# taz.de -- Versorgungslage in Venezuela: Frischmilch gegen Fingerabdruck
       
       > Gegen den Verkauf subventionierter Waren ins Ausland: Mit
       > erkennungsdienstlichen Maßnahmen will Venezuela den Versorgungsengpässen
       > begegnen.
       
 (IMG) Bild: Schlange stehen in Caracas.
       
       BUENOS AIRES taz | Mit der Einführung eines biometrischen Systems will die
       Regierung Venezuelas die Versorgungslage im Land verbessern. Zwar werden
       knappe Waren wie Zucker, Frischmilch oder Speiseöl bereits seit Monaten nur
       noch in kleinen Mengen an die Kundschaft verkauft. Doch bald soll noch
       strikter darauf geachtet werden, dass niemand sein Wochenkontingent an
       preissubventionierten Waren überzieht. Im ölreichen Venezuela fehlt es
       immer wieder an Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs. Die
       Regierung macht dafür Schmuggler verantwortlich, die stark subventionierte
       Güter im Nachbarland Kolumbien verkaufen.
       
       Bereits am 30. November soll das biometrische System starten – und dann den
       Verkauf von 23 Basisprodukten kontrollieren, darunter Mehl, Reis, Milch,
       Zucker, Klopapier, Kaffee, Margarine, Speiseöl, Geflügel, Fleisch, aber
       auch Shampoo und Waschmittel. Zuerst soll es in den großen Supermärkten der
       acht Bundesstaaten Apure, Zulia, Táchira, Falcón, Sucre, Bolívar, Amazonas
       und im Großraum der Hauptstadt Caracas installiert werden.
       
       Die dazu notwendige Abgabe der persönlichen Daten und der Abdruck von
       linkem und rechtem Zeigefinger solle weniger als eine Minute dauern, sagte
       Andrés Eloy Méndez, der Leiter der staatlichen Preisregulierungsbehörde.
       Das System beziehe sich ausschließlich auf Produkte, deren Preise reguliert
       werden. Wer Waren einkauft, die nicht unter die staatliche Preisregulierung
       fallen, muss auch nicht seine Fingerkuppe zeigen. Die Lesegeräte sollen mit
       den Datenbanken des Innenministeriums, des Obersten Wahlrates und der
       staatlichen Telefongesellschaft CANTV vernetzt werden.
       
       „Jeder kann jede Woche die für eine Person übliche Menge einkaufen. Dass
       eine Person 35 Kilogramm Mehl auf einmal einkauft, ist nicht normal. Aber
       jedes Mitglied einer Familie kann sein Kontingent einkaufen“, betonte
       Méndez. Er hofft, dass damit nicht nur die Schlangen verschwinden, sondern
       vor allem der Weiterverkauf der subventionierten Waren auf den
       Schwarzmärkten Richtung Ausland eingedämmt wird. Hamsterkäufe sind in
       Venezuela seit Langem zu beobachten.
       
       ## „Hamsterkäufe sind Normalität“
       
       Viele VenezolanerInnen schütteln schon lange den Kopf über das
       Einkaufsverhalten ihrer Landsleute. „Hamsterkäufe sind in Venezuela
       Normalität. Vor jedem größeren Ereignis, beispielsweise auch Wahlen, werden
       die Einkaufskarren mit allem, was es gibt, vollgepackt“, sagt der
       Journalist Oscar Torres.
       
       Die Lesegeräte für die Maßnahme werden importiert, die Kosten müssen die
       Supermarktbetreiber übernehmen. Im Bundesstaat Zulia läuft bereits seit
       zwei Monaten eine Testphase in acht Supermärkten. In einem hätten bereits
       22.000 Kunden ihre Fingerabdrücke hinterlassen. „Es ist besser, wenn sich
       alle registrieren lassen. Dann weiß jeder, welche Menge er jede Woche
       einkaufen darf“, sagt Andrés Eloy De Cándido, Eigentümer der gleichnamigen
       Supermarktkette. Er steht dem System offen gegenüber und hofft, dass bis
       Mitte September alle Filialen seiner Kette mit Lesegeräten ausgestattet
       sind.
       
       Für die Opposition ist das Vorhaben ein willkommener Anlass, um Front gegen
       die ihrer Meinung nach verfehlte Wirtschaftspolitik der Regierung zu
       machen. Für den heutigen Donnerstag hat die Parteienallianz Mesa de la
       Unidad Democrática (MUD) zu einem landesweiten „Cacerolazo“ aufgerufen –
       einem Kochtopfkonzert. Tatsächlich könnte das geplante Fingerabdrucksystem
       die zum Erliegen gekommen Straßenproteste reaktivieren.
       
       Einen Vorgeschmack lieferten die zu Wochenbeginn wieder aufgeflammten
       Auseinandersetzungen zwischen Protestanten, Polizei und Nationalgarde im
       Bundestaat Táchira. Von hier aus war im Februar eine Protestwelle über
       Venezuela gerollt. Bis Juni waren dabei über 40 Menschen zu Tode gekommen.
       Grund waren die extreme Gewalt und prekäre Versorgungslage. Beides hat sich
       seither verschlimmert.
       
       28 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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