# taz.de -- Mit Unterwasserrobotern in die Tiefsee: Unbemannt ins Unbekannte
       
       > Die Tiefsee ist weitaus weniger erforscht als die Oberfläche von Mars
       > oder Mond. Neue Unterwasserroboter könnten bei der Entdeckung der Terra
       > incognita helfen.
       
 (IMG) Bild: Unterwasserroboter „Dragon“ im neuen Testbecken des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen.
       
       800 Meter unter der Wasseroberfläche ist das Meer tiefschwarz. Langsam
       sinkt das Tauchboot weiter hinab in die Tiefsee. Auf 3.000 Metern liegt die
       Wassertemperatur bei null Grad. 300 Bar drücken auf die Außenhülle.
       Scheinwerfer tauchen den größten Lebensraum des Planeten in unwirkliches
       Licht. Dickes Glas trennt die Forscher von Millionen Meeresbewohnern, viele
       nahezu unbekannt.
       
       „Über die Tiefsee wissen wir weniger als über die Mondoberfläche“, sagt
       Antje Boetius, Biologin am Alfred-Wegener-Institut – Helmholtz-Zentrum für
       Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Hauptgrund dafür: Die
       Erforschung ist mühsam. Ein Tauchboot muss nach acht Stunden auftauchen,
       sonst werden Luft und Energie knapp. „Die Füße werden kalt und es gibt
       keine Toilette“, fügt Antje Boetius lachend hinzu.
       
       Die Orientierung ist kniffelig: Verlässliche Tiefseekarten gibt es kaum.
       GPS-Geräte funktionieren schon wenige Meter unterhalb der Meeresoberfläche
       nicht mehr. Der Einsatz von Forschungsschiffen ist teuer, bis zu 50.000
       Euro pro Tag. Als Alternative zu bemannten Tiefseeexpeditionen werden
       autonome Tauchroboter wichtiger. An einer neuen Generation der AUVs –
       Autonomous Underwater Vehicles – arbeiten Wissenschaftler vom Deutschen
       Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).
       
       „Für die Erschließung der Tiefsee brauchen wir selbstständige Roboter“,
       sagt Marc Ronthaler. Am Bremer Stadtrand simulieren er und seine Kollegen
       mögliche Missionen in einem 3,4 Millionen Liter Salzwasserbecken. In acht
       Meter Tiefe steht darin ein Windrad-Fundament gleich neben dem
       Kontrollterminal einer Ölplattform. Maßstab 1:4. Über einer Pipeline, quer
       durch das Becken verlegt, schwebt gerade ein Tauchroboter. Mit Sonar,
       Kamera und Laser tastet er sich am Rohr entlang.
       
       Mit diesen „Sinnen“ sucht er nach Schäden und Unterspülungen. In naher
       Zukunft könnte ein solches Modell Tausende Kilometer Pipeline auf dem
       Meeresgrund warten. Bisher beschwerliche Handarbeit: Roboter werden von
       Schiff aus ferngesteuert. Von oben sichert ein Glasfaserkabel die
       Energieversorgung und Datenverbindung. Am Bildschirm überwacht ein
       Mitarbeiter die Arbeit. Alle drei Stunden gibt es einen Schichtwechsel. Die
       Arbeit ist anstrengend, der Einsatz eigentlich zu teuer.
       
       Kein Wunder also, dass autonome Erkundungsroboter bei Forschung und
       Industrie auf Interesse stoßen. Eine Idee: Roboterschwärme könnten die
       Tiefsee kartieren und, ausgestattet mit Kameras und Sensoren, wichtige
       Daten über das Ökosystem in der Tiefe sammeln. Bisher sind etwa 10 Prozent
       des Meeresbodens erforscht.
       
       ## Unbekannte Gebirge
       
       So stießen AWI-Forscher im letzten Jahr quasi im Vorbeifahren auf zwei
       Unterwasserberge. Trotz der Größe von Alpengipfeln war ihre Entdeckung
       Zufall. Doch kühne, durchaus beängstigende Zukunftsvisionen gehen weit über
       die Entdeckung der Tiefsee hinaus. Tief unten im Meer gibt es neben
       unbekanntem Leben auch Rohstoffe, Öl und Gas. In Schwarzen Rauchern und
       Manganknollen finden sich Zink, Kupfer, Gold und Silber. Noch ist ihre
       Erschließung zu teuer. Doch ein steigender Rohstoffbedarf macht die
       Ausbeutung immer wahrscheinlicher.
       
       Die Pläne in der Industrie: In Fabriken auf dem Meeresboden werden die
       Rohstoffe abgebaut und verarbeitet. Nur Roboter wären in der Lage, in
       diesen Tiefen Pumpstationen zu verkabeln und tonnenschwere Teile zu
       verschrauben. „Sie könnten auch an den Fabriken stationiert werden, um die
       Anlage zu warten und Reparaturen durchzuführen“, sagt Ronthaler. Die dafür
       nötige Energie kommt von Ladestationen in der Tiefe. Per Induktion wie bei
       der elektrischen Zahnbürste.
       
       Zum Glück ist das noch Zukunftsmusik. Mit Lithium-Batterien können Roboter
       etwa einen Tag lang autonom tauchen. Längere Einsätze sind nur mit
       unpraktischen Kabeln möglich. Auch an präzises Arbeiten unter Wasser ist
       kaum zu denken. Die meisten Tiefseeroboter sind grobschlächtige
       Kraftprotze. Messgeräte und Proben gehen in ihren Händen leicht kaputt. Bei
       der Montage können sie nur rausreißen oder reinschlagen.
       
       ## Roboter mit Feingefühl
       
       ## 
       
       Am DFKI ist man schon ein Stück weiter. Die Wissenschaftler haben eine
       feinfühlige Roboterhand entwickelt. Jeder Finger ist mit 800 Sensoren
       bestückt. Selbst zerbrechliche Tiefseekorallen ließen sich damit abtasten
       und per Datenbank einordnen. Im Labor funktioniert das schon gut. Doch
       außerhalb der Modellversuche ist die Euphorie über die autonomen und
       feinfühligen Roboter noch begrenzt.
       
       „Die Industrie sieht den Nutzen, nur die Angebote sind nicht ausreichend.
       Tiefseeroboter sind von der Zuverlässigkeit ihrer Landkollegen weit
       entfernt“, erklärt Thomas Rauschenbach vom Fraunhofer-Institut für
       Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) in Ilmenau.
       
       Unter den Unzulänglichkeiten leidet auch die Tiefseeforschung. An Bord des
       AWI-Forschungsschiffs „Polarstern“ kommt ein Tiefseeroboter nur
       projektweise, aus Kostengründen. Unterwasserfahrzeuge sind meist teure
       Einzelanfertigungen und müssen nach einem längeren Forschungseinsatz
       aufwendig repariert werden. Bei schlechtem Wetter starten sie gar nicht.
       Mit etwas Pech scheitern so lang geplante Expeditionen an den Tücken der
       Technik.
       
       ## Roboter aus der Serienfertigung
       
       „Die nächste Generation muss kleiner, robuster und billiger werden“,
       erklärt Rauschenbach. Am Ilmenauer Fraunhofer-Institut arbeitet man deshalb
       an serienmäßigen Robotern, mit offener Schnittstelle für eigene Programme
       und Werkzeuge. Die Hoffnung: Gelingt der Schritt zur Serienmäßigkeit,
       könnten in fünf, vielleicht zehn Jahren autonome Explorationsroboter auf
       Forschungsschiffen und bei der Pipeline-Inspektion Normalität sein. „Bis zu
       autonomen Reparaturen wird es noch länger dauern“, sagt der Robotikexperte.
       
       Vorerst hat die Vermessung der Tiefsee ohnehin Vorrang, gerade für einen
       besseren Schutz der Terra incognita. Genau dafür braucht es nämlich mehr
       Daten darüber, wie das Ökosystem der Tiefsee funktioniert und wie es sich
       durch den Klimawandel und Umweltverschmutzung verändert. „Es ist ein
       internationales Ziel, die Artenvielfalt der Tiefsee zu bewahren. Das wird
       aber schwer, wenn wir nichts über die Arten und ihr Vorkommen wissen“, sagt
       Boetius.
       
       Bisher sind die Schlüsselarten nur bruchstückhaft identifiziert, die
       Verbreitungsgebiete kaum bekannt. Auch der drohende Tiefseebergbau macht
       dieses Wissen dringend nötig. Schutzgebiete und Ausgleichsflächen zu
       schaffen, wie bei Landbergbau üblich, wäre mit heutigem Forschungsstand
       kaum möglich.
       
       26 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Birk Grüling
       
       ## TAGS
       
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