# taz.de -- Kupferabbau im Regenwald von Ecuador: Geteiltes Leid, gespaltene Gemeinde
       
       > Jahrelang wehrt sich ein Dorf gegen den Kupferabbau. Dann schickt die
       > linke Regierung Ecuadors die Polizei. Und manche heißen das sogar gut.
       
 (IMG) Bild: Blick auf Junín: Der Kupfertagebau würde eine große Fläche des Regenwaldes im Intag-Tal vernichten.
       
       JUNÍN taz | Olga Curtíz will alles wissen. „Was haben sie erzählt? Wie viel
       Geld bekommen sie dafür?“ Noch immer ist die 40-Jährige fassungslos. Seit
       in diesem Mai Mitarbeiter der staatlichen Bergbaufirma Enami mit
       Unterstützung von drei Hundertschaften Polizei in Junín einmarschiert sind,
       ist nichts mehr, wie es vorher war. Nicht nur, weil jetzt bald in der
       Region Kupfer gefördert werden soll. Vor allem ist sie bestürzt, weil ihre
       eigene Familie den Uniformierten und Technikern Unterkunft bietet. Sie sind
       nicht die Einzigen im Dorf, die mit dem Staat kooperieren. Aber für Curtíz
       ist es „das Schlimmste, was man machen kann“.
       
       Ihr linker Arm schmerzt, das Bein auch, alles fühlt sich taub an.
       „Vielleicht ist es das Herz“, sagt sie. Curtíz wohnt keine zehn Minuten zu
       Fuß von Junín entfernt. Doch schon die Vorstellung, ihren Bruder oder Vater
       zu treffen, macht sie verrückt. Oder krank. Also hält sie sich von der
       Gemeinde fern. 17 Jahre lang haben sie gemeinsam gekämpft. Das gesamte
       Dorf. Gegen Unternehmen aus Japan und Kanada, die eine fast 5.000 Hektar
       große Wunde in den subtropischen Regenwald schlagen wollten, um im Tagebau
       Kupfer aus dem Boden zu holen. Die Bewohner organisierten die Proteste, die
       zwei Firmen gaben am Ende auf.
       
       Und jetzt? War der Widerstand umsonst? Nur weil mit Rafael Correa ein
       Präsident im Amt ist, der auf Rohstoffausbeutung setzt, obwohl er einst von
       der Umweltbewegung unterstützt wurde? Seit Langem entwickeln Curtíz und
       ihre Mitkämpfer Alternativen gegen die Zerstörung des natürlichen
       Reichtums: Ökotourismus, Kunsthandwerk, Biokaffeeanbau. Auch andere
       Gemeinden aus dem Intag-Tal beteiligen sich. Doch seit die Polizisten im
       Dorf sind, kommt kaum mehr ein Urlauber in das Gästehaus, das Olga Curtíz
       oberhalb von Junín zwischen Bananenstauden, Orangenbäumen und
       Kaffeesträuchern mit einem Kollektiv betreibt.
       
       ## Vier Gemeinden bedroht
       
       Rund 2,2 Millionen Tonnen Kupfer vermuten Experten hier im Intag-Tal im
       Norden Ecuadors, wo 15.000 Menschen leben. Der Bergbau wäre das Aus für den
       sanften Tourismus. „Das Wasser wird verseucht, der Regenwald abgeholzt“,
       fürchtet Curtíz. Mindestens vier Gemeinden würden verschwinden, das hätten
       schon die Studien der Japaner ergeben. Wieder wird sie wütend. Geht es dem
       Bruder tatsächlich um die paar Dollar, die er für die Unterbringung erhält?
       
       Oscar Curtíz spricht nicht über seine Schwester. Mit seiner kleinen Tochter
       auf dem Schoß sitzt er unter einer Plane, die Schutz vor der tropischen
       Sonne bietet. Für ihn sind die Eindringlinge gern gesehene Gäste. „Ohne die
       Beamten würden wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen“, meint der
       stämmige Mittdreißiger. Neben ihm spielen Jugendliche und Männer der
       Bergbaufirma Karten, Geldscheine werden über den Tisch geschoben. Rund um
       den Volleyballplatz, dem Herzen der 300-Seelen-Gemeinde Junín, vertreiben
       sich Polizisten im Schatten von Holzveranden die Zeit. Ein Teil der
       Einheiten wurde wieder abgezogen, die verbliebenen Beamten haben sich wie
       die Enami-Arbeiter bei einigen Familien niedergelassen, die im Ort oder auf
       Bauernhöfen in der Nähe leben.
       
       Die Gegner des Projekts lassen sich auf dem Dorfplatz kaum noch blicken.
       Wenn sie im Gemüseladen einkaufen, schauen sie vorsichtig zu den Polizisten
       und Technikern am Volleyballplatz hinüber. Und zu den Nachbarn, die nun
       plötzlich Feinde geworden sind. Auch Norma Torres kommt nur ungern hierher,
       obwohl sie gerade einmal hundert Meter entfernt wohnt. „Die Polizisten
       patrouillieren überall und haben viele Familien gespalten“, sagt die
       Hausfrau. „Man grüßt sich nicht mal mehr.“
       
       ## Vertrauen in Correa
       
       Die Spaltung empfindet auch Oscar Curtíz als belastend. Aber er steht dazu,
       dass er sich ein paar Dollars mit der Verpflegung der Beamten und
       Enami-Techniker verdient. Er tut es außerdem nicht nur des Geldes wegen.
       Früher war Oscar Curtíz ganz vorne bei den Protesten dabei. Etwa als es
       galt, das Camp der Transnationalen niederzubrennen. „Aber jetzt haben wir
       eine andere Regierung“, sagt er, „der Erlös des Kupfers geht nicht ins
       Ausland, sondern kommt uns zugute.“
       
       Oscar Curtíz vertraut auf Präsident Rafael Correa, der seit seinem
       Amtsantritt 2007 Unternehmen verstaatlicht hat, auf Erdölförderung und
       Bergbau setzt, um Schulen, Straßen und Krankenhäuser zu finanzieren.
       Bestimmt werde die staatliche Minengesellschaft Enami sauberer arbeiten als
       die transnationalen Unternehmen, hofft Oscar Curtíz. „Unsere Kinder
       brauchen hier eine Zukunft.“ Er will nicht, dass sie wie so viele aus Junín
       nach Quito oder Spanien emigrieren müssen, weil Viehzucht, Bohnen- oder
       Orangenanbau kein Auskommen garantieren.
       
       Und die Alternativprojekte? „Die Funktionäre der Umweltorganisationen haben
       nur ihren eigenen Geldbeutel gefüllt. Wir hatten nie etwas davon“, sagt er
       und zieht Papiere aus der Tasche, die das beweisen sollen. Vom
       gescheiterten Bioanbau und den Lügen „radikaler Gruppen“ ist da zu lesen.
       Und davon, dass die Öko-Aktivisten nur an ihren Vorteil dächten, während
       sich Correa um den Wohlstand aller Ecuadorianer sorge. Die Dokumente habe
       er von einem der Enami-Männer bekommen, sagt Curtíz.
       
       Also wohl von Mauricio Diaz León. Nur der Cheftechniker darf hier über die
       Arbeit seiner Firma reden. Tagsüber ist er mit seinen Mitarbeitern im
       Regenwald, um Proben zu nehmen. Jetzt, am frühen Abend, setzt Diaz León,
       38, sportlicher Körper, gerne ein paar Runden beim Kartenspiel aus, um die
       Problematik zu erklären. Der Geologe kennt den täglichen Überlebenskampf.
       Er ist selbst in einer armen Familie groß geworden und träumt davon, dass
       alle Ecuadorianer eine Ausbildung wie er genießen können. Der Öl- oder
       Kupferexport werde das ermöglichen, der nun unter staatlicher Kontrolle
       stehe. Dass Enami mit einer chilenischen Firma kooperiert, spielt für ihn
       keine Rolle.
       
       Auf Europäer, die kritische Fragen stellen, ist Diaz nicht gut zu sprechen.
       „Im Gegensatz zu den Deutschen können wir nicht frei entscheiden, ob wir
       unsere Rohstoffe verkaufen wollen oder nicht“, sagt er. Ecuadorianische
       Ökorebellen, die das anders sehen, hält er für Romantiker und gefährliche
       Volksfeinde, die von dunklen Mächten finanziert werden. Wer sie bezahle?
       „Das sind geheime Informationen unser Firma.“ Dann lässt er doch
       durchblicken, wen er für die Hintermänner hält: ausländische,
       imperialistische Kräfte.
       
       ## Inhaftierter Bürgermeister
       
       Die 40-jährige Curtíz macht nicht den Eindruck, als ließe sie sich von
       irgendjemandem ihre Meinung oder ihr Verhalten vorschreiben. Sie weiß, was
       es heißt zu kämpfen. Das Geld, das sie mit dem Gästehaus verdient, reicht
       knapp, um ihre drei Kinder über die Runden zu bringen. Jedes Wort, das sie
       über ihren Bruder hört, treibt sie erneut in Rage.
       
       „Schämt er sich nicht, schließlich befindet sich sein Cousin im
       Gefängnis?“, fragt sie. Der Bürgermeister Javier Ramirez wurde im April
       verhaftet, nachdem es bei Protesten gegen das Projekt zu Rangeleien
       gekommen war. Seither sitzt er in der Provinzstadt Ibarra im Gefängnis.
       Zwei Monate lang teilte er sich seine Zelle mit Mördern und anderen
       Kriminellen, über die Ramirez lieber nicht reden will: „Es war die Hölle.“
       Jetzt ist er in einem Trakt für Autofahrer untergebracht, die schwere
       Unfälle verursacht haben. Hier verschafft ihm ein kleiner Holzverschlag um
       das Bett ein bisschen Intimität. Zwei Mal die Woche dürfen die Häftlinge
       ihre Familie empfangen.
       
       Ramirez hoffte zunächst, dass er schnell entlassen wird. Schließlich hatte
       er zum Zeitpunkt der Auseinandersetzungen Probleme mit dem Knie und braucht
       ärztliche Hilfe. „Aber das hat nichts geändert“, sagt er. Trotz einer
       Haftprüfung im Juni muss er im Gefängnis bleiben. Schuldig fühlt er sich
       nicht. „Es ist doch klar, dass ich mein Dorf gegen den Kupferabbau
       verteidige“, sagt der inhaftierte Bürgermeister. Doch diese Haltung kann
       böse Konsequenzen haben. Selbst friedlichen Aktivisten wird unter dem
       Vorwurf der Rebellion, der Sabotage oder des Terrorismus der Prozess
       gemacht. Bis zu zwölf Jahre Haft stehen darauf.
       
       ## Repressives Regime
       
       Der Menschenrechtsaktivist Luis Angel Saavedra von der Organisation Inredh
       kritisiert, dass Präsident Correa zunehmend dem autoritären Vorgehen
       anderer sozialistischer Regime folgt: „Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle.“
       Eine unabhängige Justiz existiere nicht, Correa nutze seine wöchentlichen
       TV-Shows, um Widersacher anzugreifen. Kritische Journalisten bezeichnet der
       Staatschef als „Meuchelmörder mit Tinte“, Umweltschützer als „infantile
       Indigene“ oder „Ökoterroristen“.
       
       Eine dieser Ökoterroristinnen ist wohl Olga Curtíz. Auch sie unterstützte
       einst Correa. Schließlich propagierte er den Schutz der Natur, das Konzept
       des „guten Lebens“ im Einklang mit der Natur. Das pinkfarbene T-Shirt, das
       Curtíz heute trägt, wirbt immer noch für dieses „Vivir bien“. Doch es ist
       ein Werbehemd der Opposition, die jüngst im Intag-Tal die Regionalwahl
       gewonnen hat. Wenn sie den Namen Correa hört, schüttelt Curtíz nur den Kopf
       und sagt: „Und diesen Mann haben wir gewählt.“
       
       13 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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