# taz.de -- Kolumne Sachverstand: Mit Raketen auf Fliegen
       
       > Wer allein wohnt, muss sich eben mit der Einrichtung unterhalten. Und die
       > hat einiges zu erzählen. Heute: die Deckenlampe.
       
 (IMG) Bild: Hätte gerne ein Raketenabwehrsystem, hat aber nur fünf Arme: Die Deckenlampe.
       
       Als ich aufwache, fällt mein Blick auf drei Stubenfliegen, die in einem
       irren Tempo ihre Kreise unter der Decke ziehen. Die Lampe wendet sich
       anklagend in meine Richtung. „Bin ich hier der Nürburgring oder was?“, ruft
       sie und rudert mit ihren fünf Armen. Die Fliegen schalten einen Gang hoch.
       
       „Von Mai bis Oktober fällt die Fannia canicularis durch ihren
       eigentümlichen, lautlosen Rundflug in der Zimmermitte auf, mit dem sie von
       der Decke herabhängende Gegenstände, besonders Lampen, umkreist“, sage ich
       und gähne. „Es handelt sich hier um einen Patrouillenflug, mit dem die
       Männchen ihr Revier überwachen und gegebenenfalls Eindringlinge angreifen.“
       
       „Wikipedia?“, fragt die Lampe. Ich nicke. „Hab ich schon letztes Jahr
       nachgeguckt.“ Sie seufzt. „Herabhängende Gegenstände“, sagt sie. „Das
       klingt immer gleich so negativ.“ „Ach komm, sei nicht so herablassend.“ Die
       Lampe lässt sich vom Wind schaukeln.
       
       „Wenn ich wenigstens ein Raketenabwehrsystem hätte“, murmelt sie, während
       sie beobachtet, wie die Fliegen ruckartig die Richtung wechseln. Ich setze
       mich auf. „Dass du immer gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen musst.“
       „Mit Raketen auf Fliegen“, korrigiert die Lampe. „Eben.“
       
       Für einen Moment hört man nur das Ticken der Uhr, dann schaltet sich das
       Radio ein und liest die Nachrichten vor. Nahostkonflikt. Ukraine.
       
       „Stell dir mal vor, hier wäre wirklich Krieg“, sage ich. Die Lampe
       schüttelt ihre Glühbirnen und zeigt stumm auf die Kristallvase aus den
       20ern, die am Fenster steht. Schon am Vortag war der lilafarbene Kopf der
       einen Blume wie in Zeitlupe vornübergekippt, ihr Stängel mit einem leisen
       Knacken gebrochen. Über Nacht sind zwei weitere gefallen.
       
       Ich gehe in die Küche, um frisches Wasser zu holen. Vielleicht überleben
       wenigstens die restlichen drei.
       
       26 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Seyboldt
       
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