# taz.de -- Die Wahrheit: Save this word!
       
       > Auf der Suche nach dem verschwundenen Wort: Die Geschwindschreibekunst
       > muss gerettet werden. Ein Appell.
       
 (IMG) Bild: Schreiben Sie: „Die Geschwindschreibekunst darf nicht sterben!“ Am besten hundertmal
       
       Als schönste der verschwundenen Künste gilt die Geschwindschreibekunst. In
       Meyers Konversationslexikon von 1889 ist der Begriff zwar noch unter G
       aufgeführt, aber man muss dann schon Band 14 („Sahara – Swift“) aus dem
       Regal ziehen, um mehr als den Namen zu erfahren. Denn die poetische
       Geschwindschreibekunst war schon damals zur sachlich-kalten Stenografie
       geworden.Und wie es sich für eine Kurzschrift gehört, wurde die Stenografie
       kurzerhand zum griffigen „Steno“ verkürzt.
       
       Die Älteren unter uns erinnern sich noch, als in den Büros Stenotypistinnen
       eifrig Diktate in ihre Stenoblocks notierten, nachdem sie ihrem Chef den
       Kaffee gebracht hatten. Dann wurden die Diktafone erfunden, und die Arbeit
       der flinken Stenotypistin wurde wieder von der alten Chefsekretärin
       übernommen, die nun jederzeit in aller Ruhe das Band zurückspulen konnte.
       So verschwanden die Stenotypistinnen so geschwind, wie sie gekommen waren.
       Heutzutage hat sich nur noch eine Handvoll der Kurzschriftgelehrten in den
       Landtagen und im Bundestag erhalten. Ihr Überleben ist stark gefährdet und
       die Stenotypisten stehen auf der Roten Liste der aussterbenden Berufe. Man
       weiß aber, dass bei schrumpfenden Populationen von weniger als hundert
       Individuen der Genpool austrocknet, und so berichtete die Zeit schon 1994,
       dass die Parlamente händeringend qualifizierten Nachwuchs suchten. Damals
       schätzte der Leiter des Stenographischen Dienstes die Zahl noch auf etwa
       hundert. Aber wie viele mögen es heute sein?
       
       Noch schlechter erging es der Geschwindschreibekunst selbst. Wer über die
       „Friedhöfe der Wörter“ streift, wie eine Rubrik über vergessene Wörter in
       der Thüringer Allgemeinen heißt, wird vergebens danach Ausschau halten.
       Selbst Bodo Mrozek hat sie vergessen. Dieser hatte mit seinem „Lexikon für
       bedrohte Wörter“ seinerzeit einen unerwarteten Bestseller gelandet und
       wurde so zum Vorkämpfer für den Wortartenschutz. Und auch auf den roten
       Listen der Netzgemeinde fehlt die Kunst des Geschwindschreibens. Ob wir bei
       Oberlehrer.org oder bei Hausmeister.de nachschlagen: Fehlanzeige für
       Geschwindschreibekunst! Auch kein Treffer bei Retropedia, und selbst in der
       Community des Seniorentreff.de forschen wir unter „Vergessene
       Worte/Diskussionen im Seniorentreff“ vergebens nach der guten alten
       Geschwindschreibekunst.
       
       „Holen wir doch mal total schöne Wörter aus der Mottenkiste“, schlägt eine
       engagierte Wortfreundin im Geschwindnetz vor. Der Dümptener Seniorenclub
       ist bereits selbstlos im „Einsatz für bedrohte Wörter“ (WAZ): 1200
       Kleinodien hat er bereits aufgelistet, aber die Geschwindschreibekunst
       fehlt. Auch der stets herzensgute Spiegel startete die Leseraktion: „Retten
       Sie ein Wort vor dem Aussterben“. Doch die Geschwindschreibekunst wurde
       abermals nicht gerettet.
       
       Wer nicht möchte, dass die Geschwindschreibekunst ausstirbt, schreibe das
       Wort hundertmal auf Papier und klebe die Worte einzeln auf Laternen und
       Bäume. So etwas nennt man „Wörter auswildern“ (taz). Geschwind, geschwind!
       Sputet euch, was steht ihr noch herum?
       
       28 Jul 2014
       
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