# taz.de -- Die Wahrheit: Rote Socke mit Schuss
       
       > Oppositionsgeist, der beim unterbelichteten Publikum ankommt: Diether
       > „Troubadix“ Dehm ist ein Schurke, der die Welt beherrschen will.
       
 (IMG) Bild: Besitzt ein Copyright auf Geschmacksentgleisungen: Diether Dehm
       
       Politisch interessierte Menschen wissen, dass man Parteien nicht wegen
       einzelner Personen wählen soll – genauso, wie man Parteien wegen einzelner
       Personen nicht nicht wählen sollte. Diether Dehm macht einem das nicht
       leicht. Denn der langjährige Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke ist
       das gammelfleischgewordene Beispiel für fast alles, was linke
       Protestbewegungen in den vergangenen vier Jahrzehnten unattraktiv,
       unappetitlich und unangenehm machen konnte.
       
       In den an Geschmacksverbrechen nicht gerade armen ausgehenden siebziger und
       beginnenden achtziger Jahren verdingte Dehm sich als Liedermacher und
       vergällte jedem ästhetisch halbwegs begabten Menschen jedweden Demobesuch
       mit Polit-Gassenhauern wie „Aufsteh’n“, „Was wollen wir trinken (7 Tage
       lang)“ und „Das weiche Wasser bricht den Stein“, die er allesamt für die
       holländische Terrorgruppe Bots verfasste. Er dichtete für Heinz Rudolf
       Kunze, Zupfgeigenhansel und Geier Sturzflug; sein größter Hit war die für
       Klaus Lage geschriebene Spießerfantasie altgewordener Pennäler „1000 und 1
       Nacht“, in Klammern: Zoom!
       
       Doch Dehm besitzt nicht nur das Copyright auf unzählige
       Geschmacksentgleisungen musikalischer Art, sondern auch auf politische: Vor
       der Wahl zum Bundespräsidenten 2010 verglich er die Entscheidung zwischen
       Wulff und Gauck mit jener zwischen Hitler und Stalin; die Zeit-Journalistin
       Elisabeth Niejahr fragte er im Vier-Augen-Gespräch – Brüderle im Geiste –,
       was der Unterschied zwischen Onanie und Geschlechtsverkehr sei.
       
       Gegenüber dem russischen Auslandssender The Voice of Russia wähnte er Teile
       der deutschen Medien kürzlich in den Händen US-amerikanischer
       Geheimdienste. Und mit Geheimdiensten kennt sich Dehm aus: Die Stasi führte
       ihn jahrelang als IM „Dieter“ und „Willy“ in ihren Akten; als Manager Wolf
       Biermanns soll er über den Ausgebürgerten noch nach dessen Übersiedlung
       berichtet haben.
       
       Als altgedienter Marxist ist Dehm natürlich Dialektik-Profi: Kommunist und
       Unternehmer, Kritiker der Mainstreammedien und Gesellschafter des privaten
       Dudelfunks FFH, Mitglied im Bund der Verfolgten des Naziregimes und
       manischer Israelkritiker. Wobei es Antisemitismus in Deutschland zum Glück
       nicht gibt, denn: „Antisemitismus ist Massenmord und muss dem Massenmord
       vorbehalten bleiben“– so jedenfalls Dehms höchst eigenwillige Definition.
       Wo kämen wir schließlich hin, wenn jetzt auch noch die nicht toten Juden
       Ansprüche stellten? Eine Logik, nach der auch Ausländerfeindlichkeit erst
       bei der Ermordung fremd aussehender Menschen beginnt und Sexismus bei einer
       Vergewaltigung.
       
       ## Wo eine Bühne ist, da ist auch Publikum!
       
       Nur folgerichtig, dass der Barde, dessen Geltungsbedürfnis die
       Körbchengröße seiner Initialen hat, neuerdings auch beim wöchentlichen
       Stelldichein der Politaktivisten mit amtlichem Sockenschuss mitmischt:
       [1][den neuen Montagsdemos für den Frieden]. Denn wo eine Bühne ist, da ist
       auch Publikum! Verschwörungstheoretiker, Obskuranten, Reichsdeutsche und
       Esoterikspinner – für Dehm kein Problem, vielmehr das ideale Auditorium für
       seine Politfolklore.
       
       Wie alle Berufsjugendlichen trägt der diplomierte Sonderpädagoge seine
       überkommenen Überzeugungen wie eine alte, abgegriffene Lederjacke auf, in
       der Hoffnung, dies halte ihn jung. Dehm würde einem noch eine Militärparade
       als Friedensdemo verkaufen, solange es gegen Amerika geht.
       
       Seinen Auftritt vor dem Brandenburger Tor beginnt er mit Brechts „Ballade
       von der Judenhure Marie Sanders“, die Dehm gerne in Stellung bringt, wenn
       es gilt, sich gegen Antisemitismusvorwürfe zu schützen. Es folgen der
       Bots-Heuler vom „Weichen Wasser“, eine eigene Übersetzung des
       Lagerfeuerklassikers „Bella Ciao“ sowie das für Klaus Lage verfasste und
       von Dehm als Nummer-eins-Hit angekündigte „Monopoli“, das es tatsächlich
       zwar nur auf Platz 47 der Single-Charts schaffte. Geschenkt – man kann sich
       schließlich nicht jeden Nummer-47-Hit merken.
       
       Wichtiger ist sowieso die politische Botschaft, und da kommt Dehm zu der
       überraschenden, mutigen und vermutlich bereits im Kindergarten gewonnenen
       Erkenntnis, dass Krieg „immer irgendwie scheiße“ sei. Oppositionsgeist, der
       beim politisch unterbelichteten Publikum ankommt.
       
       Und so fragt man sich schlussendlich nur, wie es ausgerechnet eine
       intellektuelle Flachzange wie Dehm zum europapolitischen und
       mittelstandspolitischen Sprecher seiner Fraktion, zum Mitglied im
       Bundesvorstand der Partei sowie zum Schatzmeister der Europäischen Linken
       bringen konnte? Wollten ihn die Genossen mittels Beschäftigungstherapie und
       Mandatshuberei vom Verfassen neuer Songs abhalten? Das wäre doch glatt ein
       Grund, seine Partei zu wählen.
       
       16 Jul 2014
       
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