# taz.de -- Medizintechnik bei Gebärmutter-OPs: Wundergeräte in der Kritik
       
       > Zu den häufigsten Gebärmutter-Erkrankungen zählen Myome. Ein Gerät zur
       > Behandlung wurde nun zurückgerufen. Die Behörden sind alarmiert.
       
 (IMG) Bild: Nicht invasiv und ungefährlich: Ultraschalluntersuchung.
       
       Über zwei Jahrzehnte wurden die vermeintlichen Wundergeräte von Ärzten
       gepriesen: So genannte Morcellatoren, medizinische Geräte, von der
       Funktionsweise einem Pürierstab ähnlich, galten als Segen für Frauen, die
       an gutartigen Tumoren an der Gebärmutter litten. Die Morcellatoren
       ermöglichten es, das zu entfernende Gewebe bereits im Bauchraum zu
       zerkleinern.
       
       Der Vorteil: Frauen, die die gutartigen Geschwulste (Myome) loswerden
       wollten oder deren Gebärmutter entfernt werden musste, mussten fortan nicht
       mehr zwingend am offenen Bauch operiert werden, große Schnitte und lange
       Operationszeiten inklusive. Dank Morcellator konnten sie minimalinvasiv,
       also schonend behandelt werden. Denn weil die oft großen Gewebeklumpen
       bereits im Bauch zerstückelt worden waren, ließen sie sich anschließend
       durch die schmalen endoskopischen Rohre absaugen.
       
       Doch jetzt gibt es Zweifel, ob der Einsatz der Morcellatoren den
       Patientinnen nicht mehr schadet, als er ihnen nutzt: US-Wissenschaftler
       warnten im Juli im amerikanischen Ärzteblatt JAMA, dass die mechanische
       Zerkleinerung des Gewebes zu einer ungewollten Streuung von Krebszellen im
       Bauchraum führen könne – dann nämlich, wenn sich die zunächst für gutartig
       gehaltenen Myome tatsächlich als bösartige Sarkome entpuppten. Die
       Überlebensprognose für Frauen verschlechtere sich dadurch. Ob es sich um
       Krebstumoren handelt oder nicht, ist vor dem Eingriff für Ärzte kaum
       feststellbar – es existieren keine diagnostischen Möglichkeiten.
       
       Die US-Kontrollbehörde FDA (Federal Drugs Administration) hatte bereits im
       April per „Safety Communication“ wegen des Krebsrisikos vor den Geräten
       gewarnt, ihren Einsatz aber bislang nicht verboten. Am 31. Juli dann traf
       das Unternehmen Ethicon, Tochter des Gesundheitskonzerns Johnson & Johnson
       und einer der Marktführer auf dem Markt der Morcellatoren, eine radikale
       Entscheidung: Weltweit rief Ethicon sämtliche auf dem Markt befindlichen
       Morcellatoren zurück, möglicherweise auch, um Klagen von Patientinnen
       zuvorzukommen.
       
       „Die Abschätzung der Risiken gegenüber den Vorteilen dieser Geräte für
       operative Eingriffe bleibt ungewiss“, teilte eine Unternehmenssprecherin
       von Ethicon Deutschland der taz zur Begründung mit. Und: „Wir fordern die
       Kliniken und Ärzte auf, uns schriftlich zu bestätigen, dass sie verstanden
       haben, dass dringend davon abgeraten wird, diese Geräte weiter zu
       verwenden.“
       
       ## Medizinisches Behandlungsrisiko
       
       Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als
       deutsche Aufsichtsbehörde teilte der taz mit, es sei gesetzlich „verboten,
       Medizinprodukte anzuwenden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sie
       die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten gefährden“. Dabei sei es
       „unerheblich, ob der Rückruf durch den Hersteller oder auf Anordnung der
       zuständigen Landesbehörde erfolgt“. Das BfArM habe die Deutsche
       Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) als zuständige
       medizinische Fachgesellschaft über das „medizinische Behandlungsrisiko“
       informiert und „sie gebeten, diese in ihren Behandlungsleitlinien zu
       berücksichtigen“.
       
       Doch bislang kann davon keine Rede sein. In Deutschland werden
       Morcellatoren in den Kliniken weiterhin angewendet zur Zerkleinerung von
       Myomen und Gebärmuttern (siehe Interview) – es wird jetzt eben auf Geräte
       anderer Hersteller ausgewichen. Die Firma Karl Storz mit Sitz in Tuttlingen
       und die Firma Richard Wolf aus Knittlingen, zwei international bekannte
       Hersteller von Morcellatoren, ließen Anfragen der taz unbeantwortet, ob sie
       ihre Geräte ebenfalls zurückrufen würden. Und da es sich weder um einen
       Defekt noch um eine Fehlfunktion der Geräte an sich handelt, sondern um ein
       Behandlungsrisiko, können die für Medizinprodukte zuständigen Behörden nach
       dem Gesetz zwar Empfehlungen aussprechen, aber keinen Rückruf anordnen.
       
       Stefan Rimbach, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische und
       Geburtshilfliche Endoskopie (AGE), eine Untergruppe innerhalb der
       Fachgesellschaft DGGG, bezeichnete den Rückruf durch Ethicon im Gespräch
       mit der taz unterdessen als „Katastrophe“. Das Risiko, „ungewollt
       bösartiges Gewebe zu zerkleinern im Bauch“, sei seit Jahren bekannt. Es sei
       „äußerst gering“. Deswegen halte er es für falsch, ganz auf den Einsatz der
       Morcellatoren zu verzichten: „Wir haben in der Gynäkologie jahrelang für
       schonende, organerhaltende Verfahren gekämpft.“ Diese Errungenschaft dürfe
       nicht aufgegeben werden. 100-prozentige Sicherheit biete nur „die
       vollständige Gebärmutterentfernung am offenen Bauch“.
       
       ## Fehlende Krebsregister
       
       Rimbach kritisierte, dass es in Deutschland angesichts fehlender
       Krebsregister bislang kaum verlässliche Daten gebe weder zur
       Sarkom-Häufigkeit noch zu der Frage, in welchem Maße genau eine etwaige
       Zellstreuung den Krankheitsverlauf beeinflusse. Die AGE werde hierzu unter
       seinem Vorsitz demnächst eine bundesweite Register-Studie beauftragen,
       kündigte Rimbach an.
       
       Auch in den USA ist die Datenlage dünn. Die Forscher um Jason Wright vom
       Columbia University College of Physicians and Surgeons in New York hatten
       zuletzt jedoch anhand ihrer Analyse von Daten eines Krankenhausregisters
       herausgefunden, dass Sarkome offenbar weitaus häufiger vorkommen als
       bislang angenommen. Gingen bisherige Schätzungen von einer Krebserkrankung
       pro 500 Behandlungsfälle aus (andere Autoren hielten sogar eine Rate von
       1:10.000 für wahrscheinlich), ermittelte Wright, dass auf 368
       Morcellationseingriffe eine Krebserkrankung komme.
       
       15 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Haarhoff
       
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