# taz.de -- Debatte um E-Books als Kulturträger: Es geht ums Geld
       
       > Noch nie ist der Buchmarkt ein so geschlossenes System gewesen wie heute
       > – trotz Selfpublishing und E-Books. Das liegt vor allem an Amazon.
       
 (IMG) Bild: Auch im E-Book lässt sich blättern.
       
       In seinem Text „Es geht ums Lesen“ [1][schrieb Johannes Thumfart] an dieser
       Stelle ein Loblied auf das E-Book. Seine These: Nie sei „der Akt des
       Publizierens und Lesens inklusiver gewesen als in Zeiten des E-Books“ –
       wären da nicht die zukunftsresistenten Verlage und der konservative
       Liebhaber des leinengebundenen Buchs mit Lesebändchen. Aber Johannes
       Thumfart hat sich den falschen Gegner gesucht.
       
       Denn die günstige Verbreitung des neuen Trägermediums verhindert vor allem
       die derzeitige Monopolisierung des Buchmarkts, dessen größter Player der
       US-amerikanische Onlineversandhändler Amazon ist. An dem milliardenschweren
       Unternehmen kommt zurzeit niemand vorbei – weder die LeserInnen noch die
       Verlage und auch nicht die AutorInnen.
       
       Das dem so ist, hat verschiedene Gründe. Zum einen verkauft Amazon in
       Deutschland bald die Hälfte aller E-Books – Tendenz steigend. In den USA,
       wo der E-Book-Anteil am Buchmarkt dreimal höher ist als in Deutschland, ist
       die Marktmacht des Konzerns wegen der fehlenden Buchpreisbindung, die
       hierzulande extrem hohe Rabatte verhindern soll, noch größer: Amazon hat
       dort ein Quasimonopol und verkauft drei von fünf Büchern. Zum anderen hat
       Amazon einen geschlossenen E-Book-Kosmos erschaffen. Mit der Entwicklung
       des „Kindle Direct Publishing“, einer Plattform zur Erstellung von E-Books
       im Selbstverlag, entstand auch erst ein wahrnehmbarer und relevanter Markt
       für elektronische Bücher.
       
       Darüber hinaus besitzt der Onlinehändler das beste und am meisten
       verbreitete Lesegerät: den Kindle-Reader. Doch auf dem Kindle kann man nur
       von Amazon erworbene E-Books lesen. Amazon ist Verleger, Verkäufer und
       Verbreiter des Endgeräts für E-Books. Ein weitgehend geschlossenes System.
       
       Und Jeff Bezos’ Konzern nutzt seine Marktmacht aus. Die Arbeitsbedingungen
       in den Lagerhallen sind schlecht. Künftig soll zudem fast die Hälfte des
       Versands deutschsprachiger Bücher aus Polen und der Tschechischen Republik
       erfolgen.
       
       ## Extra Preisnachlass für Amazon
       
       Vor allem bedrängt Amazon die Verlagshäuser – und das auf gleich zwei
       Ebenen. Auf der einen Ebene agiert Amazon selbst als Verleger. Denn das
       Unternehmen ist längst mehr als nur ein mächtiger Händler: Unter dem Dach
       von Amazon sammeln sich bereits ein gutes Dutzend Verlage, so genannte
       Imprints. Auf der anderen Ebene fordert Amazon von den unabhängigen
       Verlagen auch noch einen deutlich höheren Händlerrabatt als üblich. Damit
       versucht das Unternehmen den Einkaufspreis so weit zu drücken, dass Amazon
       beim Weiterverkauf eines Buches an den Endkunden mehr Gewinn macht als
       andere Buchhändler.
       
       Große Buchhändler setzten normalerweise 40, maximal 50 Prozent Rabatt
       durch. Amazon hingegen fordert einen deutlich größeren Preisnachlass. Auf
       einer der taz vorliegenden Abrechnung, die Amazon an einen deutschen
       Kleinverlag sandte, sind unter Rabatt „55 Prozent“ aufgeführt, wovon 5
       Prozent Zusatzkosten für die Lagermiete sind. Hinzu kommen noch 2 Prozent
       Skonto, die sich Amazon nimmt. Macht: 57 Prozent Rabatt für Amazon. Darüber
       hinaus trägt der Verlag die Portokosten für den Buchversand.
       
       An den hohen Rabatten sind die Verlage indes nicht ganz unschuldig, sie
       räumten dem Giganten über Jahre freiwillig großzügig Nachlässe ein. Nun
       geraten viele Verlage – auch die größeren – an ihr Limit. Denn ihre
       Gewinnspanne liegt ohnehin nur bei wenigen Prozent – wer sich da den
       Rabattforderungen beugt, macht womöglich Verlust.
       
       ## Druck über Liefergeschwindigkeit
       
       Darum streiten zurzeit auch zwei große Player der Branche mit Amazon über
       die Beteiligung am E-Book-Verkauf. Auch hierbei geht es um Rabatte. Die
       Verlagsgruppe Bonnier wirft dem Händler vor, die Auslieferung von Büchern
       zu verzögern, um höhere Preisnachlässe für E-Books – man munkelt über 50
       statt der üblichen 30 Prozent – zu erzwingen. Auch die US-Verlagsgruppe
       Hachette wurde von Amazon auf diesem Weg unter Druck gesetzt. Das
       Bundeskartellamt prüft darum eine Beschwerde des Börsenvereins des
       deutschen Buchhandels. Verstößt Amazon gegen das Kartellrecht? Oder bewegt
       sich das Unternehmen in einer rechtlichen Grauzone?
       
       Gegen die Praxis, durch Lieferverzögerungen die Verlage unter Druck zu
       setzen, protestierten in den USA jüngst 909 SchriftstellerInnen in einem
       offenen Brief in der New York Times. Denn Leidtragende sind vor allem die
       AutorInnen: Geraten ihre Verlage unter Druck, ist nicht nur ihr Honorar
       gefährdet, sondern auch jede Literaturnische abseits der Bestseller. Zumal
       Verlage bisher ganz gut von einer Mischkalkulation leben konnten, also mit
       ertragreichen Büchern schwer verkäufliche Werke finanzierten.
       
       ## Änderungen vorbehalten
       
       In der vergangenen Woche schlossen sich deutsche KollegInnen dem Protest
       an: Neben Elfriede Jelinek und Ingrid Noll unterzeichneten fast 1.500
       SchriftsellerInnen ein Schreiben an Amazon-Chef Jeff Bezos: „Amazon
       manipuliert Empfehlungslisten. Amazon nimmt Autoren und ihre Bücher als
       Druckmittel her, um noch mehr Rabatte zu erzwingen“, heißt es darin. Aber
       die Lage ist kompliziert, selbst etablierte AutorInnen können kaum auf
       Amazon verzichten, machen sie dort doch einen beträchtlichen Teil ihres
       Umsatzes.
       
       Noch abhängiger sind nur jene, die sich ganz in den Schoß von Amazon
       flüchten, um dort im Selbstverlag ihr Buch zu publizieren. Zwar behält
       Amazon bei den selbstverlegten E-Books nur maximal 65 Prozent des
       Verkaufspreises ein – eine deutlich bessere Kondition, als Verlage sie
       ihren AutorInnen bieten könnten –, aber dennoch ist das Selfpublishing via
       Amazon in erster Linie ein gutes Geschäft für Amazon selbst. Denn das
       Unternehmen stellt lediglich das digitale Bestellsystem. Die E-Books im
       Selbstverlag mit Standardlayout und ohne Lektorat kosten Amazon nichts
       weiter. Und die AutorInnen machen sich dadurch komplett vom Händler und
       dessen Preispolitik abhängig. Amazon behält sich Änderungen der Bedingungen
       jederzeit vor.
       
       Dennoch hält sich die Mär vom per se „billigen“ Buch, besonders vom
       „billigen“ E-Book, dessen Preis nur von den Verlagen künstlich hochgehalten
       würde. Amazon verbreitet sie gerne, und auch Johannes Thumfart ist ihr
       aufgesessen. Dahinter steht ein Missverständnis: E-Books sind in ihrer
       Produktion nämlich nicht sonderlich billig. Zwar fallen bei ihnen keine
       Druckkosten und Lagerhaltung an, aber Honorare, Lektorat, Herstellung,
       Öffentlichkeitsarbeit, AutorInnenbetreuung, Lesungsakquise und Miete bilden
       auch beim E-Book den Großteil der Ausgaben. Schließlich wird ein Buch nur
       in Ausnahmefällen druckreif geschrieben. Normalerweise entsteht es mithilfe
       von LektorInnen.
       
       ## Veröffentlicht und ungelesen
       
       Und es sind nicht die Verlage, die Bücher – gedruckte wie digitale – teuer
       machen. Sondern es ist der Händler und Verleger Amazon, der das E-Book
       künstlich billig macht. Es scheint die Politik Amazons, die Preise nach
       unten zu treiben und so die Konkurrenz – Händler wie Verlage – vom Markt zu
       wischen. Und ist die lästige Konkurrenz erst einmal vom Markt, könnte und
       würde Amazon selbstverständlich die Preise erhöhen.
       
       Dann geht viel mehr unter: die Möglichkeit, mit Büchern etwas Geld zu
       verdienen, vom Schreiben leben zu können, für sein Geld etwas zu bekommen –
       nämlich Literatur. Denn seien wir ehrlich: Zwar ist es wunderbar, dass
       jedeR nun publizieren kann, aber Selfpublishing rechnet sich höchstens für
       BestsellerautorInnen, die bekannt genug sind, ihre Bücher abseits der
       Verlagsstrukturen zu vertreiben. Die Masse der No-Names geht einfach unter:
       ungelesen, aber veröffentlicht. An ihnen verdient höchstens die
       Vertriebsplattform.
       
       Und wegen des eskalierenden Preiskampfes wird es, anders als Thumfart das
       hofft, unter den jetzigen Bedingungen keine E-Book-Revolution in Afrika
       geben. Leider. In den ärmsten Ländern der Welt kann Amazon nämlich kaum
       etwas verdienen. Und ebenso wenig können es Apple und Google, die auf den
       E-Book-Markt drängen.
       
       24 Aug 2014
       
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