# taz.de -- Kolumne Sachverstand: Wenn der Spiegel böse starrt
       
       > Wer allein wohnt, muss sich eben mit der Einrichtung unterhalten. Und die
       > hat einiges zu erzählen. Heute: der Spiegel.
       
 (IMG) Bild: Hat auch seinen Stolz: Spiegel, narzisstisch
       
       „Zeig mal her“, sagt der Spiegel, nachdem ich vor ihm stehend ein Foto von
       mir im neuen Kleid gemacht habe. Ich blicke von meinem Handy auf und ihm –
       also mir – ins Gesicht. „Warum das denn?“, frage ich. „Wenn jemand weiß,
       wie ich aussehe, dann ja wohl du.“ Der Spiegel verzieht keine Miene.
       „Schätzelein“, sagt er. „Auch wenn es dir nicht gefällt: Es geht nicht
       immer nur um dich.“ „Sondern?“ „Ich will sehen, ob ich auf dem Bild gut
       getroffen bin.“
       
       Ein narzisstischer Spiegel, denke ich – das ist so Meta, das glaubt mir
       doch wieder keiner. „Guck, du bist gar nicht drauf“, sage ich und halte ihm
       das Foto entgegen. „Wohl“, empört sich der Spiegel. „Siehst du die
       Schlieren da oben links?“ Ein leichtes Zittern geht in Wellen durch sein
       Glas. „Das vermittelt ein völlig falsches Bild von mir. Das kannst du
       unmöglich posten.“ Und nach einer Kunstpause: „Urheberrecht und so.“
       
       „Ich bitte dich“, sage ich. „Ist doch wahr“, ruft der Spiegel. „Wenn sogar
       ein Makake das Recht am eigenen Bild hat, dann will ich das auch!“ „Komm
       mir jetzt nicht mit dem [1][Rechtsstreit um das Affen-Selfie]. Da ist noch
       nichts entschieden und in Paragraf 72 des Urheberrechts steht weder was von
       Tieren noch von Gegenständen. Und drittens habe ich das Foto geschossen!“
       
       „Schon“, sagt der Spiegel. „Aber ohne mich würde es gar kein Foto geben.
       Dann wäre da nämlich nur die Wand drauf.“ Er rümpft den Rahmen. „Mit,
       igitt: Raufasertapete.“ „Dann hätte ich einfach eins mit ausgestrecktem Arm
       gemacht.“ „Hast du aber nicht“, ruft er mir hinterher, als ich den
       Glasreiniger hole.
       
       Nachdem alle Spuren beseitigt sind, lächelt der Spiegel maliziös. „Weil er
       ein Affengesicht euch zeigte, zerschlagt ihr den Spiegel. Nun aus den
       Scherben dafür gucken der Affen noch mehr. Daniel Sanders, Xenien der
       Gegenwart“, murmelt er. „Hast du mich gerade einen Affen genannt?“, frage
       ich. „Würde ich nie tun. Ich bin doch nur ein Spiegel.“
       
       16 Aug 2014
       
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