# taz.de -- Militärparade in Kiew: Die Stunde der Patrioten
       
       > Eine ganze Stadt in Blau und Gelb: Präsident Poroschenko verspricht
       > jubelnden Ukrainern die Aufrüstung der Armee. Nicht alle finden den
       > Aufzug richtig.
       
 (IMG) Bild: Auch ein Zeichen an Russland? Die Militärparade zum Tag der Unabhängigkeit
       
       KIEW taz | Die ukrainische Flagge hängt überall – an staatlichen
       Institutionen, Geschäften und Bürokomplexen. Sogar an den Kiosken, die
       Kaffee, Zigaretten und andere Kleinigkeiten feilbieten, finden sich
       Fähnchen. Die Menschen auf den Straßen tragen blaugelbe Schleifen an ihren
       Handgelenken, Taschen und Rucksäcken. Einige haben selbst ihren Haustieren
       eine Schleife um den Hals gebunden. Auch in weniger zentralen Wohngegenden
       der Stadt hängen ukrainische Flaggen von den Balkonen.
       
       Der neueste Trend sind blau-gelb gestrichene Satellitenschüsseln für den
       Fernsehempfang. Auch die Absperrungen an den Brücken sind von Aktivisten
       und Freiwillige in Blau-Gelb gestrichen. Sie sehen jetzt sehr patriotisch
       aus.
       
       Willkommen zum Unabhängigkeitstag der Ukraine am 24. August in Kiew.
       Tausende haben sich im Stadtzentrum versammelt, um die Militärparade mit
       1.500 paradierenden Soldaten zu sehen, gefolgt von Schützenpanzern,
       Luftabwehrsystemen und Lastwagen mit aufmontierten Raketen. Viele der
       Schaulustigen sind extra für diesen Tag aus der Provinz angereist sind. Die
       letzte Militärparade zog hier vor fünf Jahren durch die Straßen.
       
       Vor Zehntausenden Menschen verkündet Präsident Petro Poroschenko, dass die
       Armee massiv aufgerüstet werde und dass dafür mehr als 2,2 Milliarden Euro
       investiert werden. „Damit können wir Flugzeuge, Hubschrauber und
       Kriegsschiffe modernisieren oder kaufen“, sagt er zu der jubelnden Menge.
       „Krieg ist über uns gekommen aus einer Himmelsrichtung, aus der wir es
       niemals erwartet hätten“, begründet der Präsident die Aufrüstungspläne und
       zeigt sich optimistisch über den Ausgang des Kriegs: „Ich bin überzeugt,
       dass der Kampf für die Ukraine, für unsere Unabhängigkeit, mit unserem Sieg
       enden wird.“ Die Separatisten nannte Poroschenko „brutale Terroristen“. Und
       weiter: „Der Krieg ist nicht unsere Initiative. Wir wählen den Frieden.“
       
       ## Wyschiwanki in Mode
       
       Noch ist es warm in der Ukraine, und auch in der Mode gibt es einen neuen
       Trend: bestickte Blusen und Hemden im ukrainischen Stil – die sogenannten
       Wyschiwanki. Früher wurden langärmelige Leinenhemden bestickt, heutzutage
       werden Applikationen auf T-Shirts und Blusen genäht. Irina verkauft ihre
       „Wyschiwanki“ auf der Straße. Die Nachfrage sei groß, erzählt sie. „Wir
       kaufen normale T-Shirts ein und nähen ihnen an Kragen oder Ärmel die
       Stickereien an. Den Leuten gefällt das. Die Kleidung ist einfach, bequem
       und hat etwas Traditionelles. Im Vergleich zu den echten Leinenhemden
       kosten sie auch viel weniger.“
       
       Die Ukrainer sind in kürzester Zeit zu Patrioten geworden. Die Studentin
       Julia sagt, dass sie erst vor dem Hintergrund der russischen Aggression im
       Osten des Landes gelernt habe, ihr Land zu schätzen. „Früher war der 24.
       August für mich einfach nur ein Tag, an dem ich mit meinen Freunden feiern
       gegangen bin. Jetzt verstehe ich, welchen Preis die Freiheit eigentlich
       hat. Ich bin hier hergekommen, um derer zu gedenken, die für unser Land ihr
       Leben im Osten gelassen haben.“ Wegen des Krieges wird es außer der
       Militärparade an der Hauptstraße in Kiew, dem Kreschtschatnik, keine
       weiteren Veranstaltungen geben.
       
       ## Gegen Auftritt, für mehr Waffen
       
       Doch nicht alle unterstützen den martialischen Auftritt. Viele Ukrainer
       sind der Meinung, dass das Geld lieber in Waffen und Munition für die
       Soldaten investiert hätte werden sollen. Die Kriegstechnik, sagen sie,
       hätte direkt an die Front geschickt werden sollen, ohne mit ihr vorher
       feierlich auf der Parade zu demonstrieren. „Es gibt nichts, was wir auch
       nur irgendjemandem vorzeigen könnten“, findet der Rentner Ilja
       Nikolajewitsch. „Alle wissen, dass es unserer Armee an Lebensmitteln,
       Waffen und anderen Kriegsgeräten mangelt. Die Regierung sollte lieber das
       Geld für Dinge ausgeben, die wirklich notwendig sind, anstatt sich solche
       Dummheiten auszudenken“, verlangt Nikolajewitsch.
       
       Junge Menschen sehen das weniger kritisch. Der Bankangestellte Igor findet
       die Parade richtig. „Natürlich sollten wir viel sparen, das müssen wir
       sogar. Aber es sollen ruhig alle wissen, dass wir ein starkes Land sind,
       das sich gegen seine Feinde zur Wehr setzen kann.“
       
       24 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrej Nesterko
       
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