zweiten Anlauf 1987 wurden die Vorgaben
       des Bundesverfassungsgerichts beachtet. Die Befragung wurde anonym
       durchgeführt. Daten wie Name und Anschrift, die aus organisatorischen
       Gründen zeitweise vorliegen müssen, durften diesmal aber nicht zur
       Korrektur der kommunalen Melderegister benutzt werden.
       
       Auch 1987 gab es eine aus allgemeinem Unbehagen gegen die zunehmende
       Überwachung gespeiste Boykottbewegung, doch brach sie nach Androhung von
       Zwangsmitteln zusammen. Viele füllten die Volkszählungsbögen deshalb falsch
       aus. Die Statistiker halten die Daten der 87er-Volkszählung dennoch für
       brauchbar.
       
       21 Sep 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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