# taz.de -- Die Wahrheit: Nation Atemlos
       
       > Das Deutschlandlied wird nicht nur von Fußballspielern verweigert. Darum
       > bekommt die Nation eine tanzbare Hymne mit einprägsameren Lyrics
       > verpasst.
       
 (IMG) Bild: So geht Hymne! Helene F. macht jedes Stadion zum Fischerchor.
       
       „Als Weltmeister kann ich sagen, diese Entscheidung war überfällig“, jubelt
       Nationaltrainer und Schlagerfan Joachim Löw kurz vor dem Bundesligastart.
       Es sei der „lätschte Tropfen“ auf den heißen Stein seiner Vertragserfüllung
       zum Wohle der Fußballnation, so Löw ungewohnt metaphernlastig in der Pause
       eines Fotoshootings für Bodylotion. Wovon spricht Löw? Nun, Bundespräsident
       Joachim Gauck hat ihm soeben per SMS mitgeteilt, dass es schon beim
       nächsten Freundschaftsspiel seiner Elf eine neue, viel mitreißendere
       Nationalhymne geben wird.
       
       Den Zuschlag für Text und Musik der neuen Hymne erhielt Schlagerikone
       Helene Fischer – wohl nicht zuletzt wegen ihres spektakulären Stöckelschuh-
       und Bauchfrei-Auftritts während der WM-Feier am Brandenburger Tor.
       
       „Wummernde Beats, saubere Show und ein geiler Body“, klärt
       Kirchenliedexperte Gauck das deutsche Volk kurze Zeit später in einer eilig
       anberaumten Fernsehansprache über die Vorzüge der neuen Hymnendichterin
       auf. „Wie keine andere Frau repräsentiert sie perfekt das perfekte, moderne
       und liebenswürdige Deutschland.“
       
       Zudem hätten sich Spieler und Fans bei Helene Fischers Auftritt in Berlin
       auffallend textsicher gezeigt. „Auf die alte Hymne hatte ich halt nie
       Bock“, gibt Sangesverweigerer Özil zu. Viele seiner Kollegen hatten
       außerdem die komplizierten Darbietungsvorschriften des Deutschlandliedes
       verwirrt. „Die erste Strophe darf nur Heino singen“, hatte etwa Lukas
       Podolski bis vor Kurzem geglaubt. Deshalb soll künftig Fischers
       Nummer-1-Hit „Atemlos durch die Nacht“ das charttaugliche Grundgerüst der
       neuen Hymne liefern. „Da kann man unbesorgt alle Strophen durchbrettern“,
       verkündet Gauck schmunzelnd.
       
       Er blickt konzentriert in die Kameras und drückt einen roten Buzzer, den
       man auf seinem Rednerpult platziert hat. Sir Simon Rattles Philharmoniker
       werden zugeschaltet, aber auch Pharrell Williams, der für die international
       anerkannten Beats verantwortlich zeichnet. Gaucks graues Haupthaar wippt
       auf und ab. Dann beginnt er mit seiner in unzähligen Kirchenchorproben
       zerknödelten Stimme die fetzige neue Hymne zu singen, während ein Ball über
       die eingeblendeten Zeilen flitzt und das ganze Fernsehvolk zum Fischerchor
       wird:
       
       In Einigkeit und Recht und Freiheit durch die Nacht;
       
       Spür, was dies Vaterland mit uns macht;
       
       Atemlos, schwindelfrei, großes Kino,
       
       danach lasst uns alle streben, seid dabei;
       
       Wir sind heute ewig, tausend Glücksgefühle;
       
       Alles, was ich bin, teil ich brüderlich mit dir
       
       Wir sind unzertrennlich, irgendwie unsterblich;
       
       Komm, nimm mein Herz und meine Hand.
       
       Ich liebe dich, drum blühe, deutsches Vaterland. Oho, oho. 
       
       „Vielen Bürgern und den meisten Spielern der deutschen Nationalmannschaft
       kommt ein Text mit kurzen, leicht einprägsamen Satzfetzen entgegen“,
       erklärt Gauck anschließend außer Atem. „Er lässt Raum für eigene Lyrics, es
       soll ja auch eine Mitmach-Hymne sein.“ Außerdem sei das Deutschlandlied zum
       ersten Mal in der deutschen Geschichte tanzbar – sogar als Discofox.
       
       „Wir machen die gesamte Republik zum Tanztee“, jubelt der Präsident, bevor
       er sichtlich stolz nach seinen Notizen greift und abgeht. Sekunden später
       tritt er, von seinen Mitarbeitern gedrängt, noch einmal vor die Kamera.
       „Wir machen Schland zur 24/7-Partymeile, wollte ich sagen“, berichtigt sich
       Gauck und wirft sich in die berühmte Saturday-Night-Fever-Pose.
       
       Selbstverständlich melden sich auch Kritiker. „Wir werden dagegen Protest
       einlegen“, teilt der Verbandschef der deutschen Asthmatiker, Klaus Marelke,
       mit. Das Lied werde auch weiterhin dringend als Verbandshymne gebraucht.
       Helene Fischer ließ dagegen verlauten, dass sie sich „extrem supidoll“
       freue. Leider könne sie selbst gerade nicht nach Berlin kommen – die
       Chanteuse feiert heute ihr 30. Wiegenfest im heimischen Wöllstein, das sie
       zur Feier des Tages brandschatzen und niederreißen lässt. „Unsere
       gemeinsame Zeit wird sicherlich noch kommen“, ahnt Gauck im Anschluss an
       seine Hymnen-Präsentation im Interview mit Frauke Ludowig. Der
       protokollarisch ranghöchste Mann Deutschlands ringt noch immer nach Luft.
       „Ich will Ihnen heute ein Geheimnis verraten“, nuschelt Gauck dann und legt
       seine Hand auf Ludowigs Knie. „Schon als Pastor im Osten habe ich immer
       Schlagertexte zur DDR-Hymne gesungen“, gesteht er. „Gern was von der
       Münchener Freiheit. Aber auch ’Die Freiheit ist ein Abenteuer‘ von Gunter
       Gabriel.“ Eine Träne der Rührung verleiht dem Staatsoberhaupt für einen
       kurzen Moment fast menschliche Züge. Endlich hat Deutschland einen
       Präsidenten, der sein Land liebt. Und dieses Land liebt Helene Fischer.
       
       5 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Stickling
       
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