# taz.de -- Konflikt im Nahen Osten: Militanter als die Hamas
       
       > Im Gazastreifen sind einige Islamistengruppen aktiv, die Hamas ist davon
       > die moderateste. Sollte sie wegfallen, könnten radikalere Gruppen die
       > Lücke füllen.
       
 (IMG) Bild: Ziel ist ein palästinensischer Staat: Hamas-Demonstration Anfang Juli
       
       JERUSALEM taz | Seit drei Tagen mobilisiert die israelische Armee
       Zigtausende Reservisten. Noch hat Regierungschef Benjamin Netanjahu das
       Ziel der Operation „Schützende Klippe“ nicht definiert. Ginge es nur um
       eine Schwächung derer, die Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel
       abfeuern, könnten die Angriffe der Luftwaffe und der Marine ausreichen.
       
       Um die latente Raketengefahr grundsätzlich beizulegen, wären eine
       Bodenoffensive und eine temporäre Neubesetzung des palästinensischen
       Küstenstreifens, wie sie der rechts-nationale Außenminister Avigdor
       Lieberman fordert, unausweichlich. Analysten warnen jedoch davor, dass dann
       noch radikalere Kräfte das Vakuum füllen könnten, wenn die bisher Gaza
       regierende Hamas wegfallen sollte – etwa der palästinensische Islamische
       Dschihad, die zweitgrößte islamistische Bewegung in Gaza.
       
       Schaul Schai, Terrorexperte am Interdisziplinären Institut für Strategie
       und Politik in Herzlija, hält es für verfehlt, die in Gaza aktiven
       Islamisten je nach Grad ihrer Radikalität zu hierarchisieren: „Die Gruppen
       verfolgen jeweils eine unterschiedliche Agenda.“
       
       Die Hamas, Ableger der ägyptischen Muslimbrüder, will die Gründung eines
       palästinensischen Staates auf dem gesamten Gebiet vom Jordan bis zum
       Mittelmeer, in dem es anschließend eine islamistische Gesellschaft mit
       Scharia-Recht geben soll. Dabei geht die Hamas zweigleisig vor: politisch,
       als die Partei, die derzeit den Gazastreifen regiert und die sich um die
       Gesellschaft kümmert. Aber auch militant mit dem gewaltsamen Kampf gegen
       Israel. Für den ist der militärische Arm der Hamas, Issedin al-Kassam,
       zuständig.
       
       ## Von Wohlfahrt bis zum totalen heiligen Krieg
       
       Schnittpunkt zwischen der Hamas und dem palästinensischen Islamischen
       Dschihad ist der militante Widerstandskampf, der heilige Krieg. Anders als
       die Hamas ist der Dschihad aber weder parteipolitisch organisiert, noch
       verfolgt er eine gesellschaftliche Agenda.
       
       Die Hamas war von Beginn ihrer Gründung an auch eine Wohlfahrtsorganisation
       und unterhält bis heute Kindergärten, Schulen, Behinderten- und Altenheime.
       „Für den Islamischen Dschihad ist Wohlfahrt hingegen kein Thema“, sagt
       Terrorexperte Schai. Ideologisch sei der Ende der 80er Jahre gegründete
       palästinensische Dschihad enger als alle anderen Bewegungen im Gazastreifen
       an den Iran gebunden, trotz der Tatsache, dass die Palästinenser Sunniten
       und die Iraner Schiiten sind. „Der palästinensische Islamische Dschihad
       stimmt seine Operationen mit Teheran ab.“ Während die Hamas über
       „Zigtausende Aktivisten“ verfügt, habe der Islamische Dschihad nur
       „Tausende“.
       
       Die dritte und deutlich kleinere Gruppe mit vermutlich nur „Hunderten bis
       einigen wenigen Tausend“ Aktivisten sind die Salafis oder Salafisten, die
       im Gazastreifen zwar mehrheitlich Palästinenser sind, aber nicht
       ausschließlich. Im Unterschied zur Hamas und zum Islamischen Dschihad
       werden diese Splittergruppen von Aktivisten, die aus dem Ausland kommen,
       unterstützt. Die Salafisten sind dem globalen Dschihad verpflichtet und
       verfolgen „dieselbe Weltanschauung wie al-Qaida oder Isis“, erklärt der
       Terrorexperte. Ziel sei der totale heilige Krieg. Mit der Sorge um die
       Bevölkerung im Gazastreifen hätten die Salafisten nichts zu tun.
       
       ## „Erziehungsaktionen“ der Salafisten
       
       Nach der Vorstellung der Salafisten sollte der Islam ohne Abstriche oder
       Veränderungen so, wie ihn der Prophet Mohammed selbst lebte, praktiziert
       werden. Das göttliche Recht, nicht das von Menschen gemachte solle gelten.
       Dazu gehört, Dieben die Hand abzuschlagen und Ehebrecher zu steinigen. Die
       Salafisten sind berüchtigt für ihre „Erziehungsaktionen“ mit Brandsätzen
       gegen Internetcafés oder Friseurläden, in denen Männer Frauen die Haare
       schneiden.
       
       Im Gazastreifen tragen die Kämpfer schwarze Pumphosen und weite Gewänder,
       während die „Sunna“, die zivilen Angehörigen der radikalislamischen Gruppe,
       Weiß tragen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Salafisten, die im
       südlichen Gazastreifen ein Kalifat gründen wollten, wurden vor fünf Jahren
       20 Salafisten erschossen.
       
       10 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Salafisten
 (DIR) Israel
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Hamas
 (DIR) Gaza
 (DIR) Islamischer Dschihad
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Israel
 (DIR) Gaza
 (DIR) Israel
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Israel
 (DIR) Hamas
 (DIR) Israel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Israel setzt Offensive fort: Bodentruppen im Gazastreifen
       
       Ihr Ziel war eine Stellung für den Abschuss von Raketen: Erstmals seit der
       Eskalation zwischen Israel und der Hamas war eine israelische
       Spezialeinheit in Gaza im Einsatz.
       
 (DIR) Kommentar Konflikt um Gaza: Böses, böses Israel
       
       Wenn drei Jugendliche ermordet werden und aus Gaza Raketen abgeschossen
       werden, dann hat Israel einen Krieg angefangen. Geht's noch?
       
 (DIR) Konflikt um Gaza: Libanon feuert Rakete auf Israel
       
       Israel bereitet sich weiter auf eine Bodenoffensive vor und verlegt
       Reservisten an die palästinensische Grenze. Eine weitere Front scheint sich
       im Libanon aufzutun.
       
 (DIR) Kommentar Angriffe auf Gaza: Es wird eng für Netanjahu
       
       Viele wollen, dass Ministerpräsident Netanjahu zurückschlägt. Doch schwächt
       Israel die Hamas zu sehr, droht Gaza zum neuen Somalia zu werden.
       
 (DIR) Eskalation im Nahost-Konflikt: Keine Entspannung in Sicht
       
       Die Gefechte im Gazastreifen halten an. Die Vereinten Nationen haben ein
       Dringlichkeitstreffen anberaumt. Israel zieht derweil Reservisten für eine
       Bodenoffensive ein.
       
 (DIR) Eskalation im Nahost-Konflikt: Unter Dauerbeschuss
       
       „Wer sagt, dass er keine Angst hat, der lügt“: Die Raketen aus Gaza
       terrorisieren die Israelis. Sie versuchen, ihr normales Leben fortzusetzen.
       
 (DIR) Eskalation in Nahost: „Hamas bleibt Hausherr in Gaza“
       
       Der Politologe Yagil Levy über die Weigerung der Hamas, Spielregeln zu
       akzeptieren und warum Militärschläge im Gazastreifen nicht viel verändern
       werden.
       
 (DIR) Kommentar Israel und Gaza: Die Hamas als kleineres Übel
       
       Zwingt Israel die Hamas in die Knie, werden noch radikalere Islamisten in
       die Bresche springen. Bislang verhält sich Netanjahu vernünftig.